Prof. Dr. Siegfried Russwurm

Prof. Dr. Siegfried Russwurm Foto: Siemens-Pressebild
Prof. Dr. Siegfried Russwurm Foto: Siemens-Pressebild

Der Siemens-Vorstand im Interview

Geboren 1963, studierte Siegfried Russwurm von 1983-1988 Fertigungstechnik an der FAU. Anschließend war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Technische Mechanik tätig. Für seine Promotion wurde er 1992 von der STAEDTLER-Stiftung mit dem Promotionspreis ausgezeichnet.

Ich möchte etwas zurückgeben.

Zum 1.1.2008 wurde er in den Vorstand der Siemens AG berufen. Seit 2009 ist er zudem Honorarprofessor am Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS).

Prof. Russwurm, erst einmal herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mich persönlich zu treffen…

Wieso? Das ist doch selbstverständlich.

Naja, Sie sind immerhin im Siemens-Vorstand und Leiter des Sektors Corporate Industry. Damit sind Sie Chef von rund 100.000 Mitarbeitern…

Ja, schon. Aber die arbeiten ja alle auch von alleine (lacht). Denen muss ich ja nicht sagen, was Sie tun sollen.

Jedenfalls herzlichen Dank. Sie scheinen überhaupt recht viel Zeit zu haben: Seit 2009 sind Sie neben Ihrer Tätigkeit für Siemens auch Honorarprofessor an der FAU. Sind Sie bei Siemens nicht ausgelastet?

Also ich langweile mich nicht. Aber den Lehrauftrag an der FAU habe ich sehr gerne angenommen. Und mit der Uni habe ich ja auch einen guten Modus gefunden: Jetzt halte ich fünf Mal pro Semester einen ganzen Nachmittag lang meine Vorlesung. Mehr Termine, etwa zwei Stunden jede Woche, würde ich nicht schaffen, aber so geht das ganz gut. Es zwingt mich, meine grauen Zellen auf Trab zu halten. Durch die Vorlesung muss ich ständig auf dem neuesten Stand der Technik bleiben, weil die Studierende immer wieder kritisch nachfragen – vages Halbwissen kann und will ich mir da nicht leisten.

Neben der Honorarprofessur sind Sie der FAU auch auf andere Weise verbunden und waren längere Zeit – auch als Vorsitzender – im Freundeskreis der Technischen Fakultät tätig. Heute sind Sie im Alumni-Verein der Technischen Fakultät. Was bedeutet Ihnen dieses Engagement?

Auch wenn es vielleicht pathetisch klingt: Ich möchte der Uni etwas zurückgeben. Schon während meines eigenen Studiums habe ich es sehr geschätzt, wenn Menschen aus der Praxis zu uns an die Uni kamen, sei es für Vorträge, oder um Vorlesungen und Seminare zu halten. Ich freue mich, dass ich für die Studierenden heute das Gleiche tun kann. Überhaupt gefällt mir der Alumni-Gedanke sehr gut, der ja vor allem an Universitäten im angelsächsischen Raum gelebt wird: Dass man ein Leben lang der Uni verbunden bleibt, dass man ihr etwas zurückgeben kann.

Für mich bedeutet der Alumni-Gedanke auch weit mehr, als ihn nur auf Geld zu reduzieren. Ich bin froh, dass ich auf diese Weise eine positive Verbindung zur Uni behalten kann. Damit möchte ich ein Zeichen setzen, dass es mir an „meiner“ Universität gut gefallen hat und ich weiter zu ihr stehe. Und nicht zuletzt kann man über Alumni-Vereine auch wunderbar persönliche Netzwerke pflegen.

Wenn es Ihnen schon immer so gut an der Uni gefallen hat: Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an Ihr Studium zurückdenken?

Es sind vor allem emotionale Aspekte, an, die ich denke. Durchgelernte Nächte. Teamarbeit. Ich verbinde es mit Personen, mit verschiedenen Typen von Professoren. Aber auch mit Freundschaft. Einige Kommilitonen gehören bis heute zu meinem engsten Freundeskreis.

Neulich habe ich Prof. Dr. Harald Meerkamm (ehemals Prorektor der FAU, Anm. d. Red.) erzählt, dass ich Sie treffen werde. Er kann sich noch gut an Sie als Student erinnern und meinte, Sie seien schon damals brillant gewesen und bis heute sehr freundlich und natürlich geblieben. Was antworten Sie so jemandem?

Es freut mich natürlich, dass Prof. Meerkamm mich so einschätzt. Vor allem freut mich, wenn er sagt, ich sei natürlich geblieben. Das ist auch mein persönlicher Anspruch. Ich will nicht, dass ich mich als Person ändere, egal ob ich wissenschaftlicher Assistent an einem Lehrstuhl bin oder Siemensvorstand.

Wie wird man eigentlich Siemensvorstand? Wie viel harte Arbeit ist nötig? Wie viel Zufall oder Glück?

Natürlich ist es viel harte Arbeit. Aber auch Glück gehört immer dazu. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und den richtigen Leuten positiv auffallen. Und es muss eine geeignete Stelle frei sein zu der man passt, zum Beispiel durch Personalumstellungen innerhalb des Konzerns. Aber es hängt auch von den Entscheidungen ab, die man trifft. Ich kann mich an ein paar Momente in meinem Berufsleben erinnern, bei denen ich vor einem Wendepunkt stand, zum Beispiel als ich gefragt wurde, ob ich als Produktionsleiter aufsteigen möchte ins General Management von Siemens.

Ich war mir damals sicher, dass ich das gut kann, und habe ja gesagt. Bereut habe ich es nie. Ich glaube, man braucht so etwas wie einen roten Faden, eine Idee, wo man hin will und was man erreichen möchte. Und erkennen Sie Ihre Stärken. Machen Sie das, was Sie am besten können.

Wenn Sie einen roten Faden haben – wo führt der Sie noch hin?

Das kann ich schwer sagen… Etwas Attraktiveres als meinen derzeitigen Job kann ich mir kaum vorstellen, weil ich jeden Tag vor so vielen interessanten Herausforderungen stehe und so viel gestalten kann. Auf jeden Fall will ich in fünf Jahren immer noch der gleiche Mensch sein wie heute.

Vielen Dank für das Gespräch, Professor Russwurm.

Das Interview führte Bettina Spiegel (September 2011).

Input: Martina Weber