Zwei Gene im Wechselspiel

Wichtige Funktionen bei Bildung von Gehirnzellen entdeckt

Das menschliche Gehirn besteht aus Nervenzellen und aus Gliazellen. Die Gliazellen übernehmen viele wichtige Aufgaben. Sie sind jedoch auch für die Entstehung von Hirntumoren verantwortlich und spielen bei sogenannten Entmarkungs-Krankheiten wie Multipler Sklerose und vermutlich auch bei der Entstehung von Schizophrenie eine wichtige Rolle. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der FAU hat nun herausgefunden, dass zwei Gene entscheidend dafür sind, welche Arten von Gliazellen entstehen. Mit ihren Ergebnissen, die sie online beim renommierten Fachmagazin Nature Neuroscience veröffentlicht haben, hoffen die Wissenschaftler auf die Entwicklung neuer Diagnosemöglichkeiten und Therapien.

Rund die Hälfte aller Zellen im menschlichen Gehirn sind Nervenzellen – zuständig für Denken, Fühlen und Handeln. Die andere Hälfte sind Gliazellen, die die Nervenzellen dabei unterstützen. Unterschieden werden Oligodendrozyten, die wie eine Isolierung die Verästelungen der Nervenzellen umhüllen und so helfen, Informationen schnell und zuverlässig weiterzuleiten, und Astrozyten, die als eine Art Haushaltshilfen die Nervenzellen mit Nahrung versorgen und Abfallprodukte beseitigen. Bei Multipler Sklerose beispielsweise sterben Oligodendrozyten ab und es treten in der Folge Funktionsstörungen der Nervenzellen auf. Ein anderes Beispiel: Eine unkontrollierte Vermehrung der Gliazellen führt zu verschiedenen Arten von Hirntumoren – Oligodendrogliome und Astrozytome, je nachdem, ob es sich um Oligodendrozyten oder Astrozyten handelt.

Bereits vor einigen Jahren haben Wissenschaftler um Prof. Dr. Michael Wegner, Lehrstuhl für Biochemie und Pathobiochemie, das Gen Sox10 gefunden, das die Bildung von Oligodendrozyten reguliert. Amerikanische Forscherkollegen entdeckten das Gen NFIA, das eine ähnliche Bedeutung für die Bildung von Astrozyten hat. In einer gemeinsamen Arbeit unter der Leitung von Dr. Benjamin Deneen, Baylor College of Medicine, USA, haben sie nun festgestellt, dass zwischen den beiden Genen wichtige Wechselwirkungen bestehen: Sox10 sorgt nicht nur für die Entstehung von Oligodendrozyten, sondern verhindert gleichzeitig, dass sich Astrozyten entwickeln. NFIA wiederum ist nicht nur für die Astrozyten-Bildung verantwortlich, sondern verhindert auch, dass Oligodendrozyten entstehen. Folglich entscheidet das genaue Verhältnis der beiden Genprodukte in der Zelle darüber, welcher der beiden Gliatypen gebildet wird.

Die Wissenschaftler sind damit neuen Diagnosemöglichkeiten und Therapieansätzen einen wichtigen Schritt näher gekommen. So könnte aus dem Vorkommen von Sox10 und NFIA im Hirntumor geschlossen werden, ob es sich um ein bösartiges Astrozytom oder ein oft weniger malignes Oligodendrogliom mit besseren Überlebenschancen handelt. Ferner hoffen die Wissenschaftler, in Zukunft direkt beeinflussen zu können, welcher Typ Gliazelle entsteht. Dies könnte etwa bei Patienten mit Multipler Sklerose gezielt zur Bildung neuer Oligodendrozyten eingesetzt werden.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Michael Wegner
Tel.: 09131/85-24620
michael.wegner@fau.de