Kinder konsumieren mehr Fast Food und bewegen sich immer weniger

Portraitfoto Karim Abu-Omar
PD Dr. Karim Abu-Omar forscht am Department für Sportwissenschaften und Sport. Er ist auch an JANPA beteiligt. (Bild: FAU/Astrid M. Huebner)

Forschung und Politik erarbeiten gemeinsame Strategien gegen Übergewicht bei jungen Menschen

Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung führen zu immer mehr übergewichtigen Kindern. Laut WHO trifft dies mittlerweile auf etwa ein Drittel aller Kinder zwischen sechs und neun Jahren zu. Obwohl seit Langem bekannt, sind diese Probleme nicht ohne weiteres zu lösen. Hier sind Politik und Forschung gleichermaßen gefragt. Forscher aus fast allen Mitgliedsstaaten der EU, darunter auch Sportwissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), haben sich deshalb mit Europapolitikern in der aus EU-Mitteln geförderten Joint Action on Nutrition and Physical Activity (JANPA) zusammengetan, um im Kampf gegen Übergewicht neue Strategien zu entwickeln und die Einzelanstrengungen der Mitgliedsländer zu harmonisieren. Wir haben bei PD Dr. Karim Abu-Omar nachgefragt, welche Probleme es in der Ernährung und der Freizeitgestaltung von Kindern gibt und vor welchen Herausforderungen Politik und Forschung stehen. Dr. Abu-Omar lehrt und forscht am Department für Sportwissenschaften und Sport der FAU.

Wie steht es um die körperliche Gesundheit junger Menschen in Europa?

Eines der größten gesundheitlichen Probleme junger Menschen in Europa ist der in den letzten Jahren gestiegene Anteil von Übergewicht und Adipositas: Die Weltgesundheitsorganisation geht beispielsweise davon aus, dass ein Drittel der Kinder im Alter von sechs bis neun Jahren übergewichtig oder adipös sind. Dies bedeutet für den Einzelnen, dass das Risiko für verschiedene Krankheiten wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 oder bestimmte Krebsarten ansteigt. Für die Gesellschaft bedeutet dies in Zukunft steigende Kosten zur Behandlung chronischer Erkrankungen, wenn diese jungen Menschen erwachsen werden. Bereits jetzt werden in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union etwa sieben Prozent der nationalen Gesundheitsbudgets in die Behandlung chronischer Erkrankungen, die auf Übergewicht zurückzuführen sind, investiert.

Womit hängt die zunehmende Adipositas junger Menschen zusammen?

Adipositas wird insbesondere von Ernährung und Bewegung beeinflusst: Junge Menschen konsumieren mehr Fast Food und zuckerhaltige Getränke, verarbeitete Lebensmittel sind leichter verfügbar und Bewegung spielt eine immer geringere Rolle im Alltag. Aktuelle Zahlen zeigen, dass sich 75 Prozent der Jungen und 85 Prozent der Mädchen weniger als eine Stunde am Tag bewegen – dies ist die Zeit, die von der Weltgesundheitsorganisation für diese Altersgruppe empfohlen wird. In der Public Health spricht man in diesem Zusammenhang von einer das Übergewicht fördernden Umwelt, die auf den Einzelnen wirkt und ungesunde Lebens- und Verhaltensweisen fördert.

Was ist das Anliegen von JANPA?

JANPA – die Joint Action on Nutrition and Physical Activity – will einen Beitrag dazu leisten, den Anstieg von Übergewicht und Adipositas in der Europäischen Union bis zum Jahr 2020 aufzuhalten. Aus diesem Grund haben sich 26 Länder – 25 der 28 EU-Mitgliedsstaaten sowie Norwegen – zusammengeschlossen. Grundsätzlich soll auf diese Weise eine Harmonisierung der Strategien zur Bekämpfung von Übergewicht bei jungen Menschen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten geleistet werden. Dabei ist es ein besonderes Anliegen von JANPA, auch gezielt Ansätze der Verhältnisprävention – also der Schaffung gesundheitsfördernder Lebenswelten – zu identifizieren, die in den EU-Mitgliedssaaten Anwendung finden können.

Was war der Beitrag der FAU bei diesem Projekt?

Im Arbeitspaket der FAU stand die Schaffung gesunder Lebenswelten in Kindergärten und Schulen im Mittelpunkt. Zum einen wurde eine Toolbox mit zahlreichen Beispielen guter Praxis aus 16 europäischen Ländern erstellt, die länderübergreifendes Lernen von erfolgreichen Maßnahmen und politischen Regelungen ermöglicht und online verfügbar ist. Zum anderen haben wir eine Online-Befragung mit politischen Entscheidungsträgern und relevanten Stakeholdern konzipiert und durchgeführt. Mit 187 Befragten aus zwölf europäischen Ländern ist dies aktuell eine der größeren Umfragen unter politischen Entscheidungsträgern, die wichtige Einschätzungen zur Wahrnehmung zentraler Akteure in der Übergewichtsprävention von Kindern und Jugendlichen liefert.

Wir als Department für Sportwissenschaft und Sport haben es in diesem Projekt als unsere Aufgabe gesehen, unsere Erfahrungen in der Verhältnisprävention und der damit einhergehenden Forschung an der Schnittstelle zwischen den Gesundheits- und Sozialwissenschaften in das Projekt einzubringen. Darüber hinaus konnten wir das Projekt mit unserem Expertenwissen im Bereich der Bewegungsförderung unterstützen. Da wir erst vor kurzem – erstmals in Deutschland – nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung veröffentlicht haben, konnten wir ein eigenständiges Profil in JANPA einbringen. Viele der anderen beteiligten Organisationen waren eher in den Ernährungs- und Gesundheitswissenschaften verortet.

Was soll künftig für die Prävention von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen getan werden?

Die Ergebnisse der Online-Befragung zeigen, dass bewegungsfreundliche Umgebungen und die Unterstützung der Eltern für politische Entscheidungsträger die oberste Priorität für die Bekämpfung von Übergewicht haben. Auf der anderen Seite wurden kommerzielles Marketing für ungesunde Lebensmittel und fehlende Fördermöglichkeiten von den politischen Entscheidungsträgern als bedeutende Barrieren angesehen. Bei der JANPA-Abschlusskonferenz in Paris, an der auch der EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis teilgenommen hat, wurde deutlich, dass auf europäischer Ebene das Commitment hoch ist, die Prävention von Kinderübergewicht aktiv zu unterstützen. Um Fortschritte zu machen muss allerdings auch sichergestellt werden, dass Organisationen, die im Bereich der Gesundheitsförderung aktiv sind, auf lokaler und regionaler Ebene ausreichend Personal und finanzielle Ressourcen für ihre Arbeit besitzen.

Kontakt:

PD Dr. Karim Abu-Omar
Tel.: 09131/85-25008
karim.abu-omar@fau.de