Dr. Günther Beckstein

Der bayerische Ministerpräsident a.D. im Interview

Dr. Günther Beckstein studierte Rechtswissenschaften in Erlangen und promovierte 1975 zum Dr. jur. Seit 1974 gehört er dem Bayerischen Landtag an, von 1993 bis 2007 war er Bayerischer Innenminister, 2007 bis 2008 lenkte er den Bayerischen Freistaat als Ministerpräsident. Von Beginn seiner politischen Laufbahn an war Beckstein der Universität Erlangen-Nürnberg auf das Engste verbunden.

Wenn mir als Student jemand vorausgesagt hätte, dass ich Politiker werden würde, hätte ich voller Überzeugung dagegen gewettet.

Er begreift sich als Anwalt „seiner“ Uni, dem es ein Herzensanliegen ist, die FAU auf ihrem Weg konstruktiv zu begleiten. Immer wieder gelang es durch sein Zutun, Bauprojekte unbürokratisch zu verwirklichen. Einen entscheidenden Zugewinn aus der jüngsten Vergangenheit stellt das Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts dar, dessen Einrichtung Beckstein mit seinem persönlichen Einsatz überhaupt erst ermöglicht hat.

Was hat Sie dazu bewogen, Jura zu studieren?

Erst einmal ein ganz klares Berufsziel: Ich wollte Staatsanwalt werden. Deshalb habe ich Jura studiert. Was ich dann aber ebenfalls sehr bald schätzen gelernt habe, das ist die überaus breite Bildung, die das Studium der Rechte vermittelt.

Wenn Sie an Ihre Studienzeit in den 60er Jahren in Erlangen zurückdenken, welche Erinnerungen werden wach? Gibt es Professoren, Seminare oder Ereignisse, die sich Ihnen besonders eingeprägt haben? Wie war das Verhältnis zwischen Studierenden und Dozenten?

Ich habe gute Erinnerungen an so manche eindrucksvolle Professorenpersönlichkeit. Es gab Professoren, die wirklich brillante Vorlesungen hielten und es hervorragend verstanden, den Kern ihrer Überlegungen zu vermitteln. Wieder andere gehörten eher zum nachdenklichen Typus des Hochschullehrers. Manch einer konnte mit dem Zeitgeist der Sechzigerjahre nur sehr wenig anfangen. Gemeinsam war aber allen, dass sie sich in die Seminare intensiv und auch mit Leidenschaft für die Sache einbrachten.

Die Examensvorbereitung lief damals freilich noch ausschließlich über einen Repetitor, den wir Studenten einfach nur den „Pauker“ nannten. Alles in allem war das eine gute und ausgesprochen anregende Mischung, die sich auch auf das Studentenleben übertrug. Wir waren schnell eine Gemeinschaft von Kommilitonen, die sich nicht nur auf die Prüfungen gemeinsam vorbereiteten, sondern zusammen auch Ausflüge oder Wanderungen unternahmen und Sport trieben. Ich habe diesen Freundeskreis sehr geschätzt und mich dadurch auch an der FAU gleich wohl gefühlt.

War Ihnen schon während Ihres Studiums klar, dass Sie einmal Politiker werden würden?

Nein, diese Überlegung hatte ich zunächst einmal gar nicht. Wenn mir als Student jemand vorausgesagt hätte, dass ich Politiker werden würde, noch dazu Berufspolitiker, dann hätte ich voller Überzeugung dagegen gewettet. Ich war ja noch nicht einmal beim RCDS.

Können Sie, aufgrund Ihrer eigenen Erfahrung, jungen Menschen heutzutage empfehlen, in die Politik zu gehen?

Auf alle Fälle, ja. Politik ist etwas unglaublich Spannendes und Abwechslungsreiches. Und als Politiker können Sie auch immer sicher sein, dass Sie etwas Sinnvolles und Wichtiges tun. Denn Politik bedeutet nicht weniger als die Gesellschaft und ihre Zukunft mitzugestalten.

Sie sind Mitglied des Kuratoriums der FAU und engagieren sich seit vielen Jahren für Ihre „Alma Mater“. In unserer Pressemeldung zur Verleihung der Ehrensenatorwürde beim Dies letztes Jahr hieß es: „Er begreift sich als Anwalt “seiner“ Uni, dem es ein Herzensanliegen ist, die FAU auf ihrem Weg konstruktiv zu begleiten“. Gibt es ein Projekt, für das Sie sich engagiert haben, das Ihnen besonders am Herzen lag?

