Li-La-Laune-Licht

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Ein Spaß, dessen Ende abzusehen ist: Hautrötungen kündigen einen schmerzhaften und gefährlichen Sonnenbrand an. (Bild: David Hartfiel)

Sie macht uns fröhlich und vertreibt Depressionen. Doch sie kann auch zerstören, verletzen und schwere Erkrankungen auslösen: FAU-Wissenschaftler erforschen die zwei Gesichter der Sonne.

von Ilona Hörath

Wer diniert nicht gerne in einem feinen Restaurant, genießt diem kulinarischen Köstlichkeiten und staunt über die fantasievoll auf dem Teller arrangierten Speisen? Es ist ein stimmungsvoller Abend für alle Sinne, an den man sich meist lange erinnert. Ob bei Kerzenschein, unterm Kronleuchter oder in einem nach allen Regeln der Lichtkunst ausgeleuchteten Ambiente. Und doch ziehen es manche Zeitgenossen vor, in sogenannten Dunkelrestaurants zu speisen. Für ein ganz spezielles Wohlempfinden sorgt hier – die Abwesenheit von Licht. Die Eventkultur lässt grüßen.

Die alltägliche Realität freilich sieht anders aus. Wo uns das Licht ungewollt abhanden kommt oder nur unzureichend vorhanden ist, kann es uns depressiv machen. Allerdings bringt die Helligkeit nicht nur Vorteile. Sonnenbrand, Lichtallergie oder gar Hautkrebs können die Folgen eines Zuviels an Licht sein. Was das Licht mit uns macht und welche Auswirkungen Licht auf unseren Körper, auf unsere Seele und auf das gemeinschaftliche Gefüge hat, untersuchen Forscher der FAU. Sie kommen zu Ergebnissen, die für die Gesellschaft und für jeden Einzelnen von uns von großer Bedeutung sind.

Der Arbeitsmediziner

Der Sturm der Entrüstung, der vor mehr als zehn Jahren durch die bayerischen Biergärten blies, war gewaltig. Eine von der EU geplante Strahlenschutz-Richtlinie sah vor, dass bayerische Kellnerinnen zukünftig nur noch in hochgeschlossener Bluse servieren sollten. Nackte Haut und Dekolleté adé. Mit der sogenannten „Dirndl-Verordnung“ sollte der Sonnenschutz von Menschen durchgesetzt werden, die im Freien arbeiten.

„Die Verordnung zum Schutz vor UV-Strahlung ist nicht durchgegangen“, weiß Prof. Hans Drexler, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (IPASUM) der FAU. Selbst durch eine dicke Schicht Sonnencreme mit dem höchsten Lichtschutzfaktor wäre der oben herum freizügig gekleideten Dirndl-Bedienung nicht geholfen: „Sonnenschutzmittel machen nicht unverwundbar.“ Geht es um UV-Strahlung, ist Drexler ein gefragter Experte. Denn er beschäftigt sich unter anderem damit, wie Arbeitnehmer optimal vor UV-Strahlung geschützt werden können, aber auch, wie künstliches UV-Licht am Arbeitsplatz zu bewerten ist und wie Licht die Arbeitsleistung beeinflusst.

Außerdem prüft er, welche Voraussetzungen eine Erkrankung erfüllen muss, damit sie als Berufskrankheit anerkannt wird. Seine Vorarbeiten wurden vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales im August 2013 in eine Empfehlung umgesetzt, eine spezielle Hautkrebserkrankung als neue Berufskrankheit in die Liste der Berufskrankheiten aufzunehmen: die sogenannten Plattenepithelkarzinome, die durch natürliche UV-Strahlung entstehen können. „Plattenepithelkarzinome der Haut gehören in Deutschland bei Männern und Frauen zu den häufigsten Krebserkrankungen überhaupt“, sagt Drexler.

In einer Studie ermittelte er die natürliche UV-Strahlendosis von im Freien Beschäftigten, also zum Beispiel von Biergartenbedienungen, aber auch Straßenbauarbeitern oder Landwirten. Betroffen sind zwei bis drei Millionen der sogenannten Outdoor- Worker. Zwar sind alle Menschen der solaren UV-Strahlung ausgesetzt, doch für den Arbeitsmediziner war die entscheidende Frage, „ab welcher Dosis die UV-Strahlung so erheblich ist, dass sie ein beruflich bedingtes Plattenepithelkarzinom mitverursachen kann.“ Die Studie förderte ein aufschlussreiches Ergebnis zutage: „Eine zusätzliche UV-Dosis von 40 Prozent führt zu einer Verdopplung des Risiko, an dieser Form des Hautkrebses zu erkranken.“

Aus medizinischer Sicht dürfte man als Kellnerin am Arbeitsplatz kein Dirndl tragen.

