Prof. Dr. Dr. Hermann Haken

Der renommierte Physiker im Interview

Der renommierte Physiker Hermann Haken, geb. 12. Juli 1927 in Leipzig, gilt als Pionier der Laserforschung und Begründer der Synergetik. Seine Erkenntnisse waren für viele Wissenschaftsgebiete grundlegend und machten ihn weit über Fachkreise hinaus bekannt. 1990 wurde Hermann Haken mit der Max-Planck-Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft ausgezeichnet.

Kontakte zu früheren Kommilitonen rufen immer schöne Erinnerungen hervor.

Hermann Haken studierte Mathematik und Physik in Halle und Erlangen. Nach der Promotion in Mathematik an der Universität Erlangen-Nürnberg wurde er 1960 auf den Lehrstuhl für Theoretische Physik der Universität Stuttgart berufen, den er bis zu seiner Emeritierung 1995 inne hatte.

Sie sind einer der renommiertesten Physiker. Ihr Traumberuf war aber eigentlich Flugzeugkonstrukteur zu werden. Wie kam es dazu, dass Sie sich für ein Studium der Mathematik entschieden und Physik „nur“ im Nebenfach studiert haben?

Nach dem Krieg gab es in Deutschland keine Flugzeugindustrie mehr. Ich habe mich dann für ein Studium der Mathematik entschieden, weil mir dies sicherer erschien.

Gibt es ein Erlebnis aus Ihrer Studien- und Promotionszeit in Erlangen, an das Sie immer wieder gerne zurück denken?

Ich denke immer wieder gerne an die Faschingszeit zurück, in der es immer sehr schöne Institutsfeste gab.

Haben Sie noch Kontakt zu früheren Kommilitonen? Und wenn ja, was bedeuten Ihnen diese Kontakte heute?

Gelegentlich habe ich noch Kontakte zu früheren Kommilitonen, die werden zwar immer weniger, rufen aber immer schöne Erinnerungen hervor.

Bevor man mit einem berühmten Wissenschaftler spricht, setzt man sich mit dessen Forschungsgebiet auseinander. Das ist oft nicht ganz einfach. Können Sie uns Laien erklären, was Synergetik ist?

Der Definition nach ist Synergetik die „Lehre vom Zusammenwirken“. In praktisch allen Gebieten der Naturwissenschaft, aber auch der Technik bis hin zu den Geisteswissenschaften, haben wir es mit dem Zusammenwirken vieler einzelner Teile in einem ganzen System zu tun, wobei neuartige Strukturen entstehen. Dies ist besonders in der Biologie deutlich, wo das Zusammenwirken vieler einzelner Zellen in einem Organ, etwa in der Niere oder insbesondere im Gehirn, zu sinnvollen und zielgerichteten Funktionen führt. Aber auch in der unbelebten Natur führt das Zusammenwirken einzelner Teile, etwa der Moleküle in einer Flüssigkeit, zu den verschiedensten Strukturen, etwa Strömungsmustern.

Ich hatte das Glück, am Beispiel der damals neuartigen Lichtquelle Laser eine Reihe von Gesetzmäßigkeiten aufzudecken, die der spontanen Strukturbildung zugrunde liegen. Während in einer normalen Lampe die einzelnen Atome ihr Licht völlig ungeordnet aussenden, entsteht beim Laser, wie durch Zauberhand, eine einzige hoch geordnete Lichtwelle. Wie kommt dieser Akt der Selbstorganisation zustande? Die damals entwickelten Konzepte lassen sich in mathematischer Weise auf eine Fülle von Selbstorganisations-Phänomenen anwenden. Diese Anwendungen erstrecken sich bis auf Vorgänge im Gehirn, wie die visuelle Wahrnehmung, d.h., das Erkennen von Gestalten oder die Steuerung von Bewegungsvorgängen von Gliedern.

Bild: www.synergetik-therapie.de/hermann-haken
Bild: www.synergetik-therapie.de/hermann-haken

Das führt uns zu den so genannten Kippfiguren: Bei der Betrachtung eines solchen Bildes, wie hier, sehen wir entweder das Gesicht einer alten oder das einer jungen Frau. Wie kommt es zu diesem Phänomen? Und wovon hängt es ab, ob man das eine oder andere wahrnimmt?

Wir haben das Phänomen der Kippfiguren mit Hilfe eines Computermodells näher untersucht. Dabei kann jeder Wahrnehmungsinhalt, z.B. junge Frau oder alte Frau, einem so genannten „Ordnungsparameter“ zugeordnet werden. Diese Parameter unterliegen im Sinne der Synergetik einer Dynamik, die dadurch bestimmt wird, dass so genannte „Aufmerksamkeitsparameter“ beim Erkennen eines Wahrnehmungsinhaltes abgeschwächt werden, so dass, etwas salopp gesprochen, die Aufmerksamkeit dem anderen Wahrnehmungsinhalt (Ordnungsparameter) gewidmet werden kann.

So kommt es zu einem ständigen Auf und Ab der Aufmerksamkeit und dementsprechend der erkannten Gestalten. Im Prinzip können beide Gestalten wahrgenommen werden, aber nicht gleichzeitig, sondern nur abwechselnd. Dabei spielt auch Voreingenommenheit eine Rolle. So erkennen aufgrund psychologischer Untersuchungen mehr als 80 % der Männer die junge Frau zuerst, wobei dieses Percept dann doch dem der alten Frau weichen muss, usw.

Sie sind trotz Ihres hohen Alters nach wie vor in der Forschung aktiv und haben noch immer Ihr Büro an der Uni. Wenn Sie Ihre eigene Studentenzeit, die ja stark durch die Nachkriegszeit geprägt war, mit den gegenwärtigen Studierenden und dem Studium heute vergleichen, was war aus Ihrer Sicht anders?

Die äußeren Bedingungen waren damals sicher schwieriger als heute, wie z.B. überfüllte Hörsäle oder geringer Verdienst. Aber die Lage wurde ständig besser, und wir hatten ein sicheres Berufsziel vor Augen.

Gibt es eigentlich etwas, was Sie heutigen Studierenden oder Absolventen gerne mit auf den Weg geben würden?

Vertrauen Sie auf Ihre Fähigkeiten und verfolgen Sie beharrlich Ihr Berufsziel. Der / die Tüchtige wird sich immer durchsetzen.

Verraten Sie uns Ihr Lebensmotto?

Niemals aufgeben!

Vielen, herzlichen Dank für das Interview!

 

Interview: Martina Weber