„Nachhaltigkeit ist oftmals ein dickes Brett“

Prof. Dr. Markus Beckmann
Prof. Dr. Markus Beckmann leitet an der FAU den Lehrstuhl für Corporate Sustainability Management. (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Jeder will nachhaltig handeln, nachhaltig leben, nachhaltig wirtschaften. Auch an Universitäten spielt das Thema eine zunehmend wichtigere Rolle. Am Freitag, 8. Juli, sind an der FAU die bayerischen Hochschulen zu Gast, um unter dem Motto „Nachhaltigkeit an Hochschulen – nicht nur Bottom-Up, sondern auch Top-Down?“ über das Thema zu diskutieren. Wir haben mit Prof. Dr. Markus Beckmann vom Lehrstuhl für Nachhaltigkeitsmanagement an der FAU darüber gesprochen.

Beim Thema Nachhaltigkeit denken viele erst einmal an die Umwelt. Zu kurz gedacht?

Ganz allgemein heißt Nachhaltigkeit, heute so zu handeln, dass wir dabei nicht jene Grundlagen zerstören, die wir für unser Handeln auch morgen und in 100 Jahren brauchen. Hierfür sind die natürlichen Grundlagen wichtig, also eine intakte Umwelt, aber auch das, was eine Gesellschaft wirtschaftlich trägt und was sie sozial zusammenhält. Daher wird unter Nachhaltigkeit heute zumeist der Dreiklang aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten verstanden.

Wann haben Hochschulen in Deutschland das Thema für sich entdeckt?

Einzelne Aspekte wie Umweltkonzepte zur Mülltrennung, Campusbegrünung etc. gehen bis in die 1980er zurück. Seit den 2000er haben dann einige – meist kleinere – Vorreiteruniversitäten Nachhaltigkeit als ganzheitliches Konzept für die gesamte Universität aufgegriffen. Heute entsteht daraus immer mehr eine Selbstverständlichkeit für die Universität von morgen.

Warum ticken Hochschulen hier anders als Unternehmen?

Unternehmen haben mit Gewinn und Verlust eine klare, übergeordnete Zielgröße – und durch die Unternehmensleitung die Möglichkeit, die ganze Organisation, inklusive des Nachhaltigkeitsmanagements, auf diese Zielerreichung auszurichten. Universitäten sind hingegen nicht gewinnorientiert, sondern haben vielfältige Ziele, wie gute Lehre, innovative Forschung, Beiträge zu gesellschaftlichen Problemlösungen und mehr. Diese vielfältigen Ziele werden an der Universität viel dezentraler erreicht, indem – Stichwort Freiheit von Forschung und Lehre – viele Entscheidungsmöglichkeiten bei den einzelnen Lehrenden und Forschenden liegen. Nachhaltigkeit kann an Unis also nicht einfach von oben verordnet werden, sondern wächst in besonderer Weise aus dem Zusammenspiel zwischen Unileitung, Verwaltung, Forschenden, Lehrenden und Studierenden – genau das Thema der aktuellen Tagung bei uns!

In Bayern gibt es seit 2012 das Netzwerk „Hochschule und Nachhaltigkeit Bayern“, an dem mittlerweile fast alle Hochschulen im Freistaat beteiligt sind. Was sind die Ziele?

Das Netzwerk will den Austausch unter den bayerischen Hochschulen fördern und gemeinsam die Sichtbarkeit für das Thema Nachhaltigkeit erhöhen. Gemeinsam sind wir stärker.

Welche Aspekte stehen an Hochschulen im Mittelpunkt?

