Lotuseffekt für organische Flüssigkeiten

Lotusblatt mit Wassertropfen
Das Lotusblatt ist der Namensgeber des Lotuseffekts: Wasser perlt vom ihm ab, ohne es zu benetzen. (Bild: Colourbox.de)

Keine Chance für Schmierfilme

Materialwissenschaftler der FAU haben ein Verfahren entwickelt, das den Selbstreinigungseffekt keramischer Oberflächen auch bei organischen Flüssigkeiten wie Ölen oder Alkohol ermöglicht. Die Forschungsergebnisse werden jetzt im renommierten Journal of Materials Chemistry A in einer Sonderpublikation zu Arbeiten junger, aufstrebender Wissenschaftler veröffentlicht (doi: 10.1039/C5TA08992A).

Jeder hat schon einmal vom Lotuseffekt gehört: Flüssigkeiten perlen von Oberflächen ab, ohne sie zu benetzen. Die namensgebende Lotosblume und andere hydrophobe Pflanzen bilden eine Struktur mikroskopisch kleiner Papillen aus, die die Kontaktfläche stark verringert und Flüssigkeiten in Kugelform zwingt. Seit etwa zwanzig Jahren wird dieser Selbstreinigungseffekt technisch nachgebildet und kommt beispielsweise bei Fliesen, Glasoberflächen oder Fassadenanstrichen zum Einsatz.

„Leider funktioniert dieser Effekt nur bei Wasser besonders gut, weil Wasser eine sehr hohe Oberflächenspannung und damit die Tendenz zur Tropfenbildung besitzt“, sagt Prof. Dr. Nicolas Vogel vom Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik der FAU. „Bei anderen Flüssigkeiten, vor allem organischen Ölen oder Alkohol, ist dieses Verhalten weniger stark ausgeprägt.“ Seit Jahren forscht Vogel deshalb an einer Möglichkeit, keramische Oberflächen so zu manipulieren, dass das Benetzungsverhalten auch von Flüssigkeiten mit geringerer Oberflächenspannung kontrolliert werden kann.

Höhlenartige Poren im Glas

Diesem Ziel sind die Verfahrenstechniker der FAU nun einen Schritt näher gekommen: Vogel und seinen Forscherkollegen ist es gelungen, kleinste polymere Nanopartikel mit einem Durchmesser unterhalb von 1 µm in die Oberfläche von Glas einzubinden – und dabei die Höhe der Einbettung zu kontrollieren. In einem nachfolgenden Schritt werden die kleinen Partikel durch Kalzinieren wieder entfernt. Im Trägermaterial entstehen so kleine höhlenartige Vertiefungen mit einem Öffnungswinkel von weniger als 90 Grad. „Entscheidend bei diesem Verfahren ist, dass wir die Eindringtiefe der Kolloide und damit den Öffnungswinkel der Poren sehr präzise steuern können“, erklärt Vogel.

Anwendung in der Hygiene

Damit haben die Erlanger Forscher die Grundlage für Materialien geschaffen, die nicht nur Wasser, sondern auch organische Flüssigkeiten abweisen. Ein solcher Selbstreinigungsmechanismus könnte beispielsweise in der Medizinhygiene zum Einsatz kommen, wenn es darum geht, eine Benetzung mit Körperflüssigkeiten zu verhindern. Oder bei Glasoberflächen – Vitrinen, Türen, Kameralinsen –, die vor Ölen und Fetten geschützt werden sollen. „Noch funktioniert unser Verfahren nur unter Laborbedingungen“, sagt Nicolas Vogel. „Aber die Methode ist prinzipiell skalierbar, so dass auch eine industrielle Anwendung erreicht werden kann.“

Faszinierende Einblicke in den Mikrokosmos

Wie sich Materialwissenschaftler von Muschelschalen, Schmetterlingsflügeln oder eben der Lotosblume inspirieren lassen, davon kann man sich aktuell in Erlangen ein Bild machen: Im Eingangsbereich des Botanischen Gartens sind mikroskopische Aufnahmen verschiedener Oberflächen aus der Tier- und Pflanzenwelt in beeindruckender Intensität zu sehen. Die Poster-Ausstellung „Kleine Strukturen – große Wirkung“ wird vom Exzellenzcluster Engineering of Advanced Materials (EAM) der FAU organisiert, zu dem auch die Forschergruppe um Nicolas Vogel gehört. Die Ausstellung läuft bis 28. August 2016 und ist Dienstag bis Sonntag von 9:30 bis 15:30 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Nicolas Vogel
Tel.: 09131/85-20357
nicolas.vogel@fau.de