In den vergangenen Jahren hat es unzählige Baumaßnahmen gegeben, die alle für sich genommen bedeutend und notwendig waren. Herausragend ist in diesem Zusammenhang die Modernisierung der Universitätskliniken. Aber auch das Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und die enge Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen sind Marksteine in der Geschichte der FAU.

Mir war bei alledem immer wichtig, dass die FAU bei den Sach- und Personalinvestitionen gegenüber den Universitäten in München nicht ins Hintertreffen gerät. Die Förderung der wissenschaftlichen Lehre und der wissenschaftlichen Forschung an einer Universität ist letztlich unmittelbare Standort- und Regionalförderung. Und hier möchte ich sowohl die FAU als auch die Metropolregion ganz einfach optimal aufgestellt wissen.

Was halten Sie von der derzeitigen Diskussion um die Schaffung einer TU in Nürnberg?

Diese Diskussion geht an der Realität, so wie sie sich zurzeit darstellt, vorbei. Erstens einmal erfüllt die FAU faktisch gleichzeitig auch die Funktion einer Technischen Universität. Und zweitens ist es demgegenüber sinnvoller, die Georg-Simon-Ohm-Hochschule weiter auszubauen und mit der FAU noch enger zu verzahnen. Hier eine dritte Alternative ins Spiel zu bringen, die sich dann auch noch erst einmal gegenüber den beiden etablierten Einrichtungen profilieren müsste, das halte ich für eine Vergeudung von Ressourcen.

Christlicher Glaube und Ihre Verbindung zur evangelischen Kirche sind Ihnen sehr wichtig. Vor Kurzem haben Sie ein neues Buch veröffentlicht: “Die zehn Gebote“, in dem Sie Ihre Politik an der christlichen Lehre messen. Wie viel Zeit bleibt einem im Alltag als Politiker eigentlich, um innezuhalten, sein Handeln zu hinterfragen und an christlichen Maßstäben zu messen?

Es ist ja nicht nur das Schicksal des Politikers, dass er wenig Zeit hat. Die allermeisten Verantwortungsträger in Wirtschaft und Gesellschaft haben einen überfüllten Terminkalender. Trotzdem halte ich es für wichtig, dass man sich seine Entscheidungen gut überlegt. Nur so kann jene Nachhaltigkeit entstehen, die gerade in der Politik so wichtig ist. Das Innehalten und Hinterfragen wird vor diesem Hintergrund zu einer Schlüsselkompetenz. Zu lange darf dieses Innehalten aber auch nicht dauern. Denn die mit Abstand schlechteste Eigenschaft, die man als Entscheidungsträger an den Tag legen kann, ist die Eigenschaft des Zauderns.

Der neue Landesbischof der evangelischen Kirche ist Alumnus der FAU, seine Vorgänger haben ebenfalls an der FAU studiert. Welche Rolle spielt die FAU − über die Ausbildung des kirchlichen Nachwuchses hinaus – für die evangelische Kirche?

Der Fachbereich Theologie an der FAU verfügt über ein Studienangebot, das zum breitesten in ganz Deutschland gehört. Zumal im protestantischen Franken hat ein so gut ausgestatteter Fachbereich naturgemäß auch eine besondere Bedeutung. Dazu kommt, dass es zahlreiche Profilfächer gibt, die den Studierenden der “Evangelischen Theologie“ einen interdisziplinären Blick über den Tellerrand ihres Faches hinaus ermöglichen.

Im modernen wissenschaftlichen Umfeld der FAU ist dieser Blick über den Tellerrand noch einmal besonders lohnenswert. Er verhilft dazu, auf dem Boden zu bleiben und das Gespür für die realen Bedürfnisse der Menschen nicht zu verlieren. Solche Lehrer und Pfarrer wünsche ich mir für meine Kirche.

Was sind Ihre Pläne oder Wünsche für die Zukunft?

Ich werde mein gesellschaftliches und kirchliches Engagement weiter fortführen. Mein Privileg ist es dabei, dass ich nicht mehr auf alle tagespolitischen Ad-hoc-Entwicklungen Rücksicht nehmen muss.

Verraten Sie uns Ihr Lebensmotto?

Sehr gerne: Frage nicht, was ankommt, sondern worauf es ankommt!

Besten Dank, dass Sie sich für unser Interview Zeit genommen haben, dass Sie uns an Ihren Studienerinnerungen haben teilhaben lassen und uns Ihre Einschätzungen zu aktuellen Themen gegeben haben.

Interview: Martina Weber (Juni 2011)