Trauma durch Flucht, Krieg, Krankheit: Therapieangebot verringert Versorgungslücke

Das Universitätsklinikum Erlangen von oben. (Bild: Uni-Klinikum Erlangen)
Das Universitätsklinikum Erlangen von oben. (Bild: Uniklinikum Erlangen)

Tagung eröffnet neues Angebot für Patienten – Netzwerk von Therapeuten und Selbsthilfegruppen soll gegründet werden

Täglich werden Menschen durch Berichte über Kriege oder Naturkatastrophen, durch schwere Unfälle, Krankheit oder Gewaltverbrechen traumatisiert – mit weitreichenden gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen. Belastende Traumafolgestörungen können heutzutage gut behandelt werden. Bisher ist die Europäische Metropolregion Nürnberg mit teilstationären und stationären Therapieangeboten deutlich unterversorgt. Diese Lücke verkleinert jetzt die Psychosomatische und Psychotherapeutische Abteilung (Leiterin: Prof. Dr. (TR) Yesim Erim) des Universitätsklinikums Erlangen. Im Rahmen der Fachtagung „Traumafolgestörung“ am Samstag, 28. Februar 2015, wird das Therapieangebot offiziell eröffnet. Außerdem soll ein berufs- und institutsübergreifendes Netzwerk zur Verbesserung der Versorgung der traumatisierten Menschen gegründet werden.

Ziel des Netzwerkes ist neben der Kooperation vor allem der regelmäßige Erfahrungsaustausch mit niedergelassenen Therapeuten sowie Beratungsstellen, dem Weißen Ring, der Polizei und der Feuerwehr, die häufig unmittelbar mit den traumatisierten Menschen und deren Belastungen Kontakt haben. „Durch die Etablierung eines Netzwerkes und des neuen teilstationären Traumasettings in der psychosomatischen Tagesklinik soll die Versorgung in der Region verbessert werden“, sagt Diplom-Psychologin Dr. Andrea Silbermann aus der Erlanger Psychosomatik vor der Tagung. Die Psychotherapie von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und anderen Traumafolgestörungen wird in der Tagesklinik in Form von geschlossenen Gruppen angeboten.

Jede Gruppe besteht aus sieben bis acht Patienten, die zum gleichen Zeitpunkt aufgenommen werden und mehrere Wochen lang in einem Setting, d. h. nach einem gemeinsamen Stundenplan, an einzel- und gruppentherapeutischen Behandlungsangeboten teilnehmen. Die Behandlung findet wochentags von 8.30 bis 16.00 Uhr statt. Die Abende und Wochenenden verbringen die Patienten in ihrer gewohnten heimischen Umgebung. „Inhaltlicher Schwerpunkt der integrativen Traumatherapie ist zunächst der Einsatz stabilisierender und ressourcenaktivierender Therapieelemente zur Förderung der eigenen Belastbarkeit und Emotionsregulation, der Selbstakzeptanz und Selbstfürsorge, der Kontaktfähigkeit und sozialen Kompetenz sowie der Verbesserung der Beschwerden. Darüber hinaus werden entsprechend der individuellen Zielsetzung und Belastbarkeit (schonende) Konfrontationsmethoden sowie je nach Hauptsymptomatik störungsspezifische Therapiemethoden zur Verminderung der jeweiligen Symptome angewendet“, erläutert Dr. Silbermann.

Presseeinladung zur Eröffnung des Traumasettings und zur Vernetzung

Anlässlich der Eröffnung des Erlanger Traumasettings und zum Zwecke der weiteren Vernetzung findet am Samstag, 28. Februar 2015, von 9 bis 17.30 Uhr in den Hörsälen Medizin des Universitätsklinikums Erlangen (Ulmenweg 18) eine Fachtagung zum Thema Traumafolgestörungen statt, die von der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen veranstaltet wird. Unter anderem wird ein Workshop zur Versorgung von traumatisierten Flüchtlingen in der ärztlichen und psychotherapeutischen Praxis von Dr. Angelika Claußen angeboten.

