Forschung im freien Fall

Das FAU-Team (v.l.n.r.): Tobias Netter, Raphaela Prach, Benjamin Mockenhaupt und Philipp Neuner mit ESA-Maskottchen Paxi vor dem Bremer Fallturm.
Das FAU-Team (v.l.n.r.): Tobias Netter, Raphaela
Prach, Benjamin Mockenhaupt und Philipp Neuner mit ESA-Maskottchen Paxi vor dem Bremer Fallturm. (Bild: privat)

Erlanger Studierende experimentieren in Europas einzigem schwerkraftfreien Labor

Ein Experiment aus rund 120 Metern Höhe zu Boden fallen zu lassen, scheint keine besonders gute Idee zu sein. Doch genau das haben vier Studierende der FAU getan, wieder und wieder – in einem europaweit einzigartigen Labor und mit Unterstützung der Europäischen Weltraumorganisation (ESA).

Benjamin Mockenhaupt, Philipp Neuner, Tobias Netter und Raphaela Prach sind die diesjährigen Teilnehmer des „Drop your Thesis!“-Programms der ESA. Das gibt ihnen die einmalige Gelegenheit, elf Tage lang im Fallturm des Bremer Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation zu experimentieren.

Der Fallturm ist ein Großlabor, in das Wissenschaftler aus aller Welt kommen, um Experimente in der Schwerelosigkeit durchzuführen. Und das funktioniert so: Die Forscher packen ihre Versuchsanordnung in eine zylindrische Metallkapsel. Diese Kapsel wird dann im Fallturm ca. 120 Meter hoch in einen völlig luftleeren Schacht katapultiert, bevor sie wieder zur Erde zurückfällt. Dort wird sie in einem riesigen Becken mit Styroporkügelchen sanft aufgefangen. Während sie nach oben fliegt und wieder nach unten fällt, herrscht in der Kapsel nahezu Schwerelosigkeit – für etwa 9,3 Sekunden.

Diese 9,3 Sekunden wollten die Erlanger Studierenden dazu nutzen, herauszufinden, wie sich granulare Stoffe wie z.B. Sand, Kiesel oder – in diesem Experiment – Amaranthsamen in der Schwerelosigkeit verhalten, wenn man sie sehr schnell hin und her rüttelt. Die vier Nachwuchsforscher studieren im fünften Semester Chemie- und Bioingenieurwesen an der FAU. Rund eineinhalb Jahre haben sie an der Vorbereitung des Versuchs gearbeitet. „Auf das Experiment kamen wir, weil uns Parabelflüge und die Möglichkeit, dabei in Schwerelosigkeit zu experimentieren, fasziniert haben“, berichtet Raphaela Prach. „Bei unseren Recherchen sind wir auf eine Diplomarbeit gestoßen, die sich mit granularer Materie beschäftigt. Wir haben die Idee entwickelt, die Ergebnisse, die der Student in Computersimulationen gefunden hat, im Versuch in der Schwerelosigkeit nachzuweisen.“ Der Fallturm sei für diese Experimente viel besser geeignet, betont die Studentin. Dort werde die Erdanziehung noch besser ausgeschaltet als bei Parabelflügen, die Schwerelosigkeit sei sogar genauer als auf der Europäischen Raumstation.

Die für das Experiment nötigen Geräte haben die Studierenden selbst entwickelt und gebaut: flache Boxen aus antistatischem Plexiglas, befestigt auf einer Platte, die wiederum mit Hilfe von Servomotoren in Schwingungen versetzt werden kann. Die Boxen sind kaum mehr als einen Millimeter dick, so dass die Amaranthsamen in genau einer Schicht nebeneinanderliegen können. Rüttelt man die Samen, dann ordnen sie sich in Streifen an. Das liegt an der Erdanziehung, so die Ausgangsthese der vier FAU-Studenten, die sorge nämlich für Reibung. In der Schwerelosigkeit sollten sich also keine Streifen zeigen, vermuteten sie.

Doch schon am ersten Tag der Fallturm-Experimente zeigte sich eine große Überraschung: Die Streifen waren schneller sichtbar als bei normaler Erdanziehung. „Wir vermuten, dass die Samen anstatt auf der Unterlage zu rutschen sich jetzt verkeilt haben und sich die Streifen noch schneller bilden“, kommentiert Tobias Netter die aktuellen Messungen. All die Zahlen und Daten wird das Team in den kommenden Wochen und Monaten auswerten und, so hoffen die Studierenden, so noch besseren Einblick in die Phänomene der granularen Strukturbildungen  gewinnen.

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