Herz-Lungen-Maschine im Handgepäck

Andreas M. aus Oberbayern lag sechs Wochen nachdem ihn das ECMO-Team des Uni-Klinikums Erlangen aus Mexiko zurückgeholt hatte zwar noch auf der Intensivstation, ist aber auf dem Weg der Genesung und konnte zwischenzeitlich in eine Rehabilitationseinrichtung entlassen werden. (Bild: Uni-Klinikum Erlangen)
Andreas M. aus Oberbayern lag sechs Wochen nachdem ihn das ECMO-Team des Uni-Klinikums Erlangen aus Mexiko zurückgeholt hatte zwar noch auf der Intensivstation, ist aber auf dem Weg der Genesung und konnte zwischenzeitlich in eine Rehabilitationseinrichtung entlassen werden. (Bild: Uni-Klinikum Erlangen)

Erlanger Team holt schwer kranken Oberbayern aus Mexiko zurück – Patient auf dem Weg der Genesung

Er hatte sich so auf den Mexiko-Urlaub gefreut, doch aus dem Sonnenbaden am Karibikstrand wurde nichts, denn schon nach drei Tagen ging es Andreas M. so schlecht, dass er in Cancún ins Krankenhaus musste. Der 43-Jährige aus dem oberbayerischen Baldham litt unter Schwäche und Atemnot – schließlich versagten gleich mehrere Organe. Schnellstmöglich wurde er zurück nach Deutschland transportiert, wo er sich auf der Erlanger Intensivstation zurück ins Leben kämpfte.

Anfang Februar klingelte das Handy von Dr. Michael Meyer: Ein deutscher Urlauber sei in Mexiko schwer erkrankt. Der Oberarzt der Anästhesiologischen Klinik des Uni-Klinikums Erlangen und Leitende Flugarzt des ADAC-Ambulance-Service bemühte sich darum, telefonisch und via E-Mail mehr Informationen über den Patienten und seinen Gesundheitszustand zu bekommen. „Viel haben wir nicht erfahren, aber die Werte, die wir gesehen haben, waren gravierend schlecht“, erinnert er sich. „Da war nicht mehr viel Luft.“ Dementsprechend schnell fällten Dr. Meyer und seine Kollegen die Entscheidung zur schnellstmöglichen Hilfeleistung.

Von links: Dr. Michael Meyer (Flugarzt/Anästhesie), Dr. Simon Rieß (Anästhesie), Andreas M. (Patient), Steffen Oehrlein (Kardiotechniker) und PD Dr. Richard Strauß (Medizin 1) (Bild: Uni-Klinikum Erlangen)
Von links: Dr. Michael Meyer (Flugarzt/Anästhesie), Dr. Simon Rieß (Anästhesie), Patient Andreas M., Kardiotechniker Steffen Oehrlein und PD Dr. Richard Strauß (Medizin 1). (Bild: Uni-Klinikum Erlangen)

Binnen zwölf Stunden saßen zwei Erlanger Experten im Flugzeug nach Cancún: Dr. René Tandler, Oberarzt der Herzchirurgischen Klinik, und der Kardiotechniker Steffen Oehrlein (WKK Perfusionsservice GmbH & Co. KG) – im Gepäck eine mobile Herz-Lungen-Maschine. „Teile des Materials gelten auf Flughäfen als Gefahrengut, beispielsweise die Sauerstoffflasche“, erklärt Steffen Oehrlein. „Unsere Erfahrung, kooperatives Bordpersonal und die teilweise Deklarierung als Handgepäck machten es möglich, dass wir den Linienflug trotzdem nehmen konnten.“

Vor Ort eilten die beiden „Scouts“ direkt ins Krankenhaus zu Andreas M. „Es ging ihm tatsächlich sehr schlecht“, berichtet Dr. Tandler. „Für uns war in erster Linie wichtig, zu klären, ob der Patient transportfähig ist: für den Rückflug nach Deutschland.“ Denn in Erlangen wartete Dr. Meyer auf Nachricht aus Mexiko von seinen beiden Kollegen: Als diese meldeten „Patient stabil“, machten sich Dr. Simon Rieß, Oberarzt der Anästhesie, sowie der Fachpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin Holger Pfister mit dem ADAC-Ambulanzflugzeug auf den Weg nach Cancún. Währenddessen wurde Andreas M. von Dr. Tandler und Steffen Oehrlein betreut: „Man darf den mexikanischen Kollegen nichts vorwerfen. Für ihre Verhältnisse haben sie sehr gute medizinische Versorgung geleistet. Sie haben alle Möglichkeiten ausgeschöpft“, betont Simon Rieß. „Außerdem haben sie uns äußerst kollegial empfangen und toll unterstützt.“

Nierenersatzverfahren über den Wolken

Als das vierköpfige Erlanger Team am Dienstagmorgen komplett war, implantierte es unter Leitung von Dr. Tandler bei Andreas M. direkt das sogenannte ECMO-System. „ECMO steht für extrakorporale Membranoxygenierung. Dabei wird über einen Katheter in der Leiste mithilfe einer kleinen Pumpe das sauerstoffarme Blut des Patienten in eine ‚künstliche Lunge‘ transferiert und dort mit Sauerstoff angereichert, bevor das Blut über einen weiteren Katheter wieder in den Körper zurückgeführt wird. Die ECMO übernimmt damit die Lungenfunktion“, erläutert Dr. Meyer. „Nur so konnte gewährleistet werden, dass der Patient den Transport auch überlebt.“

