Datenbanken in den Digital Humanities – zwei Beispiele

Forscher mit Münze vor Bildschirm
Archäologe Andreas Murgan braucht für die Aufnahme einer Münze in die Datenbank normalerweise 90 Minuten. (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Artefakte fundiert sortiert

Andreas Murgan ist Spezialist für Numismatik an der FAU und beschäftigt sich wissenschaftlich mit Münzen und ihrer Geschichte. Er hat viel zu tun, denn mehr als 30.000 antike Münzen lagern in der Antikensammlung und in den Tresoren der Universitätsbibliothek – das ist eine der umfangreichsten Münzsammlungen an Universitäten im deutschsprachigen Raum. Seit drei Jahren erfasst der 34-jährige Archäologe zusammen mit dem Projektleiter und Kustos der Sammlung, Dr. Martin Boss, und weiteren Kollegen den umfangreichen Münzbestand in der eigens dafür eingeführten digitalen Datenbank NumFAU. Rund 200 Münzen haben sie schon eingepflegt, und Tag für Tag kommen neue Objekte dazu.

„Pro Münze brauchen wir im besten Fall – zum Beispiel bei einer römischen Standardmünze – eineinhalb Stunden“, erläutert Murgan. „Zuerst fotografieren wir die Münze, dann bestimmen wir sie und werten sie wissenschaftlich aus, und schließlich folgt die Qualitätskontrolle.“ Bei einer besonderen Münze kann das auch mal einen ganzen Tag in Anspruch nehmen. Doch das Team ist mit großer Leidenschaft bei der Sache, einige Studierende engagieren sich sogar ehrenamtlich. Sie alle sehen es als ihre Verpflichtung an, Münzen als kulturelles Erbe der Menschheit sichtbar zu machen.

Forschung verbessern

Auch zwei Häuser weiter – im Department Germanistik und Komparatistik – nutzen Prof. Dr. Florian Kragl und Dr. Sonja Glauch die Vorteile einer Datenbank. „Die Werke mittelalterlicher Lyriker wie Walther von der Vogelweide gibt es meist nur in veralteten und vergriffenen Ausgaben. Sie sind weit verstreut und häufig in einer Weise wiedergegeben, die ihren poetischen Charakter stark verzerrt“, bedauert Projektleiter Florian Kragl, Professor für Ältere Deutsche Literatur an der FAU. „Mit den bisherigen Editionen lässt sich kaum noch vernünftig arbeiten.“

Screenshot der Datenbank "Lyrik des deutschen Mittelalters"
Eine Datenbank für mittelalterliche Lyrik: Aktuell enthält sie 722 Strophen aus 29 Handschriften. (Bild: FAU/Sonja Glauch)

Im Jahr 2010 beschlossen Kragl und seine Kollegin Glauch deshalb, die Forschung zu und die Arbeit mit den Texten der Minnesänger zu verbessern. In Prof. Dr. Manuel Braun vom Institut für Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart gewannen sie einen Mitstreiter und arbeiten nun gemeinsam daran, sämtliche deutschsprachige Minnelyrik des Hochmittelalters zu editieren, in einer Datenbank zu sammeln und kostenlos zugänglich zu machen. Aktuell enthält die öffentlich zugängliche Datenbank 722 Strophen aus 29 Handschriften. „Insgesamt gibt es rund 9.000 Strophen mittelalterlicher Minne – und darüber hinaus natürlich auch andere Lyrik“, weiß Prof. Kragl und fügt hinzu: „Im Idealfall sind wir in sieben bis acht Jahren fertig.“

Gefördert wird das Langfristvorhaben – nach einer zweijährigen Pilotphase – von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Datenbank im Bereich der Numismatik ist seit November 2016 Teil des „eHeritage“-Förderprogramms, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) aufgelegt wurde.

Die Förderer haben den großen Nutzen von Datenbanken in den Geisteswissenschaften erkannt. Denn Universitäten, Museen, Archive und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen verfügen zwar über einen reichhaltigen Schatz wissenschaftlich bedeutsamer Objekte, doch ein Großteil lagert in örtlich weit verstreuten Depots und ist für die Forschung nicht zugänglich. Sind die Objekte dagegen digitalisiert, wird die Bearbeitung so mancher Forschungsfrage möglich, die ohne die entsprechende digitale Basis nicht zu realisieren wäre.

Der Numismatiker Andreas Murgan kann zum Beispiel durch verschiedene digitale bildgebende Verfahren Rückschlüsse zu den handwerklichen Herstellungsprozessen der Münzen ziehen, oder durch statistische Auswertungen großer Daten neue Forschungsansätze finden: „In einem Jahrhundert ging das Gewicht der Münze plötzlich nach oben, im nächsten Jahrhundert wieder nach unten“, sagt der Wissenschaftler und stellt sich die Frage: „Was ist da passiert?“

Die Literaturwissenschaftler Kragl und Glauch sind indessen stolz darauf, dass ihre elektronische Edition erstmals die von der Forschung seit längerem entschieden eingeforderte Überlieferungsnähe ermöglicht. „Die Datenbank bringt unser Fach erheblich voran, weil wir nun die Vielgestaltigkeit der Überlieferung viel besser erkennen“, erklärt Prof. Kragl. Und Dr. Sonja Glauch ergänzt: „Wir sind viel genauer an den Handschriften dran, an der mittelalterlichen Art, diese aufzuschreiben.“

Öffentliche Verfügbarkeit

Davon profitiert auch die interessierte Öffentlichkeit. Sowohl die Minnelieder und Sangsprüche des Hochmittelalters, als auch die Münzen der FAU sind online öffentlich verfügbar und leicht zugänglich. Wer sich also für die Objekte oder Texte interessiert, kann die beiden Datenbanken durchsuchen und selbst Lieder vergleichen oder im digitalen Münzkabinett an eine Münze so nah heranzoomen, dass jedes einzelne Blatt im Lorbeerkranz des abgebildeten Kaisers genau zu erkennen ist.

Zu den beiden Datenbanken:

Minnesang: www.ldm-digital.de
Antike Münzen: www.numid.phil.fau.de

An der FAU gibt es zudem ein gefördertes Verbundprojekt zur Digitalisierung von Universitätssammlungen. Mehr dazu unter: http://objekte-im-netz.fau.de


Das FAU-Magazin alexander

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Dieser Text erschien zuerst in unserem Magazin alexander. Weitere Themen der Ausgabe: 50 Jahre RRZE, Datenbanken in den Geisteswissenschaften, die Digital Tech Academy und der Elitestudiengang „Standards of Decision-Making Across Cultures“.

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