„Es gibt schon ein richtiges Leben im falschen“

FAU-Soziologe Prof. Frank Adloff. (Bild: FAU)
FAU-Soziologe Prof. Frank Adloff. (Bild: FAU)

FAU-Soziologe Prof. Frank Adloff beteiligt sich an internationaler Debatte über die Entwicklung zeitgenössischer Gesellschaften

Über die Kunst, wie miteinander zu leben sei, zerbrechen sich Philosophen und Denker seit Jahrhunderten den Kopf. Ihre Absichten und Ziele, sei es ästhetischer oder politischer Natur, erklären sie in Manifesten, zu deren bekanntesten das kommunistische oder das dadaistische Manifest gehören. Nun haben 64 französischsprachige Personen unterschiedlichster politischer Überzeugungen sowie international einflussreiche Wissenschaftler und Intellektuelle das „Konvivialistische Manifest“ vorgelegt. Für Deutschland herausgegeben hat den Band der FAU-Wissenschaftler Prof. Frank Adloff gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler Claus Leggewie und in Zusammenarbeit mit dem Centre for Global Cooperation Research Duisburg.

Gerade im 21. Jahrhundert sind sie aktueller denn je: die großen Fragen nach Uneigennützigkeit und Unentgeltlichkeit und nach dem guten Leben, die Idee des demokratischen Prinzips und der individuellen und kollektiven Entfaltung. Grund genug für den FAU-Soziologen Prof. Frank Adloff, den in Frankreich erschienenen Band „Das konvivialistische Manifest. Für eine neue Kunst des Zusammenlebens“ in Deutschland herauszubringen. Für ihn ist es von größter Bedeutung, dass die Erlanger Soziologie „ihren öffentlichen Auftrag erfüllt und in die Gesellschaft hineinspricht“. Deshalb engagiert sich Adloff für die Verbreitung des Konvivialistischen Manifests in Deutschland. Er weiß: „In Deutschland steht die Debatte noch am Anfang.“

Gegenwärtige Bedrohungen

Von vielfältigen „gegenwärtigen Bedrohungen“ ist im Manifest die Rede: die globale Klimaerwärmung, die Verknappung der Energieressourcen, die „maßlose Kluft zwischen den Ärmsten und Reichsten“, die fortschreitende Ökonomisierung des Lebens, Technikgläubigkeit oder Kriege und Terrorismus. „Das Manifest gibt keine abschließenden Antworten, sondern es ist der Beginn einer Diskussion darüber, wie Menschen miteinander umgehen sollten und könnten“, erläutert FAU-Forscher Adloff, der den Lehrstuhl für Soziologie II (Allgemeine und Kultursoziologie) innehat und zu dessen Forschungsschwerpunkten Kultursoziologie, Zivilgesellschaft, Philanthropie und Theorie der Gabe gehören.

Neue Formen des friedlichen Miteinanders

Weshalb die Autoren den Begriff Konvivialismus (con-vivere, lat.: zusammenleben) gewählt haben, erläutert Prof. Frank Adloff: „Der Begriff soll zeigen, dass es darauf ankommt, eine neue Philosophie und praktische Formen des friedlichen Miteinanders zu entwickeln“ Es gebe bereits viele Formen des konvivialen Zusammenlebens. „Das Manifest will deutlich machen, dass eine andere Welt möglich ist, aber auch angesichts der Krisenszenarien absolut notwendig ist.“

Die gesellschaftlichen Fehlentwicklungen haben die Konvivialisten klar erkannt, wie Prof. Frank Adloff erläutert: „Es ist der Primat des utilitaristischen, also eigennutzorientierten Denkens und Handelns und die Verabsolutierung des Glaubens an die selig machende Wirkung wirtschaftlichen Wachstums.“ Andererseits stellt das Manifest diesen Entwicklungen eine positive Vision des guten Lebens entgegen: „Es geht zuallererst darum, auf die Qualität sozialer Beziehungen und der Beziehung zur Natur zu achten.“

Diskutiert werden in dem Manifest moralische, gesellschaftliche, politische, ökologische, ökonomische und religiöse Fragen, thematisiert sind unterschiedliche Überlegungen: das Prinzip der gemeinsamen Menschheit, das Prinzip der gemeinsamen Sozialität, das Prinzip der Individuation und Prinzip der Konfliktbeherrschung.

Auf der Suche nach realen Utopien

„Das Manifest kann also insgesamt als Aufforderung verstanden werden, sich an der Suche nach realen Utopien zu beteiligen, die reformistisch und zugleich radikal dazu beitragen können, Utilitarismus und maßloses Wachstum zu überwinden“, sagt Adloff. Deshalb hat der FAU-Wissenschaftler seiner Einleitung zu dem Buch die Abwandlung eines Adorno-Zitats vorangestellt: „Es gibt schon ein richtiges Leben im falschen.“

„Das konvivialistische Manifest“ richtet sich dabei nicht nur an Sozialwissenschaftler. Jeder in unserer Zivilgesellschaft könne sich an der Debatte um die „neue Kunst des Zusammenlebens“ beteiligen, „Entwicklungen zeitgenössischer Gesellschaften kritisieren und andererseits positive Visionen des Zusammenlebens zu entwickeln“. Prof. Frank Adloff erläutert: „Das Manifest möchte ein Dach für radikale Kritiker sein, aber auch für Menschen, die die Auswüchse kappen wollen und für eine neue Form der sozialen Marktwirtschaft eintreten.“

Kostenloser Download des Konvivialistischen Manifests: www.diekonvivialisten.de

Weitere Informationen:

Prof. Frank Adloff
Tel: 09131/85-22085
frank.adloff@fau.de