Die kulturelle Dimension von Katastrophen

Internationale Konferenz an der FAU beschäftigt sich mit dem Einfluss von Kultur auf die Katastrophenbewältigung

Trotz größter – oftmals technokratischer – Anstrengungen hinterlassen die Katastrophenvorbeugung und -reaktion der letzten Dekaden ein kritisches Bild. Grund dafür ist die Vernachlässigung eines wichtigen Faktors: Kultur(en) und Gesellschaft beeinflussen Katastrophen und die Reaktionen der betroffenen Personen erheblich. Auf einer internationalen Konferenz diskutieren rund 40 Experten aus Wissenschaft und Praxis am 11. und 12. Juli in Erlangen über Möglichkeiten, den kulturellen Hintergrund in das Katastrophenmanagement einfließen zu lassen. Zu der Konferenz eingeladen hat das Institut für Geographie der FAU zusammen mit Vertretern anderer internationaler Forschungseinrichtungen.

Immer wieder kehren Flut- oder Erdbebenbetroffene trotz Gefahr für Leib  und Leben zu früh in die Gefahrengebiete zurück. Auch beim Juni-Hochwasser in Deutschland war zu sehen: Menschen bringen sich scheinbar wider besseren Wissens in erhebliche Gefahr.  Für Außenstehende eine oftmals unverständliche Entscheidung. Dieses irrationale Verhalten, das im Widersinn zu den Zielen des Katastrophenmanagements zu stehen scheint, stellt auch die Helfer vor die Frage: Warum „funktionieren“ internationale Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge vor Ort nicht oder stoßen auf Unverständnis oder gar Ablehnung bei den Betroffenen? Die Erkenntnis: Im Katastrophenmanagement mangelt es an kulturellem Bewusstsein – das kritisieren sowohl Wissenschaftler als auch selbstkritische Hilfsorganisationen.

Kulturelle Aspekte berücksichtigen

Die Forschung auf diesem Gebiet beschäftigt sich daher mit der Frage, wie kulturelle Hintergründe die Reaktionen auf Katastrophen beeinflussen und wie diese Erkenntnisse in das Katastrophenmanagement eingearbeitet und schließlich in der Praxis umgesetzt werden können. Dazu untersuchen die Forscher die komplexen Verbindungen zwischen Umwelt, Risiken und menschlichen Handlungsweisen – also den Verbindungen zwischen Katastrophen und Kulturen.

Ein besonderes Problem bei der Erforschung ist jedoch der Begriff „Kultur“ selbst: Schließlich ist er nicht als ein fixes Set sozialer Faktoren zu betrachten, sondern als konstant veränderliche und bewegliche Konfiguration von Akteuren, sozialen Praktiken und Arrangements. Kulturen sind lebendig und gelebt im selben Augenblick – Kultur ist in diesem Sinne chaotisch und trägt somit zum Chaos während und nach Katastrophen bei.

Auf der Erlanger Konferenz diskutieren die renommierten Teilnehmer in einem transdisziplinären Workshop mit Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Praxis – wegweisend für die Forschung und die Katastrophenhilfe – folgende Fragen: Welche Bedeutung kommt Kultur in der Katastrophenvorsorge und -bewältigung zu? Wie  kann die Vernachlässigung von Kultur in der Katastrophenvorsorge überwunden werden? Welche Methodologien und Konzepte werden der Bedeutsamkeit von Kultur für Katastrophen und ihre Bewältigung gerecht? Wie können Kultur(en) in Politiken und Praktiken der Intervention übersetzt werden?

Öffentliche Vorträge

Im Rahmen der internationalen Konferenz finden drei englischsprachige Vorträge statt, zu denen die Öffentlichkeit eingeladen ist:

  • Donnerstag, 11. Juli, 9.15 Uhr, Orangerie, Schlossgarten 1, Erlangen: „From hazards to ´the security-industrial complex´: civil defense and enterprise in modern disaster culture“, Kenneth Hewitt (Wilfrid Laurier Universität, Kanada)
  • Donnerstag, 11. Juli, 11.15 Uhr, Orangerie, Schlossgarten 1, Erlangen: „Translating culture: everyday life, disaster and policy making“, Elísio Macamo (Centre for African Studies, Schweiz)
  • Freitag, 12. Juli, 9.00 Uhr, Hörsaal C, Institut für Geographie, Kochstr. 4, Erlangen: „Disasters, climate change and the significance of ‚culture‘“, Terry Cannon (Institute of Development Studies, Großbritannien)

Weitere Informationen sowie das Programm der Konferenz finden Sie unter www.culturesanddisasters.org

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Fred Krüger
Tel.: 09131/85-22641
fkrueger@geographie.uni-erlangen.de

Benedikt Orlowski, M.A.
Tel.: 09131/85-23306
borlowski@geographie.uni-erlangen.de