Brücke in eine vergangene Welt

Papsturkunde (Bild: Klaus Herbers)
Papsturkunde (Bild: Klaus Herbers)

Klaus Herbers ist Mittelalterhistoriker an der FAU und sucht in Originalurkunden nach Spuren früherer Zeiten 

Andere Menschen gehen in Paris, Rom und Madrid auf Sightseeingtour, Prof. Dr. Klaus Herbers besucht dort Archive und begibt sich auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Denn er ist Mittelalterhistoriker an der FAU und forscht neben mittelalterlichen Vorstellungen über Heiliges und Schicksal zu päpstlichen Schreiben, insbesondere den Papsturkunden. Weil von diesen aber heute nur noch ein Bruchteil erhalten ist und das nicht immer in gedruckter oder in nur fehlerhafter Form, muss Herbers in Archiven die Originalstücke anschauen.

Dafür reist der Forscher durch ganz Europa. Früher musste er vor allem in die großen Zentren wie Paris, Rom oder Madrid. Doch gerade die großen Sammlungen haben mittlerweile umfangreiche Onlinebestände. Stattdessen suchen die Historiker nun eher kleinere, oft kirchliche Archive auf, wo die Welt still zu stehen scheint. Anhand der originalen Schriftstücke will der Historiker immer wieder Neues über die damalige Welt erfahren. Die Handschriften sind für ihn eine Brücke in die Vergangenheit, denn an diesem Schriftstück saß vor vielen hundert Jahren ein Schreiber und hielt fest, was der Papst befahl.

Prof. Klaus Herbers (Bild: Iannicelli)
Prof. Klaus Herbers (Bild: Iannicelli)

Bereits zu Hause überlegt sich der Historiker, welche Manuskripte er weshalb sehen will. Sobald das vergilbte Pergament dann auf dem Schreibtisch liegt, zückt Herbers die Lupe. Mit Handschuhen dreht und wendet er die Urkunde, vermisst die Schriftzeichen, sucht den Rand genauestens nach etwaigen Notizen des Schreibers ab. Während einer Archivreise nach Spanien im Mai sichteten Herbers, sein Mitarbeiter Thorsten Schlauwitz und die studentische Hilfskraft Jessica
Breunig innerhalb einer Woche etwa 60 Urkunden. Als sie eine der Handschriften ins Gegenlicht hielten, erkannten sie plötzlich die vermeintlich ausradierte Schrift wieder. Die Früchte der mühevollen Archivarbeiten gilt es dann zuhause auszuwerten: So werden zum Beispiel die Aufzeichnungen abgetippt und kommentiert oder Datenbanken mit Informationen gefüllt.

Flatternde Tauben

Trinken und Essen ist in den Archiven nicht  erlaubt, schreiben dürfen die Forscher nur mit Bleistift. In Venedig kann es schon einmal passieren, dass Tauben durch das Archiv fliegen und in den Räumen in Santiago de Compostela ist es selbst im spanischen Hochsommer so kalt, dass der einzige mitgebrachte Pullover am Ende durchgewetzte Ellbogen haben kann.

Ein Highlight liegt für Herbers im Zentrum der päpstlichen Macht: dem vatikanischen Geheimarchiv und der Bibliothek. „Das ist etwas Besonderes, wenn Besucher extra eine Zugangsberechtigung benötigen und dann einen Staat betreten, der eigentlich der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist“, berichtet er mit leuchtenden Augen.

Einsamkeit ist in den großen Archiven kaum zu finden. Die gibt es eher in den kleineren, wo der Besucher oft in vollkommener Stille hinter dicken, kühlen Klostermauern an den Handschriften forscht – wie in einer eigenen Welt. Da kann es auch mal passieren, dass der Archivar den Historiker vergisst und dieser die Nacht umgeben von den Zeugnissen vergangener Jahrhunderte verbringen muss, wie Herbers von einem befreundeten Kollegen weiß. Ob dies nun der Traum oder Albtraum eines Historikers ist, bleibt dahingestellt.

Das FAU-Magazin alexander

Cover alexander 105

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Dieser Text erschien im alexander (Ausgabe 105) – dem Magazin rund um alles, was an der FAU gerade aktuell ist.

Die Ausgabe 105 hat unter anderem folgende Themen: das Schlossgartenfest in Bildern, Beschäftigte berichten über ihre Lange Nacht der Wissenschaften, Spitzensportler erzählen aus ihrem Alltag zwischen Uni und Sport, die sechs neuen Projekte der Emerging Fields Initiative werden vorgestellt und Unibund-Vorsitzender Siegfried Balleis erklärt im Interview die Geschichte, Aufgaben und Ziele des Vereins.

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