Hotspots im Gehirn

PD Dr. Nicolai Savaskan (links) und PD Dr. Ilker Eyüpoglu (rechts) vor einer 3D-Tumor-Visualisierung. (Bild: Uni-Klinikum Erlangen)
PD Dr. Nicolai Savaskan (links) und PD Dr. Ilker Eyüpoglu (rechts) vor einer 3D-Tumor-Visualisierung. (Bild: Uni-Klinikum Erlangen)

Ärzte des Uni-Klinikums Erlangen optimieren OP-Verfahren zur Therapie von Hirntumoren

Ein Neurochirurg befindet sich immer auf einer Gratwanderung: Um seinen Krebspatienten zu heilen, muss es dem Operateur gelingen, so viel Tumormasse wie möglich zu entfernen und dabei das Hirngewebe so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Gar nicht so einfach, denn mit bloßem Auge lassen sich bösartige und gesunde Zellen nicht voneinander unterscheiden. Ärzte der Neurochirurgischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Michael Buchfelder) des Universitätsklinikums Erlangen haben nun eine neue Technik namens vDIVA entwickelt, die den Operateur in die Lage versetzt, Gehirnareale zu erkennen, die scheinbar gesund sind, tatsächlich aber bereits von einzelnen Krebszellen okkupiert wurden. „Das Ausmaß der Tumorentfernung ist entscheidend für den Erfolg der ganzen Therapie“, erläutert Oberarzt PD Dr. Ilker Eyüpoglu. „Mithilfe der neuen Methode, die wir weltweit als Erste einsetzen, haben wir die Präzision deutlich erhöht und das Risiko signifikant gesenkt.“ Die Erlanger Forscher evaluierten ihr neues Verfahren im Rahmen einer Studie, die nun in der Januar-Ausgabe der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Scientific Reports“* publiziert wurde.

Bei der Behandlung von Hirntumoren steht nach wie vor die Operation an erster Stelle, gefolgt von einer Bestrahlungs- und/oder einer Chemotherapie. Bei der Planung und Durchführung eines Eingriffs ist der Neurochirurg stets mit dem Problem konfrontiert, dass sich das Tumorgewebe nur sehr schwer vom gesunden Hirngewebe unterscheiden lässt. Der Operateur muss möglichst alle Krebszellen entfernen, darf aber auch nicht zu weit schneiden, da dies zu neurologischen Ausfällen beim Patienten führen kann.

Liegt eine Geschwulst beispielsweise in der Nähe des Sprach-, Seh- oder Hörzentrums, so besteht die Gefahr, dass der Betroffene eine oder mehrere dieser Fähigkeiten einbüßt. „Wir waren weltweit unter den Ersten, die das hochmoderne DIVA-Verfahren genutzt haben“, erläutert PD Dr. Nicolai Savaskan, Leiter der experimentellen Neurochirurgie. „Durch die Kombination von Magnetresonanztomografie und Biochemie konnten wir bereits sehr präzise operieren. Das war uns aber immer noch nicht exakt genug, deshalb haben wir das Verfahren weiterentwickelt, die Grenzen von DIVA überschritten und mit vDIVA ein innovatives intraoperatives System etabliert.“

Kombination aus MRT, Fluoreszenz und vaskulärer Visualisierung

Beim DIVA-Verfahren (DIVA: Dual Intraoperative Visualisation Approach) nutzen die Neurochirurgen einerseits den fest im OP-Saal installierten Magnetresonanztomografen (MRT), um während des Eingriffs Aufnahmen zu machen, regelmäßig Zwischenbilanz zu ziehen und über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Andererseits kommt Biochemie zum Einsatz: Dem Erkrankten werden vor der OP ca. 50 ml Farbstoffflüssigkeit verabreicht, die sich aufgrund des erhöhten Stoffwechsels in den Krebszellen anreichert. Mithilfe von Fluoreszenz und einer Speziallampe kann der Arzt so die leuchtenden Tumorzellen vom gesunden Gewebe unterscheiden. „Die Übergangszonen sind allerdings nach wie vor schwierig für den Operateur“, erläutert PD Eyüpoglu. „Deswegen haben wir unser bewährtes DIVA-Verfahren um eine dritte Komponente erweitert: Wir machen jetzt zusätzlich Areale sichtbar, die zwar schon vom Krebs okkupiert wurden, wo die Zahl der Tumorzellen aber noch nicht ausreicht, um erkennbare Fluoreszenz zu erzeugen.“

