Dr. Nicolas Bissantz

Dr. Nicolas Bissantz
Dr. Nicolas Bissantz, Gründer und Gesellschafter von Bissantz & Company. (Foto: Frank Kretschmann)

Dr. Nicolas Bissantz promovierte von 1993 bis 1996 an der FAU am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik I. 1996 gründete er das Softwareunternehmen Bissantz & Company GmbH als Technologie-Spin-Off einer Forschungsgruppe, in der er Mitglied war. Als Doktorand entwickelte Dr. Bissantz zwischen 1993 und 1996 zusammen mit seinem Kollegen und jetzigem Mitgesellschafter Dipl.-Inf. Michael Westphal Grundlagen für die Automation der Datenanalyse. Das Analysieren von Daten im betriebswirtschaftlichen Umfeld gehört zur Kernkompetenz von Bissantz. Hierfür entwickelt das Unternehmen leistungsfähige Software und Analysetechnologie. Bissantz befindet sich mittlerweile an drei Standorten – Nürnberg, Hamburg, Darmstadt – und beschäftigt mehr als 120 Mitarbeiter. 2007 erhielt Dr. Bissantz den Innovationspreis der Gesellschaft für Informatik e.V.

Dr. Bissantz, Sie haben als Doktorand an der hypothesenfreien Recherche in großen, heterogenen Datenbeständen geforscht. Was kann man sich darunter vorstellen?

Die Hypothesenfreiheit erwies sich als Illusion – jede Methode birgt eine Hypothese in sich. Ebenso braucht die Heterogenität doch eine gewisse Ordnung. Davon abgesehen, haben sich Heuristiken, die den gesunden Menschenverstand mathematisch abbilden, auf faszinierende Weise bewährt. Ein Beispiel ist die Suche nach Abweichungsursachen: Die Maschine kann durch schiere Rechenleistung auch Sackgassen prüfen. Sie zeigt dem Menschen dann den kürzesten Weg zum Wer und Wo. Mit seinem Hintergrundwissen erkennt der Mensch darin dann das Warum.

Ihr Unternehmen ist eine Ausgründung der FAU. In wieweit hat der Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik I zur Gründung beigetragen?

Zentrale Erkenntnisse, die uns bis heute voranbringen, und wichtige Methoden sind am Lehrstuhl entstanden. Es wollte sie nur damals keiner aus der IT-Szene haben. Deswegen ist die Ausgründung eine Art Trotzreaktion gewesen. Zudem war ich der erste Teilnehmer des Flügge-Programms. Ich behielt eine Weile ein halbe Stelle am Lehrstuhl, während ich den Rest der Zeit schon am eigenen Unternehmen werkelte. Die moralische Unterstützung übertraf den monetären Wert der Besoldung um ein Vielfaches. Wenigstens die Miete sicher bezahlen zu können, beruhigte mich ungemein. Für die Gründung mussten damals zunächst 20.000 D-Mark reichen.

Das Erfolgsprodukt von Bissantz & Company GmbH ist die sogenannte “Business-Intelligence-Software DeltaMaster 6”. Wo wird die Software eingesetzt und wie funktioniert sie?

Wir docken uns typischerweise an große und meist heterogene Unternehmensdatenbanken an, sogenannte ERP-Systeme. In Nachtläufen werden entscheidungsrelevante Daten geladen, strukturiert und aufbereitet. Daraus generiert DeltaMaster methodisch durchdachte Berichte, die den Anwendern Signale geben, wo sie tiefer „bohren“ müssen. Diese Bohrungen erfolgen mit den Automatismen, die an der FAU entstanden sind und die wir über 20 Jahre verfeinert haben. Das ist für jedes größere Unternehmen wichtig, ob im Mittelstand oder den Großkonzernen. Unser DeltaMaster ist beispielsweise bei ABUS, Datev, Leica, Porsche, Schwartau und Siemens im Einsatz.

Sie sind nach wie vor eng mit der FAU verbunden, zum Beispiel in dem Sie Gastvorträge halten. Was bedeutet Ihnen dieses Engagement?

Sehr viel. Mit einer Ausgründung aus einer deutschen universitären Einrichtung ohne Fremdkapital den VC-Start-ups und IT-Riesen 20 Jahre Paroli bieten zu können, ist für mich ein wunderbarer Beweis dafür, dass gründliches Nachdenken mit Geld nicht zu schlagen ist. Für einen wirtschaftsliberalen Datenphilosophen wie mich geht damit täglich aufs Neue ein Traum in Erfüllung.

Gibt es etwas aus Ihrer Studienzeit, woran Sie sich besonders gerne erinnern?

Wie wahrscheinlich alle Studenten dieser Welt genossen wir Rituale, die es bis heute so in Nürnberg gibt. In der Mensa saß man im Sommer im Freien. Abends bekam man für studentisches Budget Souvlaki beim „Graf Moltke“. An der Uni gefiel mir, dass wenigstens in Marketing und Wirtschaftsinformatik durch Eingangsvoraussetzungen der Ehrgeiz angestachelt wurde. Der H4 mit über 1.000 Studenten war mir ein Graus.

Haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen Kommilitoninnen und Kommilitonen?

Einige von ihnen bilden das Rückgrat unseres Unternehmens. Mit anderen miete ich einmal im Jahr ein Haus am Mittelmeer. Andere findet man in den sozialen Medien wieder. Mit manchen steht man in Geschäftskontakt.

Dieselbe Alma Mater verbindet stärker, als einem bewusst ist

Aber die Deutschen sind streng miteinander. Wer sich von früher kennt, beäugt sich zunächst misstrauisch, bevor man empfiehlt oder gar bestellt. Das ist manchmal kühl, macht aber das Land so wettbewerbsfähig. Wenn ich einen Kommilitonen überzeugen kann, kann ich alle anderen auch überzeugen.

Was ist für Sie das besondere an der FAU?

Nürnberg hat im Mittelalter die Idee hervorgebracht, dass Schüler von Meistern lernen. Das gibt es in anderen Ländern bis heute so nicht. Am Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik I von Prof. Mertens hieß man scherzhaft Zauberlehrling. Im Nachhinein meine ich, diese Idee in seiner modernisierten Form erlebt zu haben. Man sagt, dass Meisterschaft ab 10.000 Stunden Beschäftigung mit einem Thema beginnt. „Work-Life-Balance“ wirkt gegen solche Ideale hüftsteif. Jedenfalls habe ich an der FAU den Wert beharrlicher Arbeit zu schätzen gelernt. An der FAU durfte ich lange Jahre ein tiefes Loch bohren. In unserer absurd fahrigen Arbeitswelt kann man solchen Luxus gar nicht hoch genug bemessen.

Interview: Christina Dworak (März 2017)