Funktionierende Infrastruktur ist Voraussetzung für Überprüfung von Designer-Drogen

Prof. D.r Christian P. Müller (Bild: privat)
Prof. Dr. Christian P. Müller (Bild: privat)

Sie werden legal als Badesalz oder Pflanzendünger angeboten, verbreiten sich unter den Nutzern rasend schnell und sind bereits für zahlreiche Todesfälle verantwortlich: Designer-Drogen. Die EU-Kommission will ein Gesetz verabschieden, das es erlaubt, neue Substanzen schneller vom Markt zu nehmen, um sie dann innerhalb eines Jahres zu prüfen und wenn nötig, ganz zu verbieten. Im Gespräch mit „FAU aktuell“ erklärt Prof. Dr. Christian P. Müller, Professur für Suchtmedizin an der FAU, warum die Prüfung gefährlicher Substanzen bisher so lange dauert und was für ein Gelingen des EU-Gesetzes noch nötig ist.

Herr Professor Müller, wie schätzen Sie den Vorstoß der Europäischen Kommission ein?

Wir begrüßen diese Initiative ausdrücklich. Denn Dealer und Süchtige suchen ständig nach neuen Drogen, die legal erhältlich sind. Und der Markt liefert ihnen diese neuen Drogen, er generiert ständig neue Substanzen. Da ist es sinnvoll, eine gesetzliche Möglichkeit zu schaffen, diese Substanzen zunächst vom Markt zu nehmen, um Zeit zu haben, sie auf ihre Gefährlichkeit hin zu überprüfen.

Mit dem Gesetz allein ist es allerdings nicht getan. Die EU muss auch für eine funktionierende Infrastruktur sorgen, die die Überprüfung der Substanzen gewährleisten kann. Bisher gibt es auf diesem Gebiet noch kein Forschungsnetzwerk. Ohne ein solches Netzwerk wird es aber schwierig, die Substanzen innerhalb eines Jahres zu prüfen.

Warum hat es denn bisher immer so lange gedauert, bis ein Verbot erlassen wurde?

Wenn potenziell gefährliche Substanzen entdeckt werden, müssen Forschungsinstitutionen Anträge auf Fördermittel stellen, um sie auf ihr Gefahrenpotenzial hin untersuchen zu können. Bis die Mittel genehmigt sind, das Geld dann da ist und die Forschung beginnen kann, vergeht einige Zeit. Bis schließlich verlässliche Ergebnisse vorliegen, können schon ein bis zwei Jahre vergehen. Deshalb ist es so wichtig, dass die EU neben dem Gesetz auch für ausreichend Fördermittel und eben die Infrastruktur sorgt.

Warum können die Substanzen nicht einfach gleich bei Entdeckung verboten werden?

Von neuen Drogen erfahren die Behörden, wenn es zu klinisch relevanten Vorfällen gekommen ist. Das heißt, ein Patient wird zum Beispiel wegen akuter Psychosen oder Versagen des Herz-Kreislaufs in die Notaufnahme eingeliefert, nachdem er eine neue Substanz konsumiert hat. Für die Beurteilung des Gefahrenpotenzials einer Substanz reichen solche klinische Fälle aber nicht aus: Anhand von Einzelfällen lässt sich ihre Gefährlichkeit nicht genau vorhersagen. Der Patient könnte auch einfach nur überempfindlich auf die neue Substanz reagieren.

Deshalb brauchen wir experimentell gut abgesicherte Daten, um eine Substanz vom Markt nehmen zu können. Und die lassen sich nur in Laborstudien ermitteln, in denen wir die Wirkungsweise genau ermitteln können.

Was macht die neuen Drogen so gefährlich?

Der Mensch hat den generellen Drang, sich auf die Suche nach Neuem zu machen. Das gilt besonders auch für neue mentale Zustände, für bewusstseinserweiternde Zustände. Deswegen probieren Menschen immer wieder neue Drogen aus. Heroin und Kokain waren ja auch mal neu – vor hundert Jahren. Damals hat man sich ihnen auch angenähert, auch durchaus positiv. Heroin wurde damals als Hustenmittel benutzt.

Sobald Drogen verboten werden und sie schlechter zu erhalten sind, begeben sich die Süchtigen auf die Suche nach neuen Drogen. Und auch viele Jugendliche fangen zunächst mit Drogen an, die nicht verboten sind. Sie vermeiden so, in den illegalen Bereich zu kommen. Die Designer-Drogen gehören zu den Halluzinogenen, wie beispielsweise LSD, oder zu den amphetaminartigen Substanzen. Zu diesen zählt unter anderem das 5IT, an dem im vergangenen Jahr europaweit mehrere Menschen gestorben sind.

Das Problem ist nun: An diesen Stoffen können viele Veränderungen vorgenommen werden, um neue Substanzen daraus zu generieren. Das ist sehr leicht und geht auch sehr schnell. Daher können immer wieder neue Varianten auftauchen, die erst wieder geprüft werden müssen, bis sie verboten werden können. Da besteht vor allem für Jugendliche die Gefahr, dass sie schnell süchtig werden oder akute Vergiftungen zeigen und sich langfristig in Gefahr bringen.

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Prof. Dr. Christian P. Müller
Tel.: 09131/85-36896
christian.mueller@uk-erlangen.de