Mit Hilfe des Geodatenzentrums die Welt besser verstehen

Prof. Dr. Georg Glasze
Prof. Dr. Georg Glasze, Lehrstuhlinhaber für Kulturgeographie an der FAU. (Bild: FAU/David Hartfiel)

Teil 6 der Serie über Kooperationen der FAU mit Unternehmen

Die Wissenschaftler an der FAU arbeiten in ihren Projekten nicht nur mit anderen Forschern weltweit zusammen, sondern auch mit Unternehmen. Im sechsten Teil unserer Serie sprechen Prof. Dr. Georg Glasze, Lehrstuhlinhaber für Kulturgeographie, und Konstantin Böhm, Geschäftsführer der Ancud IT Beratung GmbH, über ihr gemeinsames Projekt – das im Mai 2017 eröffnete Geodatenzentrum.

Prof. Dr. Glasze, worum geht es in dem Projekt?

Glasze: Im Kontext neuer sozio-technischer Praktiken im Internet und den sozialen Netzwerken entstehen immer mehr digitale Daten, die mit einer geographischen Referenz versehen sind, sogenannte Geodaten. Die Verarbeitung und Nutzung dieser Geodaten hält Einzug in viele gesellschaftliche Bereiche wie Kartographie, Navigation, Geomarketing, Katastrophenhilfe oder Naturschutz und transformiert, was wir über die Welt wissen und wie wir in der Welt agieren. Am Lehrstuhl für Kulturgeographie der FAU interessieren wir uns in verschiedenen Forschungsprojekten dafür, wie mit Hilfe dieser Geodaten Wissen und Vorstellungen über die Welt hergestellt und verbreitet werden und wie diese Vorstellungen wiederum beeinflussen, wie wir in der Welt agieren. Mit der Digitalisierung verändern sich Akteure, Praktiken, Strukturen, Inhalte, Umfang und Verbreitung dieses geographischen Wissens grundlegend. Wir untersuchen einerseits die Selektivität der Geodaten, das heißt wir gehen der Frage nach, wer welche Daten und zu welchen Orten beiträgt und ob es dabei eventuell zu Ungleichheiten ergeben. Anderseits betrachten wir, wie in den sozialen Medien das Image bestimmter Orte geprägt wird und auch, wie soziale Medien in verschiedenen Orten unterschiedlich genutzt werden. Vor diesem Hintergrund möchten wir am Institut für Geographie der FAU in Erlangen eine Datenbankinfrastruktur aufbauen, welche frei verfügbare Geodaten aus Online-Kartographieprojekten wie beispielsweise OpenStreetMap und georeferenzierbare Daten aus sozialen Medien wie Twitter sammelt, aufbereitet und für Forschung und Lehre an der FAU zur Verfügung stellt.

Warum eine Kooperation mit der Ancud IT Beratung GmbH?

Glasze: In der Sozial- und Kulturgeographie dominieren seit den 1970er Jahren qualitativ-verstehende Methoden. Um die methodisch-technischen Kompetenzen für die Analyse großer Datenmengen in der Sozial- und Kulturgeographie weiter zu entwickeln ist daher neben dem Austausch mit der Geoinformatik und der Informatik für uns auch der Kontakt zu einem IT-Unternehmen von einem hohen praktischen Nutzen. Die Ancud IT Beratung GmbH verfügt über vertiefte Kompetenzen im Bereich Datenbankmanagementsystemen und hat gleichzeitig Interesse an Geodaten – für uns also der ideale Partner.

Zu der Kooperation kam es…

Glasze: Die Kooperation ist ein Erfolg der Alumni-Arbeit. Konstantin Böhm ist Alumnus der Erlanger Geographie und dem Institut seitdem verbunden. Über den Alumni-Austausch waren wir schon länger in Kontakt und haben auf diese Weise das gemeinsame Interesse an Geodaten entdeckt.

Herr Böhm, warum eine Kooperation mit der FAU?

Konstantin Böhm
Konstantin Böhm, Geschäftsführer der Ancud IT Beratung GmbH. (Bild: Ancud It Beratung GmbH)

Böhm: Als Alumni lag es nahe, hier mit der FAU zusammenzuarbeiten. Die Metropolregion bietet ein hervorragendes Umfeld für digitale Innovationen. Das Internet der Dinge erfordert Raumbezug und Umgebungsintelligenz. Hier bieten die Geographen Konzepte und Kompetenzen.

Prof. Dr. Glasze, wie sind die Aufgaben verteilt?

Glasze: Die Datenbank wird am Institut für Geographie aufgebaut. Die Unterstützung durch die Ancud IT Beratung GmbH ermöglicht es uns zum einen, dass wir einen zusätzlichen wissenschaftlichen Mitarbeiter einstellen können, der sich an einem Tag der Woche um die Weiterentwicklung der Datenbank kümmert. Zum anderen nutzen wir in Einzelfällen auch die technische Kompetenz im Unternehmen für Fragen der Datenbankentwicklung aber auch zur Analyse großer Datenmengen. Obwohl wir öffentliche verfügbare Daten sammeln und aufbereiten, verbleiben die Daten ausschließlich für Forschung und Lehre an der Universität – hier trennen wir also im Sinne des Datenschutzes ganz klar zwischen Universität und Unternehmen.

Welche Besonderheiten birgt die Zusammenarbeit mit einem mittelständischen Unternehmen?

Glasze: Bei der Ancud IT Beratung GmbH mit circa 70 Mitarbeitern hat sich eine Startup-Mentalität und Innovationskultur entwickelt, die in größeren Unternehmen so vielfach nicht vorhanden ist. Bei Ancud IT finden wir die Flexibilität, neue Möglichkeiten einfach auszuprobieren. Das kommt dem Forschungsaspekt entgegen.

Was ist das Besondere bei einer Zusammenarbeit mit einer Universität?

Böhm: Universitäten sind Orte der Forschung und Lehre. Wir finden dort interessierte Partner für neue Wege in der Digitalisierung und junge Menschen, die mit einem soliden Werteverständnis und doch unvoreingenommen die digitale Zukunft gestalten wollen. Gerade Geographen stellen  Fragen zu sozioökonomischen und raumprägenden Auswirkungen der Digitalisierung. Dies sind wertvolle Erkenntnisse, aus denen sich Ansätze für praktikable digitale Geschäftsstrategien ziehen lassen. Wie lässt sich die Digitalisierung mensch- und umweltverträglich gestalten? Wo liegen Chancen, wo Gefahren? Wir wissen, dass die Digitalisierung unsere Gesellschaft und zum Beispiel unsere Städte ähnlich verändern wird, wie das Automobil. Ein möglichst genaues Bild dieses Wandels hilft uns und unseren Kunden, Antworten zu geben und neue Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln. Wir wollen daher gerade dort in diesem Umfeld digitale Kompetenz fördern.

Vielen Dank für das Interview, Prof. Dr. Glasze und Herr Böhm.

Weitere Interviews zu Unternehmenskooperationen an der FAU finden sich hier.