Eine Agenda für die Pacific Alliance und ihre Beobachterstaaten

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Prof. Dr. Gian Luca Gardini, Lehrstuhl für International Business and Society Relations mit Schwerpunkt Lateinamerika, berät die Pacific Alliance und ihre Beobachterstaaten. (Bild: Fachbereich Wirtschaftswissenschaften/Kaletsch Medien)

Prof. Dr. Gian Luca Gardini, FAU-Lehrstuhl für International Business and Society Relations mit Schwerpunkt Lateinamerika, über die südamerikanische Freihandelszone Pacific Alliance

In Südamerika haben Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru mit der Pacific Alliance (PA) eine erfolgreiche Freihandelszone etabliert. Der Erfolg blieb nicht unbemerkt: 52 Staaten, darunter Deutschland, sind der PA als Beobachterstaaten beigetreten. Die Kooperation zwischen Mitglieds- und Beobachterstaaten ist aber noch vage. Eine Agenda für die zukünftige Zusammenarbeit zu erarbeiten ist das Ziel eines Konsortiums mehrerer Institutionen, bei denen Prof. Dr. Gian Luca Gardini, Lehrstuhl für International Business and Society Relations mit Schwerpunkt Lateinamerika an der FAU, federführend beteiligt ist. Im Interview erklärt er unter anderem, welche Chancen eine Kooperation Deutschlands mit der PA birgt.

Herr Prof. Gardini, welche Interessen verfolgen die Mitgliedsstaaten mit der Pacific Alliance (PA)?

Die Hauptziele der Pacific Alliance sind die regionale Integration und die Bereitstellung einer gemeinsamen politischen und wirtschaftlichen Plattform für die Mitgliedstaaten, um eine effektivere, internationale Einbindung voranzutreiben, insbesondere im Asien-Pazifik-Raum. Die Mitglieder des Bündnisses teilen eine Vorliebe für offene Wirtschaft und freien Handel, und meinen das – im Gegensatz zu anderen lateinamerikanischen Ländern – auch so. Die Schaffung einer Freihandelszone unter den Mitgliedern ist ein gutes Signal für diese offene Haltung, die den Präferenzen Deutschlands und der EU im internationalen Handel sehr nahe kommt.

Die PA ist sehr erfolgreich. Worin liegt ihr Erfolg begründet?

Wir sollten vorsichtig sein, wenn wir die Pacific Alliance bewerten, aber sie hat sicherlich großes Potenzial. Sie besteht erst seit sechs Jahren, dennoch sind die bisher erreichten Ergebnisse beeindruckend – wie beispielsweise die zuvor erwähnte Einrichtung einer Freihandelszone zwischen den Mitgliedsstaaten. Zu den weiteren Errungenschaften zählen die Schaffung einer gemeinsamen Börse, die gemeinsame Organisation von Handels- und Investitionsförderungsmaßnahmen sowie die Eröffnung gemeinsamer Botschaften und Handelsbüros. Darüber hinaus hat die Pacific Alliance die Visapflicht für ihre Bürger aufgehoben und eine gemeinsame Plattform für Studierendenaustausche aufgebaut, über die bereits hunderte von Stipendien vergeben wurden.

Welche Chancen birgt eine engere Kooperation Deutschlands mit der PA?

Die Mitgliedstaaten der PA sind schnell wachsende Märkte, die sich durch inflationsfreies Wachstum, solide Institutionen und Rechtsstaatlichkeit auszeichnen. Für Deutschland bestehen mehrere Kooperationsmöglichkeiten sowohl für den öffentlichen als auch für den privaten Sektor: So kann beispielsweise die politische Zusammenarbeit bei wichtigen Themen wie Klimawandel, grüne Wirtschaft, Schutz der Menschenrechte und Bildung gefördert werden. Und deutsche Unternehmen können Partner für Investitionen, expandierende Märkte, Rohstoffversorgung sowie die Einbringung in regionale und globale Wertschöpfungsketten finden.

Wie ist die PA in den Mitgliedsstaaten von der Bevölkerung aufgenommen worden?

Die Pacific Alliance hat eine gute Presse in den Mitgliedsstaaten und genießt die breite Unterstützung der Bevölkerung. Sie wird nicht als Gefahr für den Lebensstandard gesehen. Im Gegenteil: Das Ziel der Allianz ist es, Wohlstand zu schaffen, um die Lebensbedingungen in den Mitgliedsstaaten zu verbessern. Sozial- und Bildungsprojekte sowie die Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen, die Gleichstellung und die Digitalisierung gehören zu der Agenda der PA.

Welche Rolle spielen Sie bzw. die FAU bei den Kooperationsberatungen?

Die Pacific Alliance hat das Interesse vieler Länder auf der ganzen Welt geweckt. Gegenwärtig gibt es 52 Beobachterstaaten und 4 assoziierte Staaten. Es gibt daher ein enormes Potenzial für die Zusammenarbeit. Die vier PA-Mitglieder scheinen jedoch darauf zu warten, dass die Beobachter Vorschläge machen, während die Beobachter darauf warten, dass das Bündnis eine Agenda aufstellt. Hier kommen die FAU und die OECD ins Spiel. Wir entwerfen eine Agenda für die Zusammenarbeit zwischen der Allianz und ihren Beobachtern und assoziierten Mitgliedern. Zu diesem Zweck haben bereits zwei Veranstaltungen in Stockholm und Kopenhagen stattgefunden. Die dritte und letzte Veranstaltung wird in Berlin unter der Schirmherrschaft des Auswärtigen Amtes und der PA-Präsidentschaft stattfinden. Die FAU und die OECD werden Politiker, Diplomaten, Geschäftsleute, Beamte und Akademiker zusammenbringen, um Vorschläge für eine Zusammenarbeit im Bereich der beruflichen Bildung zu formulieren, die auf Digitalisierung, Sprachenlernen, neue Energiesysteme und neue Materialien sowie Medizintechnik ausgerichtet ist. Dies sind Stärken der FAU und des deutschen Systems insgesamt. Ziel ist es, diese Agenda auf dem nächsten Pacific Alliance-Gipfel vorzustellen, der im Juli dieses Jahres in Mexiko stattfinden wird. Dieser Workshop bietet der FAU eine einmalige Chance, sich bei internationalen und deutschen Policymakers, Diplomaten, und Vertretern der Wirtschaft zu profilieren.

Pacific Alliance Workshop: Berufliche Bildung als praktisches Werkzeug

Am 11. Juni veranstaltet die FAU von 10 bis 17 Uhr in Kooperation mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OEZD), dem European Institute of International Studies (EIIS) und der Copenhagen Business School einen Workshop zu Berufsausbildung, besonders im Bereich Digitalisierung. Experten der FAU werden zu digitaler Transformation, Sprachkompetenzen, Energiesystemen sowie Medizintechnik sprechen und Diskussionen leiten. Die Veranstaltung wird beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) im Haus der Wirtschaft, Breite Str. 29, Berlin, stattfinden.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Gian Luca Gardini
Tel.: 0911/5302-656
gian.luca.gardini@fau.de