Neben der therapeutischen Arbeit ist Dr. Claußen politisch sehr aktiv. Schwerpunkte ihres politischen Engagements sind der Irak, Uranwaffen, der Atomausstieg und Menschenrechte. Als weitere sehr bekannte Expertin und Referentin der Tagung wird Prof. Dr. Luise Reddemann einen Vortrag über mitgefühlsbasierte Therapie bei traumatischen Folgeerkrankungen halten. Prof. Reddemann hat unter anderem mit der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie (PITT) das in Deutschland aktuell weitverbreitete Therapieverfahren entwickelt und etabliert. Vertreter der Medien sind zur Tagung herzlich eingeladen. Eine Anmeldung ist erforderlich unter presse@uk-erlangen.de.

Weitere Informationen für Interessierte unter www.psychosomatik.uk-erlangen.de

Jeder Zweite bis Dritte wird Opfer eines traumatischen Erlebnisses

In Deutschland selbst wird etwa jeder Zweite bis Dritte im Laufe seines Lebens Opfer einer oder mehrerer traumatischer Erlebnisse. Ein Trauma ist laut WHO „ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalen Ausmaßes (kurz- oder langanhaltend), die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“. Hierzu zählt neben den beschriebenen Ereignissen beispielsweise die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Bei einem traumatischen Ereignis ist demnach das Leben oder die Gesundheit der betroffenen Person in ernster Gefahr. Gleichzeitig fühlt sie sich ausgeliefert und machtlos, spürt starke Angst, Hilflosigkeit und Verzweiflung.

Je nach Art, Schwere und Dauer der Traumatisierungen bzw. der Resilienz (Schutzfaktoren) der Betroffenen können entweder zeitnah oder auch zu einem späteren Zeitpunkt sehr beeinträchtigende bzw. chronische psychische Folgeerkrankungen wie die Posttraumatische Belastungsstörung oder weitere Traumafolgestörungen wie Depressionen, Ängste, Essstörungen oder auch Suchterkrankungen entstehen. Kennzeichnend für die PTBS ist, dass die Betroffenen das Trauma in Gedanken oder Gefühlen ungewollt immer wieder durchleben, häufig auch nicht vollständig, sondern in Bruchstücken. Derartige sich aufdrängende Bilder, Gefühle oder auch körperliche Empfindungen nennen sich Intrusionen oder Flashbacks. Häufig kehren die Erinnerungen auch in Form von Albträumen wieder.

Viele Betroffene leben nach dem Trauma in einem Gefühl anhaltender Bedrohung. Sie empfinden ihre Umwelt auf einmal als unsicher und gefährlich, was einen ständigen Stress für Körper und Seele darstellt. Mögliche Folgen sind Ängste, Schlafstörungen, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit oder Konzentrationsstörungen. Auch Schuldgefühle und Scham können mit dem Erlebten verbunden sein. Eine PTBS kann auch körperliche Beschwerden auslösen, für die der Arzt keine organische Ursache findet, beispielsweise Schmerzen. Manchmal können sich die Traumafolgen auch langfristig auf die Persönlichkeit auswirken. Menschen befinden sich dann in einem nahezu dauerhaften Gefühl der Unsicherheit und Bedrohung, können anderen Menschen kaum vertrauen und schwer Beziehungen führen. Eine solche andauernde Persönlichkeitsänderung wird manchmal auch als Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung bezeichnet.

In der letzten Dekade wurden verschiedene Therapiekonzepte und Manuale entwickelt, in der Praxis umgesetzt und diskutiert. Eine PTBS kann mit der passenden Therapie heute gut behandelt werden. Auch bei der komplexen PTBS und Traumafolgestörungen ist eine erfolgreiche Therapie oft möglich. Allerdings sind adäquate Behandlungsangebote für diese schwer erkrankten Patienten bis heute häufig nicht ausreichend zugänglich.

Weitere Informationen:

Dr. Andrea Silbermann
Tel.: 09131 85-42053
andrea.silbermann@uk-erlangen.de