Am Beispiel der einstmals vorgesehenen „Dirndl-Verordnung“ stellt er also klar: „Aus medizinischer Sicht dürfte man als Kellnerin am Arbeitsplatz kein Dirndl tragen.“ Doch auch mit den scheinbaren „Nebenwirkungen“ von Leuchtmitteln beschäftigt sich Hans Drexler. Als Schwerpunkt des Biomonitorings in seinem Institut spielt etwa auch der Umgang mit verbrauchten Quecksilberleuchten und deren fachgerechte Entsorgung eine Rolle. In den Restmüll gehören sie nicht: „Werden sie verbrannt, rieselt ihr Quecksilber irgendwann später wieder auf uns nieder.“

Die Dermatologin

Licht bringt Leben. Aber auch Krankheiten. „Aus der Sicht des Dermatologen überwiegen beim UV-Licht die negativen Seiten“, sagt PD Dr. Beatrice Schuler-Thurner, die Leiterin der Experimentellen Immuntherapie in der Hautklinik des Universitätsklinikums Erlangen. So schränke UV-Licht etwa die Immunität der Haut ein – was jeder schon einmal bemerkt hat, der nach einem zu lange dauernden Bad in der Sonne Herpes bekommen hat. Auf jeden Fall komme es zu verstärkter Hautalterung, im schlimmsten Fall entstehe Hautkrebs. „Hautkrebs ist die Krebsart, die trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen bei der weißen Bevölkerung am schnellsten zunimmt“, weiß Schuler-Thurner.

Bei der Behandlung des Melanoms gab es dramatische Verbesserungen. Eine erfolgreiche Therapie ist vor allem über eine Beeinflussung des Immunsystems möglich.

Die Wissenschaftlerin behandelt Hautkrebs-Patienten, bei denen es bereits zu einer Metastasierung des Melanoms gekommen ist. Die Betroffenen können allerdings hoffen. Beatrice Schuler- Thurner sagt: „Bei der Behandlung des Melanoms gab es in den letzten Jahren dramatische Verbesserungen. So zeigte sich, dass eine erfolgreiche Therapie vor allem über eine Beeinflussung des Immunsystems möglich ist.“ Genau dies ist auch das Arbeitsgebiet von Beatrice Schuler-Thurner. Sie führt – anders als bei einer prophylaktischen Impfung gegen Krankheitserreger – eine therapeutische Impfung gegen das maligne Melanom durch.

„Die statistische mittlere Überlebensdauer beim metastasierten Melanom beträgt acht Monate. Bei den von uns geimpften Patienten lag sie im Mittel bei mehr als vier Jahren, einige Patienten überleben seit fast 15 Jahren.“Was genau den Patienten „verabreicht“ wird, ist das revolutionäre Ergebnis langjähriger Forschung, die auf Schuler-Thurners Ehemann Prof. Gerold Schuler – den Klinikdirektor der Hautklinik Erlangen – zurückzuführen ist. Im Hochreinraumlabor der Hautklinik züchtet Schuler-Thurner dabei aus dem Blut der Patienten sogenannte reife Dendritische Zellen heran. Diese werden dann derart „programmiert“, dass sie das Immunsystem des Patienten gegen Bestandteile seines Tumors starten.

„Die Impftherapie schädigt nicht und beeinträchtigt in keiner Weise.“ Allerdings betont die Wissenschaftlerin: „Je früher der Krebs erkannt wird, desto größer sind die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung.“ Bereits 1997 wurde in Erlangen der erste Krebskranke mit Dendritischen Zellen geimpft. In der Zwischenzeit hat man auf diese Weise Hunderte von Patienten ärztlich versorgt. Jene Erkrankten, die seit der Anfangszeit behandelt werden, wurden zum ersten Mal vor mehr als 14 Jahren im Stadium IV der Melanomerkrankung geimpft. „Heute führen sie ein völlig normales Leben, das nur zweimal im Jahr von einer Impfung unterbrochen wird“, erläutert Schuler-Thurner.

Mittlerweile bietet das Uni-Klinikum das Verfahren als medizinische Wahlleistung an. Mehr noch: Im Sommer startete eine Phase-III-Studie, die einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zu einer potenziellen Zulassung als Arzneimittel darstellt. Im Rahmen dieser Studie werden Patienten behandelt, bei denen sich ein Melanom im Auge gebildet hat. Dass UV-Strahlung hautkrebserregend ist, gilt mittlerweile als gesichert. Als Auslöser gelten Sonnenbrände, die sich Patienten vor allem im Kindes- und Jugendalter zugezogen haben. Deshalb wird Beatrice Schuler-Thurner, die auch beim Thema „Sonnenschutz“aktiv ist, nicht müde zu betonen: „Kinder brauchen viel Luft und Licht, aber dies darf nie zu Sonnenbränden führen.“

Der Psychiater

Wenn die Tage kürzer werden und der Winter naht, können es manche nicht erwarten, endlich in den Skiurlaub aufzubrechen, die Pisten hinunterzujagen und nachher auf der Hütt’n zünftig zu feiern, um am nächsten Morgen gleich wieder mit dem Lift hochzufahren. Mit Aktionismus, Enthusiasmus und sprühender Lebensfreude können SAD-Patienten nicht dienen. Sie leiden, sobald die dunkle Jahreszeit beginnt, unter der sogenannten saisonabhängigen Depression (SAD).

