„Der Dialog zwischen Schülern verschiedener Weltanschauungen muss gefördert werden.“

Portraitfoto Dr. Manfred Pirner
Prof. Dr. Manfred Pirner vom Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Evangelischen Religionsunterrichts (Bild: André Gellrich)

Religionspädagoge Prof. Dr. Manfred Pirner über die Zukunft des Religionsunterrichts

Mathe, Englisch, Geschichte – das sind unverzichtbare Schulfächer. Doch wie sieht es mit Religion aus? Eine repräsentative Umfrage von EMNID im Auftrag der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern wies eine hohe Zustimmung für den Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach in Bayern auf. Dennoch ist dieses im Vergleich zu anderen Fächern nicht besonders beliebt. Prof. Dr. Manfred Pirner vom Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Evangelischen Religionsunterrichts der FAU hat die Umfrage angeregt und kürzlich ein Expertengespräch an der FAU dazu durchgeführt. Im Interview mit FAU aktuell erklärt er, wie die Umfrageergebnisse gedeutet werden können und wie der Religionsunterricht zukünftig gestaltet werden sollte.

Prof. Pirner, insbesondere in Bayern trifft der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen auf viel Zustimmung. Womit hängt das zusammen?

Wir haben in Bayern noch relativ viele Menschen, denen Religion wichtig ist. Das zeigt sich auch in allgemeinen Bevölkerungsumfragen. Wenn insgesamt 65 Prozent der Bevölkerung, 80 Prozent der Evangelischen und 70 Prozent der Katholischen, hinter dem Religionsunterricht stehen, ist das schon ein guter Rückhalt. Aber bedenklich ist aus meiner Sicht, dass die weniger oder gar nicht Religiösen dem Religionsunterricht skeptischer gegenüberstehen. Dabei will religiöse Bildung ein Angebot für alle sein! Wir müssen daran arbeiten, Religionsunterricht auch für Nichtreligiöse noch attraktiver und plausibler zu machen. Die gegenwärtige gesellschaftliche Diskussion zeigt deutlich, dass wir heute mehr denn je gebildete Religion, aber auch religiös gebildete Säkularität brauchen.

Weshalb ist der Religionsunterricht im Vergleich zu anderen Unterrichtsfächern dennoch eher unbeliebt?

Teilweise liegt es sicher daran, dass viele der Befragten schon vor über 30 Jahren in die Schule gegangen sind, als der Religionsunterricht noch nicht die Qualität von heute hatte. Trotzdem ist es für uns wichtig, dieser Frage durch weitere Forschung nachzugehen und dann eine Verbesserung des Religionsunterrichts und seines Images zu erreichen.

Welche Inhalte gehören zu einem qualitativ hochwertigen Religionsunterricht?

Im Religionsunterricht geht es wie in kaum einem anderen Fach um die Schülerinnen und Schüler, um ihre Lebensfragen, um zentrale Grundfragen des Menschseins wie die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Woher und Wohin unseres Daseins, und um ethische Fragen wie den lebensförderlichen Umgang mit digitalen Medien. Insofern stehen die Schüler im Zentrum eines guten Religionsunterrichts. Und es geht um eine grundlegende Art der Weltbegegnung, die ihnen erschlossen werden soll: Wir kennen kaum eine menschliche Kultur, in der nicht so etwas wie Religion eine Rolle spielt oder gespielt hat. Auch unsere eigene Kultur kann man ohne religiöse Bildung nicht verstehen. Guter Religionsunterricht fördert ein solches Verstehen und ermöglicht Orientierung im Pluralismus der Religionen und Weltanschauungen.

Sollte in Zeiten von starken Migrationsbewegungen nicht eher ein Religionsunterricht, der alle Religionen gleichrangig behandelt, eingeführt werden, statt des klassischen evangelischen und katholischen Religionsunterrichts? Wäre das realisierbar?

Gerade das Beispiel von muslimischen Migranten zeigt, dass ein spezifischer – in diesem Fall: islamischer – Religionsunterricht guten Sinn machen kann. Wenn ein Lehrer Islamunterricht erteilt, der selbst Muslim ist, kann er in anderer Weise zur Integration der Kinder und Jugendlichen beitragen, als wenn ein säkularer oder christlicher Religionslehrer den Islam neben zehn anderen Religionen auch einmal „behandelt“. Er kann die religiösen Fragen der Schüler kompetent und glaubwürdig diskutieren und zeigen, dass sich auch aus dem Koran und der islamischen Theologie heraus Menschenrechte und gemeinsame demokratische Werte begründen lassen. Ähnliches gilt für die christlichen Konfessionen und andere Religionen. Allerdings wird es eine zunehmend wichtigere Aufgabe sein, an den Schulen auch den Dialog zwischen Schülern verschiedener Religionen und Weltanschauungen noch besser zu fördern. Deshalb wird gegenwärtig eine stärkere Kooperation zwischen den verschiedenen Formen von Religionsunterricht sowie mit dem Ethikunterricht angestrebt. Ein Religionsunterricht für alle wäre schon deshalb im Moment nicht möglich, weil im Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung – aus gutem Grund – festgelegt ist, dass der Religionsunterricht „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ erteilt werden soll.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Manfred Pirner
Tel.: 0911/5302-548
manfred.pirner@fau.de