Herzinfarkt auf dem Zahnarztstuhl

In dem Kurs „Notfallmanagement für Zahnmediziner“ üben angehende Zahnärzte, wie sie im Notfall in der Praxis richtig reagieren – mit diesem Angebot ist die FAU Vorreiter im deutschsprachigen Raum. (Bild: Universitätsklinikum Erlangen)
In dem Kurs „Notfallmanagement für Zahnmediziner“ üben angehende Zahnärzte, wie sie im Notfall in der Praxis richtig reagieren – mit diesem Angebot ist die FAU Vorreiter im deutschsprachigen Raum. (Bild: Universitätsklinikum Erlangen)

Wie angehende Zahnmediziner Sicherheit für Notfälle in der Praxis bekommen

Viele Menschen haben Angst vorm Zahnarzt. Doch auch die Zahnmediziner fürchten sich. Nicht vor ihren Patienten, aber vor einem Notfall in der Praxis: Patienten, die ohnmächtig werden, Unterzuckerung, starke Blutungen in der Mundhöhle, Krämpfe, Atemnot. Jeder zweite Zahnarzt erlebt zwei bis drei solcher Situationen im Jahr – und weiß oft nicht, wie er angemessen reagieren soll.

Der Kurs „Notfallmanagement für Zahnmediziner“ schließt diese Lücke. Er wird am Uni-Klinikum Erlangen von PD Dr. Dr. Florian Stelzle, der als Privatdozent an der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgischen Klinik lehrt, und PD Dr. Georg Breuer, Oberarzt an der Anästhesiologischen Klinik, für je 20 Studierende der Zahnmedizin angeboten.

Alle Mediziner – auch Zahnärzte – müssen lebensrettende Sofortmaßnahmen beherrschen. Doch wie Befragungen zeigen, fürchten vor allem Zahnmediziner lebensbedrohliche Zwischenfälle in der Praxis. „Eine alarmierende Nachricht, wenn man bedenkt, dass Zahnärzte zu den meistbesuchten Ärzten in Deutschland gehören, die noch dazu sehr viele Injektionen und Antibiotika verabreichen“, erklärt Florian Stelzle, der den Notfallkurs gemeinsam mit Georg Breuer entwickelt hat.

PD Dr. Dr. Florian Stelzle (l.) und PD Dr. Georg Breuer haben den Kurs entwickelt. (Bild: Universitätsklinikum Erlangen)
PD Dr. Dr. Florian Stelzle (l.) und PD Dr. Georg Breuer haben den Kurs entwickelt. (Bild: Universitätsklinikum Erlangen)

„Deshalb muss eine adäquate Notfallausbildung bereits ins Studium integriert werden“, sagt Stelzle.

Die beiden Mediziner haben ihren Kurs sehr stark fokussiert: „Wenn die Studierenden wissen, wie sie auf die zehn bis zwölf häufigsten Notfälle richtig reagieren, dann sind sie bereits in 90 Prozent der Fälle gut gerüstet“, erklärt Stelzle. Typische Notfälle sind Herz-Kreislauf-Probleme, allergische Reaktionen auf Spritzen oder starke Blutungen.

Ältere Patienten – mehr Notfälle

Angesichts des demografischen Wandels und immer älter werdender Patienten, die häufig chronisch krank sind und regelmäßig Medikamente einnehmen, steigt das Risiko von lebensbedrohlichen Notfällen in der Zahnarztpraxis. Der Kurs „Notfallmanagement für Zahnmediziner“, der am Uni-Klinikum Erlangen seit dem Wintersemester 2014/2015 fakultativ angeboten wird, reagiert auch auf diese Situation.

Der Kurs setzt sich aus einem zweitägigen Blockprogramm und einer eintägigen Wiederholungseinheit, einem sogenannten „Refresher“, zusammen, die vier Wochen später stattfindet. „Der Kurs kann als Vorreiter im deutschsprachigen Raum gelten. Das Besondere ist seine Interdisziplinarität“, betont Breuer. „Denn in ihm verbinden wir anästhesiologisches Know-how mit den speziellen Anforderungen von Zahnmedizinern.“ Unterstützung findet das Projekt auch durch das Skills Lab PERLE, kurz für Praxis ERfahren und LErnen der Medizinischen Fakultät der FAU, sowie durch die Professur für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement der Technischen Universität München.

Das Besondere an dem Kurs: Er geht auf die typischen Notfälle in der Zahnarztpraxis ein. (Bild: Universitätsklinikum Erlangen)
Das Besondere an dem Kurs: Er geht auf die typischen Notfälle in der Zahnarztpraxis ein. (Bild: Universitätsklinikum Erlangen)

Florian Stelzle und Georg Breuer bieten ihre mit dem Innovationspreis der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ausgezeichnete Veranstaltung als dreistufiges Blended-Learning-Konzept an: Das „vermischte Lernen“ verbindet Werkzeuge des E-Learning mit fallspezifischem Szenario-Training und praktischen Übungen im Simulations- und Trainingszentrum der Anästhesie. Auf der eigens entwickelten E-Learning-Plattform werden zunächst alle Studierenden auf denselben Wissensstand gebracht, „denn wir bieten den Kurs vom sechsten bis zum zwölften Semester an“, sagt Stelzle.

In der anschließenden Präsenzphase spielen Kleingruppen typische Problemsituationen aus der Praxis durch. Im dritten Baustein trainieren die angehenden Ärzte schließlich ihre praktischen Fertigkeiten an Simulatoren und Patientenschauspielern. Wie reagieren die zukünftigen Ärzte, wenn ein Patient schon vor dem Behandlungszimmer bewusstlos zusammensackt?

Ich habe keine Angst mehr

Wie wertvoll diese Fallbeispiele sind, hat auch Corinna Itze erfahren, Zahnmedizinstudentin im zehnten Semester. Im „Refresher“-Kurs reanimierte sie entschlossen die vor ihr liegende Simulationspuppe, wies eine Kommilitonin an, den Notarzt zu rufen und bat eine andere darum, sie bei der Herzdruckmassage abzulösen. Vor der ersten Unterrichtsstunde bei Florian Stelzle und Georg Breuer hätte sie sich das nicht zugetraut.

Starke Blutungen in der Mundhöhle sind ein Beispiel für einen Notfall in einer Zahnarztpraxis. (Bild: Universitätsklinikum Erlangen)
Starke Blutungen in der Mundhöhle sind ein Beispiel für einen Notfall in einer Zahnarztpraxis. (Bild: Universitätsklinikum Erlangen)

„Heute habe ich keine Hemmungen und Angst mehr, etwas falsch zu machen. Ich weiß jetzt, was im Notfall zu tun ist.“

Das „Notfallmanagement für Zahnmediziner“ lehnt sich wesentlich an die geplanten Vorgaben der neuen Approbationsordnung für Zahnmediziner an. Um den subjektiven Lernerfolg und den objektiven Wissenszuwachs zu evaluieren, wird das Programm wissenschaftlich begleitet.

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Dieser Text erschien auch in unserem Magazin alexander, das Sie hier als PDF herunterladen können.

Weitere Themen der Ausgabe Nr. 101: ein Interview mit Direktorin Konstanze Söllner darüber, wie sich die Universitätsbibliothek in Zeiten des Internets wandelt. Medienexperte Dr. Sven Grampp erklärt, wann eine Serie eine gute Serie ist.

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