Das Kurzstrecken-Flugzeug ist medizinisch auf höchstem Niveau ausgestattet: So konnte Andreas M. mit dem implantierten ECMO-System sicher zurück nach Deutschland gebracht werden. (Bild: Uni-Klinikum Erlangen)
Das Kurzstrecken-Flugzeug ist medizinisch auf höchstem Niveau ausgestattet: So konnte Andreas M. mit dem implantierten ECMO-System sicher zurück nach Deutschland gebracht werden. (Bild: Uni-Klinikum Erlangen)

Für die Erlanger Experten war die Reise ein wahrer Kraftakt: 21 Stunden waren sie mit einem medizinisch auf höchstem Niveau ausgestatteten Kurzstrecken-Flugzeug unterwegs, das dreimal zum Auftanken zwischenladen musste. „Während des Fluges blieben wir natürlich alle wach und kümmerten uns um unseren Patienten“, berichtet Dr. Rieß. „Ein bekanntes Nierenversagen stellte schließlich ein weiteres Problem dar und so führten wir über den Wolken noch ein entsprechendes Nierenersatzverfahren durch.“ Groß war die Erleichterung, als die Maschine endlich in Nürnberg landete und Andreas M. mit einem Intensivtransport des Malteser Hilfsdiensts auf die Intensivstation der Medizinischen Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie des Uni-Klinikums Erlangen gebracht werden konnte.

Dort warteten bereits PD Dr. Richard Strauß und sein Team: Alle waren gut auf den Fall vorbereitet, stand PD Strauß doch schon von Anfang an in engem Kontakt mit Dr. Meyer. „Zum einen schlossen wir den Patienten möglichst schnell an unsere eigenen ECMO-Geräte an, um die mobile Herz-Lungen-Maschine für den nächsten Einsatz freizumachen“, erklärt der stellvertretende Klinikdirektor und Leiter des Schwerpunkts Intensivmedizin und Klinische Infektiologie. „Zum anderen galt es, ein Rätsel zu lösen: Vor uns lag ein Mensch mit Multiorganversagen, der sich im künstlichen Koma befand, dessen Krankheitsursache unklar war und dessen bisherige Therapie wir nicht im Detail kannten.“ Die Intensivmediziner und Fachkrankenpfleger gingen schrittweise vor, ließen Andreas M. langsam erwachen und konnten nach und nach die unterschiedlichen Ersatzverfahren sowie die Beatmung beenden. Ein Erreger ließ sich allerdings nicht ausmachen, die Ärzte vermuten, dass sich der Urlauber eine schwere Infektion zugezogen hat, die eskalierte. „Inzwischen sind aber alle Körperfunktionen weitestgehend wiederhergestellt“, sagt PD Strauß. „Wir können den Patienten jetzt in eine Rehabilitationseinrichtung verlegen und ich gehe fest davon aus, dass er in ein paar Wochen wieder auf den Beinen ist und keine bleibenden Schäden davonträgt.“

Zweite deutsche Patientin aus dem Ausland geholt

Auch Andreas M. selbst ist voller Hoffnung: „Nachdem ich so lange im Bett lag, sind meine Muskeln ganz schwach. Die muss ich jetzt in der Reha wieder aufbauen“, sagt der Handwerker. „Aber es geht aufwärts! Und die Betreuung durch die Erlanger Ärzte und Pflegekräfte ist super.“ Diese behandeln nur wenige Türen weiter einen ganz ähnlichen Fall: eine ebenfalls schwer kranke deutsche Urlauberin, die vor gut einer Woche auch von einem ECMO-Team des Uni-Klinikums Erlangen aus Thailand geholt wurde. „Das ist eine absolute Ausnahme, dass wir aktuell gleich zwei solcher Fälle haben“, bemerkt Dr. Meyer. Üblicherweise erhält der Leitende Flugarzt jährlich etwa drei solcher Anrufe. „Sofern möglich, bringen wir die Patienten aber immer ans Universitätsklinikum Erlangen“, erklärt der Facharzt. „Denn hier haben wir ein perfektes Setting: Der Weg vom Flughafen auf die Station ist kurz, das Transportteam ist wieder zurück an seinem Arbeitsplatz und der Patient auf einer hochmodernen Intensivstation.“ In München beispielsweise erschwere die Lage des Airports die Logistik, weshalb Andreas M. auch nicht in ein für ihn heimatnahes Krankenhaus in der bayerischen Landeshauptstadt gebracht worden sei.

„Dieser aufwendige Transport ist eine super Leistung von Dr. Meyer und seinem Team“, zollt auch PD Strauß den Kollegen seinen Respekt. „Hier vor Ort geht es dann Hand in Hand. Wir sind eine eingespielte Mannschaft. Und bei Kapazitätsengpässen – zum Beispiel in der Grippesaison – hilft es uns enorm, wenn die Intensivstation einer anderen Einrichtung kurzfristig einen Patienten übernimmt, um das Bett freizumachen.“ Die enge Kooperation mit dem ADAC-Ambulance-Service und die ausgezeichnete interdisziplinäre Zusammenarbeit seien ein echtes Alleinstellungsmerkmal des Uni-Klinikums Erlangen.

Weitere Informationen:

Dr. Michael Meyer
Tel.: 09131/85- 33680
michael.meyer@kfa.imed.uni-erlangen.de