„Unterstützen, so gut wir können“

Dr. Brigitte Perlick, Leiterin des Referats für Internationale Angelegenheiten (RIA) der FAU. (Bild: FAU/Georg Pöhlein)
Dr. Brigitte Perlick, Leiterin des Referats für Internationale Angelegenheiten (RIA) der FAU. (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Dr. Brigitte Perlick leitet das Referat für Internationale Angelegenheiten (RIA) der FAU und ein Projekt, das Asylsuchenden bei der Vorbereitung auf ein Studium an der Universität Erlangen-Nürnberg hilft. Für das Uni-Magazin alexander erzählt sie im Interview vom Projekt.

Integration durch Bildung müsse zum Schwerpunkt von Politik werden, sagte kürzlich Bundesministerin Johanna Wanka. Welche Möglichkeiten haben Flüchtlinge und Asylbewerber an der FAU?

Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen haben wir uns gefragt: Was können wir als Universität geflüchteten Menschen anbieten? Auch die Studierenden hatten den Wunsch, dass die FAU sich für sie öffnet. Dabei gibt es vor allem zwei Hürden: Zum einen die Frage, ob sie mit den Abschlüssen, die sie mitbringen, in Deutschland studieren dürfen. Zum anderen die Frage, ob und wie gut sie deutsch sprechen. Unser Ziel ist es, dass sich Flüchtlinge und Asylbewerber hier langfristig als reguläre Studierende eineinschreiben. Seit dem Sommer unterstützen wir mit verschiedenen Maßnahmen Geflüchtete, die sich auf ein Studium in Deutschland vorbereiten möchten.

Wie sieht diese Unterstützung aus?

Am Anfang steht ganz klar die Beratung. Im Juli haben wir zunächst Gruppenveranstaltungen durchgeführt, mittlerweile sind es in der Regel Einzelgespräche. Seit Sommer haben Thomas Krusche aus der Studienberatung und ich sehr viele Gespräche mit Geflüchteten geführt, zusätzlich zu unseren Aufgaben. Normalerweise wird bei uns im Referat für Internationale Angelegenheiten gar keine Studienberatung durchgeführt, das machen die Kollegen aus der allgemeinen Studienberatung. Dort finden monatlich etwa 100 bis 150 Gespräche mit internationalen Studierenden statt. In den Einzelberatungen geht es darum, herauszufinden, was die Interessenten tun müssen, um hier studieren zu dürfen.

Erst vor kurzem waren eine junge Frau und ein junger Mann aus Syrien bei mir. Die Bewerberin hatte ein Zeugnis einer Sekundarschule mit exzellenten Noten dabei. Damit kann sie in Deutschland sofort studieren. Hingegen war die Situation bei dem jungen Mann schwieriger. Er erzählte, dass er in Ägypten die Schule besucht und sie dort auch abgeschlossen hat. Danach hat er in Libyen studiert. Allerdings ist ein Abitur in Ägypten nicht vergleichbar mit einem Abitur in Deutschland – außer derjenige hat dort zusätzlich ein Jahr studiert. Doch der junge Mann hatte nur ein halbes Jahr in Libyen Zahnmedizin studiert ohne jegliche Nachweise. Damit kann er sich in Deutschland nicht einschreiben, sondern er muss noch ein Jahr ein Studienkolleg besuchen.

Was folgte nach den zahlreichen Beratungsgesprächen?

Der zweite Schritt war, dass wir den Interessenten, die die formalen Voraussetzungen haben um hier zu studieren, im September einen Intensivdeutschkurs angeboten haben, 20 Stunden pro Woche, drei Wochen lang. Daran haben rund 150 Geflüchtete teilgenommen. Als nächstes haben wir dann die Deutschkurse im Wintersemester organisiert, aktuell laufen insgesamt 13 Kurse mit rund 250 Teilnehmern in Erlangen und Nürnberg, 80 Prozent davon auf Anfängerniveau. Um jedoch hier studieren zu können, müssen Bewerber aus dem Ausland gut bis sehr gut Deutsch sprechen.

Was ist mit den Flüchtlingen, die bereits gute Kenntnisse in Deutsch haben und die nötigen Abschlüsse vorweisen?

Sie dürfen Vorlesungen besuchen, um herauszufinden, was sie gerne studieren möchten. Allerdings sind sie keine offiziellen Studierenden und können deshalb auch nicht an Prüfungen teilnehmen. Knapp zehn Geflüchtete können aktuell an einem solchen Schnupperstudium teilnehmen. Wollen sie hier regulär studieren, müssen sie neben den formalen Kriterien auch noch eine spezielle Deutschprüfung bestehen.