„Der eigene Antrieb ist gehemmt, alles ist zäh; was vorher leicht ging, kostet nun viel Kraft“, erläutert Prof. Johannes Kornhuber die Befindlichkeiten von SAD-Betroffenen. Hinzu kommt oftmals ein körperliches Missempfinden, vermehrtes Schlafbedürfnis oder eine Gewichtszunahme. „SAD sind auf den Lichtmangel zurückzuführen, sowohl auf den Mangel an Tageslicht als auch auf die niedrigere Lichtintensität“, erklärt der Direktor der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik. „Wir empfehlen den Patienten dann rauszugehen. So gelangen sie nicht nur in den Genuss von Tageslicht, sondern bewegen sich auch, was ebenfalls antidepressiv wirkt.“ Oder sie führen zum Beispiel eine Lichttherapie durch.

Wir wollen eine Dämmerungstherapie anbieten. Dabei simulieren wir einen natürlichen Sonnenaufgang – und zwar im Patientenzimmer.

 

Eine Lichttherapie wird aber nicht nur bei SAD, sondern auch bei klassischen Depressionen empfohlen. Bei vielen seiner Patienten setzt Kornhuber die Lichttherapie erfolgreich ein. Die Patienten schauen dabei morgens in spezielle Tageslichtlampen, die über eine Beleuchtungsstärke von mindestens 2000 Lux verfügen müssen. Zum Vergleich: Eine handelsübliche 46-Watt-Halogenbirne für die Stehlampe zu Hause „strahlt“ mit 170 Lux. „Wichtig ist, dass das Licht über das Auge aufgenommen wird, und nicht etwa nur über die Haut“, erläutert der Psychiater. Doch Johannes Kornhuber möchte die Therapie für die Patienten weiter verbessern. „Wir wollen eine Dämmerungstherapie anbieten. Dabei simulieren wir einen natürlichen Sonnenaufgang – und zwar im Patientenzimmer.“

Mithilfe ausgeklügelter Technik und eines Geoinformationssystems sollen die Patienten selbst bestimmen können, an welchem Ort sie den Sonnenaufgang virtuell erleben möchten: ob in Rom, Tunesien oder am Indischen Ozean. Noch sucht Kornhuber nach einem geeigneten Hersteller. Die Dämmerungstherapie im Patientenzimmer eignet sich zum Beispiel besonders für Menschen mit schweren Depressionen. „Manchmal gelingt es Patienten nicht, aufzustehen und in den Tageslichtraum zu gehen.“

Wie stark Licht und insbesondere die Farbe des Lichts den Menschen beeinflusst, hat Kornhuber in einer ganz speziellen Studie nachgewiesen. Sie basiert auf der erst kürzlich gemachten Entdeckung, dass sich im menschlichen Auge ein Fotorezeptorsystem befindet, das keine Bildinformation überträgt. So blickten die Studienteilnehmer für jeweils 20 Sekunden abwechselnd in unterschiedliches Licht: in blaues, gelbes, weißes Licht und in das Licht der Raumbeleuchtung. „Wir haben herausgefunden, dass sowohl die Wachheit wie auch die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung sich bei blauem gegenüber gelbem Licht verbesserten“, fasst Kornhuber zusammen.

Mitarbeiter sollten nicht gezielt mit Licht manipuliert werden.

Also kann man mit blauem Licht zum Beispiel in Fabriken bessere Arbeitsbedingungen schaffen? Johannes Kornhuber warnt: „Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Zunächst muss untersucht werden, inwiefern blaues Licht sich auf die Befindlichkeit des Menschen oder auf den Nachtschlaf auswirkt. Und Mitarbeiter sollten nicht gezielt mit Licht manipuliert werden.“

Neugierig geworden?

Dieser Text erschien zuerst in unserem Forschungsmagazin friedrich zum Thema Licht. Lesen Sie im friedrich Nr. 114, warum die letzten Worte Goethes für die Wissenschaft ein Auftrag sind, was Licht ist, woher es kommt, warum wir es sehen, was Licht mit uns macht.

Weitere Beiträge aus dem Magazin finden Sie auch hier im Blog, unter dem Stichwort „friedrich“.