„Der Qualitätsstandard an Grundschulen wird sinken“

Symbolbild zum Artikel. Der Link öffnet das Bild in einer großen Anzeige.
Prof. Dr. Sabine Martschinke, Inhaberin des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). (Bild: Julia Martschinke)

FAU-Grundschulpädagogin Prof. Dr. Sabine Martschinke über Quer- und Seiteneinsteiger

Die Kommission für Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe der DGfE (Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft) hat in einem offenen Brief die Lehrsituation an deutschen Grundschulen kritisiert: Der übermäßige Einsatz von Quer- und Seiteneinsteigern im Lehrberuf bedrohe die Ausbildung von Grundschülern. Prof. Dr. Sabine Martschinke, Vorstandsmitglied der Kommission und Inhaberin des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik und -didaktik an der FAU, erklärt im Interview die Hintergründe.

Prof. Martschinke, Quer- und Seiteneinsteiger können bereits seit Längerem in den Lehrerberuf eintreten ohne Lehramt studiert oder ein Referendariat absolviert haben zu müssen. Warum sprechen Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen sich jetzt gegen diese Praxis aus?

Quer- und Seiteneinsteiger für den Schuldienst zu rekrutieren, war als vorübergehende Maßnahme gedacht, um schnell und unkompliziert unbesetzte Lehrerstellen zu füllen. In den vergangenen Jahren ist diese Praxis jedoch zum Normalzustand geworden. Inzwischen werden sehr viele Personen in den Schuldienst übernommen, die über keine fachlichen, didaktischen oder pädagogischen Qualifikationen verfügen. Quer- und Seiteneinsteiger werden von den Ländern sogar dauerhaft übernommen und verbeamtet. Besonders besorgniserregend für uns ist, dass diese Praxis für Grundschulen vermehrt angewendet wird, weil dort der Lehrkräftemangel extrem und daher der Bedarf an Personal entsprechend hoch ist.

Was sind Ihre Befürchtungen?

Kurz gesagt: Dass die Qualitätsstandards in Grundschulen sinken und die Schülerinnen und Schüler schlechtere Leistungen erzielen. Durch das nicht absolvierte Lehramtsstudium fehlt den Quer- und Seiteneinsteigern die berufliche Qualifikation, die insbesondere für die Grundschule von enormer Bedeutung ist. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Grundschullehrkräfte fundiert fachwissenschaftliche und fachdidaktische, aber auch grundschulpädagogische  und -didaktische Kompetenzen in den relevanten Fächern benötigen, um den Schülerinnen und Schülern erfolgreich Wissen zu vermitteln. Besonders schwerwiegend ist die Tatsache, dass die Grundschule das Fundament für den weiteren Erfolg in der Schule legt: Hier werden den Schülerinnen und Schülern Lernkompetenzen und Kulturtechniken vermittelt. Fehlt ihnen diese Basis, werden sie ihre gesamte Schullaufbahn hinterherhinken.

Ohne Quer- und Seiteneinsteiger wäre aber der Lehrermangel extrem. Was sind ihre Lösungsvorschläge für die momentane Problematik?

Wenn schon auf Quer- und Seiteneinsteiger zurückgegriffen wird, fordern wir dafür zum einen die Etablierung einer fundierten Nachqualifizierung, die die Inhalte eines Lehramtsstudiums vermittelt. Zum anderen wäre es aber unseres Erachtens genauso wichtig – und sinnvoller –, den Ausbau von Studienplätzen für das Grundschullehramt auszubauen, um zukünftig den Bedarf an grundständig ausgebildeten Lehrkräften sicherstellen zu können.

Die Stellungnahme der Kommission für Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe der DGfE ist auf der Webseite der Gesellschaft zu finden.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Sabine Martschinke
Tel.: 0911/5302-532
sabine.martschinke@fau.de