Wie werden diese Angebote finanziert?

Der Förderverein zur Internationalisierung der Universität Erlangen-Nürnberg, der normalerweise für Austauschstudierende vergünstigte Deutschkurse anbietet, hat die Sprachkurse im Sommer und jetzt während des Semesters komplett finanziert. Wir sprechen von knapp 100.000 Euro für Dozenten und Lehrbücher. Auf Dauer kann der Verein das nicht zusätzlich stemmen. Am Schlossgartenfest haben wir unter anderem für Fahrtkosten gesammelt, das werden wir auch beim Universitätsball im Januar wieder machen. Denn viele Projektteilnehmer sind lange mit Bus und Bahn unterwegs, um zu den Kursen zu kommen.

Anfangs sind Sie von 50 bis 60 Interessenten ausgegangen. Mittlerweile waren mehr als 900 bei Beratungen, an den Sprachkursen haben rund 250 Flüchtlinge und Asylbewerber teilgenommen. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Eigentlich wollen wir lediglich einen Punkt ändern und zwar wollen wir weg von den Deutschkursen für Anfänger. Denn wir müssen einfach realistisch sein: Die Universität ist keine Sprachschule, die intensiven kostenlosen Deutschunterricht mit 20 Stunden pro Woche anbieten kann – das müssen andere Stellen übernehmen. Unsere Kurse mit sechs Stunden Deutschunterricht reichen aber bei Weitem nicht aus, um die Sprache wirklich so zu lernen, dass jemand studieren kann – da bräuchte ein Anfänger mindestens drei Jahre. Die Politik hat für Integrations- und Deutschkurse kurzfristig viel Geld in Aussicht gestellt. Ich hoffe, dass damit neue Angebote entstehen und unsere Teilnehmer diese auch annehmen. Wir sind gerade dabei, sie darüber zu informieren. Wer gute Deutschkenntnisse nachweisen kann, den unterstützen wir natürlich weiterhin so gut wir können.

Wie aufwändig ist die Beratung von Flüchtlingen im Vergleich zu anderen Studierenden aus dem Ausland?

Wir beraten sie in einem sehr viel früheren Stadium. Wer sich sonst bei uns aus dem Ausland bewirbt, hat sich bereits von vielen Seiten Informationen über ein Studium in Deutschland geholt, bei Konsulaten und Botschaften, Universitäten, Schulen, DAAD-Informationszentren. Das reicht von Fragen zur Anerkennung von Zeugnissen über erforderliche Deutschkenntnisse bis hin zum Leben in Deutschland. Flüchtlinge und Asylbewerber sind ja bereits hier, hatten und haben aber keinen Zugriff auf diese Informationswege. Da übernehmen wir diesen Informationsbedarf. Auch ehrenamtliche Helfer wissen meist nicht so genau Bescheid, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit jemand hier studieren kann. Daher überlegen wir aktuell zum Beispiel, wie die vielen Helfer besser über ausländische Bildungssysteme aufgeklärt werden können.

Welche Gründe gibt es noch für einen höheren Aufwand?

Bis Juli hatten die Flüchtlinge, die zu uns in die Beratung kamen, in der Regel vollständige Zeugnisse dabei. Doch seit September kommen viel mehr ohne Zeugnisse, mit lückenhaften Nachweisen, manchmal nur mit einem Foto auf ihrem Handy oder mit Ausdrucken aus Studiendatenbanken, ohne irgendwelche Unterschriften. Der Grund dafür dürfte sein, dass die Menschen vorher „geordneter“ in ihren Heimatländern aufgebrochen sind. Daher gehe ich davon aus, dass sich dieser Trend noch verschärfen wird.

Gibt es trotz des ernsten Themas etwas, worüber Sie lächeln mussten?

Viele Sprachkurse finden bei uns in einem Raum im Erdgeschoss statt. Die Teilnehmer wussten das am Anfang nicht und haben im ganzen Haus gesucht. Meine Mitarbeiter haben kurzerhand ein Schild in Englisch und Arabisch aufgehängt, es hat aber nicht viel geholfen. Inzwischen weiß ich auch warum: Die Kollegen haben auf die Schnelle mit Google Translator übersetzt, jedoch gibt es ganz verschiedene Schriftvarianten des Arabischen. Aber inzwischen wissen ja alle, wo die Kurse stattfinden