Maligne Gliome, bösartige primäre Hirntumoren, besitzen die Fähigkeit zur Angiogenese, zur Ausbildung neuer Blutgefäße – und das kommt den Ärzten zugute. Mittels Fluoreszenzangiografie bringen sie sogenannte angiogene Hotspots zum Leuchten, also Bereiche im scheinbar gesunden Hirngewebe, die übermäßig stark durchblutet sind – ein Hinweis auf Krebszellen. „Die Kombination dieser drei Verfahren – MRT, Fluoreszenz und vaskuläre Visualisierung – im Rahmen einer OP ist ein weltweit bisher einzigartiger Ansatz mit großem Potenzial und Patientennutzen“, ist sich PD Savaskan sicher. „Da wir das Tumorgewebe inklusive seiner versteckten Zellnester dank vDIVA bereits beim ersten Mal vollständig entfernen können, ersparen wir unseren Patienten einen zweiten oder dritten Eingriff am Gehirn.“

Deutschlandweit nur wenige Spezialzentren – Pionierleistung in Erlangen

Die teure Technik, die für das DIVA-Verfahren erforderlich ist, haben bis heute in Deutschland neben dem Uni-Klinikum Erlangen nur wenige Spezialzentren etabliert. Auch für den jeweiligen Neurochirurgen bedeutet die Entscheidung für die Operationsmethode Mehraufwand bei Planung und Durchführung eines Eingriffs. Hinzu kommen die zusätzlichen Kosten, die im Vergleich zu herkömmlichen Operationsmethoden für das DIVA-Verfahren zu veranschlagen sind und die von den Krankenkassen nicht vergütet werden. „Als Vertreter eines Universitätsklinikums haben wir allerdings den Anspruch, unseren Patienten die bestmögliche Medizin zugutekommen zu lassen“, betont Nicolai Savaskan.

Und auch sein Kollege PD Eyüpoglu plädiert für den Einsatz der hochmodernen Geräte: „Aufgrund der besseren Darstellung des Tumors verzeichnen wir auch bessere OP-Resultate. Die hohen Investitionen in die OP-Technik werden aber vor allem durch die besseren klinischen Verläufe unserer Patienten gerechtfertigt.“ Eine hundertprozentige Heilung können freilich auch die Erlanger Ärzte ihren Hirntumorpatienten nicht versprechen. „Dank des vDIVA-Verfahrens haben wir jedoch die Möglichkeit geschaffen, eine möglichst komplette und schonende Entfernung des Tumors zu erreichen“, sagt Nicolai Savaskan. „Damit legen wir eine ideale Basis für eine anschließende erfolgreiche Chemo- und/oder Bestrahlungstherapie – wenn nicht sogar für die Heilung.“

*Intraoperative vascular DIVA surgery reveals angiogenic hotspots in tumor zones of malignant gliomas. Ilker Y. Eyüpoglu, Nirjhar Hore, Zheng Fan, Rolf Buslei, Andreas Merkel, Michael Buchfelder, and Nicolai E. Savaskan
Sci Rep. 2015 Jan 22;5:7958. doi: 10.1038/srep07958.
Link zum Artikel: www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25609379

Mehr Informationen für Patienten: Krebsinformation des CCC Erlangen-EMN, Kostenlose Hotline: 0800 85 100 85, krebsinformation@uk-erlangen.de

Weitere Informationen:

PD Dr. Nicolai Savaskan
Tel.: 09131 85-44748
nicolai.savaskan@uk-erlangen.de