Es gibt vier typische Bereiche Campus, Verwaltung, Forschung und Lehre. Im Campusmanagement und in der Verwaltung geht um ähnliche Fragen wie in vielen Unternehmen: Energiemanagement, Papierverbrauch, Müll, Gesundheitsmanagement, Barrierefreiheit oder Förderung von Vielfalt. In den Bereichen Lehre und Forschung geht es hingegen um uni-spezifische Fragen, und zwar sowohl um die „Wie“-Fragen (Wie forschen wir, etwa mit Blick auf unsere Methoden?) als auch um die „Was“-Fragen: Was ist der Beitrag unserer Forschung und Lehre, um zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen – sei dies die Energiewende oder der demografische Wandel – beizutragen?

Welche Probleme gibt es dabei?

Die Organisationsbesonderheiten der Universitäten erfordern besondere Lösungswege. Ein Beispiel aus dem Verwaltungsbereich: Wenn ein Lehrstuhl einen etwas teureren, aber energiesparenden Drucker kauft, entlastet dies die Umwelt und spart langfristig bares Geld. Wird die Stromrechnung aber ohnehin zentral bezahlt, besteht kein Anreiz für den Lehrstuhl, die Mehrkosten für einen stromsparenden Drucker individuell zu tragen. Hier müssen dann erst geeignete Lösungen gefunden werden, etwa dass der Käufer des neuen Druckers an der Stromersparnis beteiligt wird.

An der FAU gibt es einen Lehrstuhl für Nachhaltigkeitsmanagement – eine Modeerscheinung?

Mittlerweile haben sehr viele Universitäten Lehrstühle zu „Corporate Sustainability Management“ oder „Corporate Social Responsibility“. Welcher dieser schillernden Begriffe aktuell gerade en vogue ist, mag ein Modephänomen sein. Dass Unternehmen jedoch vor gesellschaftlichen Erwartungen stehen, auch die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihres wirtschaftlichen Handelns zu berücksichtigen, ist ein Trend, der sicherlich anhält und eher noch zunehmen wird. Die Beschäftigung mit dieser Frage ist daher gewiss keine kurzfristige Modeerscheinung.

Welche Beispiele gibt es für Nachhaltigkeit an der FAU?

Lassen Sie mich am Beispiel Energie erklären, wie Nachhaltigkeit bei uns durch das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure in der Uni vorankommt. So haben zunächst Studierende den Fachbereich Wirtschaftswissenschaften unter die Lupe genommen, um Energieeinsparmöglichkeiten in ihren eigenen Gebäuden zu identifizieren. Diese Ergebnisse wurden der Verwaltung vorgestellt, die ihrerseits ein professionelles Energiecontrolling für die gesamte FAU vorantreibt. Die Unileitung unterstützt diese Bestrebungen, indem sie zum Herbst einen Ideenwettbewerb zu Ressourceneinsparungen an der ganzen Uni ausruft – hier sind dann wiederum die Studierenden, Mitarbeiter und Wissenschaftler am Zug.

Was wünschen Sie sich für eine nachhaltige Universität?

Das Beispiel zeigt, dass wir Nachhaltigkeit an der Uni nicht auf Vorgaben der Unileitung, auf einzelne Lehrstühle oder einen Nachhaltigkeitsbeauftragten reduzieren können. Spannend wird es vielmehr im bunten Zusammenspiel von Unileitung, Verwaltung, Lehrenden, Forschenden und Studierenden. Diesen gemeinsamen Spirit wünsche ich mir. Denn Nachhaltigkeit geht uns alle an.

Und für eine nachhaltige Gesellschaft?

Nachhaltigkeit ist oftmals ein dickes Brett. Wie an der Universität müssen wir auch in der Gesellschaft vielfältige Akteure zusammenbringen, ohne dabei vorab schon fertige Antworten zu haben. Das dauert Zeit und sorgt daher – verständlicherweise! – manchmal für Ungeduld. Man denke nur an die zähen Bemühungen zum Klimaschutz. Hier wünsche ich mir die Beharrlichkeit, trotz aller Frustrationen gemeinsam nach zukunftsfähigen Lösungen zu suchen. Es lohnt sich!

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Markus Beckmann
0911/5302-651
markus.beckmann@fau.de