Engagiert, aber fair: Podiumsdiskussion zum Kölner Beschneidungsurteil

Konträre Ausgangspunkte und temperamentvolle Statements, doch auch Respekt vor den Auffassungen anderer Redner kennzeichneten eine Podiumsdiskussion zum „Kölner Beschneidungsurteil und seinen Folgen“ in der Erlanger Hugenottenkirche, die Pfarrer Johannes Mann und Prof. Dr. Hans Kudlich (Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie der FAU) gemeinsam organisiert hatten. Genau am selben Tag, dem 25. September 2012, wurde ein Gesetzesvorschlag aus dem Bundesjustizministerium bekannt, der künftig das Vorgehen bei der Beschneidung an Knaben regeln soll. Im Sommer dieses Jahres hatte das Landgericht Köln die Meinung vertreten, dass medizinisch nicht indizierte Beschneidungen aus „nur religiösen Gründen“ eine rechtswidrige Körperverletzung darstellen und dass der Arzt, der sie durchführt, sich damit grundsätzlich strafbar macht.

Das Urteil ist in der Folge intensiv öffentlich diskutiert und nicht nur von Vertretern der jüdischen und muslimischen Gemeinden kritisiert worden. Die Diskussion in der gut besuchten Hugenottenkirche verlief ebenso lebhaft wie fair und objektiv. Auf dem Podium war die FAU mehrfach vertreten: Zu den Diskutanten zählten neben Prof. Kudlich als Mitveranstalter auch Prof. Dr. Heinrich de Wall (Fachbereich Rechtswissenschaft), Prof. Dr. Heiner Bielefeld (Philosophische Fakultät) und der Direktor der Kinder- und Jugendklinik Prof. Dr. Wolfgang Rascher. Weitere Teilnehmer waren Grit Nickel (Islamische Religionsgemeinschaft Erlangen e.V.), Dr. Erich Fellmann (ehemaliger Chirurg am Jüdischen Krankenhaus in Berlin) und Prof. Dr. Holm Putzke (Universität Passau), der sich als einer der ersten Rechtswissenschaftler ausführlich und exponiert mit dem Thema befasst hatte. Moderator war Ulrich Rach, Redakteur der Nürnberger Nachrichten.

Das Spannungsverhältnis zwischen der körperlichen Unversehrtheit der Kinder und der Religionsfreiheit wurde in vielen Facetten beleuchtet. Damit verknüpft war die Frage, inwiefern das elterliche Erziehungsrecht, seinerseits beschränkt durch den Grundsatz des Kindeswohls, diesen Konflikt auflöst. Zu Grundsatzfragen gab es eindeutige Stellungnahmen. So sah Prof. Bielefeld in der Beschneidung von Knaben einen vitalen Bestandteil der religiösen Identität bei muslimischen wie bei jüdischen Gläubigen. Pfarrer Johannes Mann betonte, dass die Religionsfreiheit der Gläubigen anderer Religionsgemeinschaften auch die Christen angehe.Die medizinischen Experten lieferten die aus ihrer Sicht erforderlichen Hintergründe. Dr. Fellmann hob hervor, dass es sich bei der Beschneidung von Knaben – insbesondere innerhalb von 14 Tagen nach der Geburt – um keinen gefährlichen Eingriff handle, und sprach von einer Komplikationsrate unter einem Prozent, wobei diese Komplikationen in aller Regel harmlos seien. Ergänzend stellte Prof. Putzke klar, dass die „statistische Ungefährlichkeit„ nicht ohne weiteres mit einer „Harmlosigkeit“ gleichgestellt werden dürfe.

Der ebenso engagierte wie angemessene Diskussionsstil setzte sich im Publikum fort: Anhänger der beiden widersprüchlichen Positionen verschafften ihrer Meinung lautstark – aber stets fair – Gehör.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Hans Kudlich
Tel.: 09131 / 85-22248