Eine App für die Zeit nach dem Entzug

Ein Mann hält eine Flasche in der einen Hand und seinen Kopf in der anderen Hand.
In den Monaten nach dem Entzug ist das Risiko für einen Rückfall besonders hoch. (Bild: Colourbox)

Appbasiertes FAU-Projekt wird mit 2,4 Millionen Euro gefördert

Alkoholabhängigkeit ist eine der häufigsten psychischen Störungen weltweit. Sie hat sowohl für Patientinnen und Patienten als auch ihre Angehörigen gravierende Folgen. Ein häufiges Kennzeichen der Krankheit ist ihr chronischer Verlauf – gerade in den Monaten nach einem Entzug liegt das Risiko für einen Rückfall besonders hoch. Psychologinnen und Psychologen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) wollen Betroffene nach einem Klinikaufenthalt mit einer Kombination aus App und Telefoncoaching helfen, passende Angebote und Maßnahmen zu finden, um dauerhaft abstinent zu bleiben. Das Projekt SmartAssistEntz wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss, dem höchsten Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, mit rund 2,4 Millionen Euro gefördert.

Obwohl das deutsche Gesundheitssystem viele Angebote für Betroffene bereithält, nimmt nur ein vergleichsweise geringer Anteil sie nach Abschluss eines stationären Alkoholentzugs in Anspruch. Somit erhalten Patientinnen und Patienten in einer Phase, die sich durch ein hohes Rückfallrisiko auszeichnet, keine angemessene Unterstützung. „Genau an diesem Punkt wollen wir ansetzen, um das passende Anschlussangebot für jeden einzelnen zu finden“, erklärt Prof. Dr. Matthias Berking, Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der FAU. Die Versorgungsforschung geht davon aus, dass bislang der überwiegende Teil der Betroffenen nach erfolgtem Entzug keine weiterführenden Versorgungsangebote in Anspruch nimmt.

Das Konzept der FAU-Forschungsteams besteht aus einer Handy-App, die durch Telefonate mit einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten ergänzt wird. Die App bietet ein spezielles Training, das die Betroffenen dabei unterstützt, dauerhaft auf Alkohol zu verzichten. In diesen Einheiten lernen sie die eigene Motivation zu stärken, Suchtverlangen zu erkennen und mit Risikosituationen umzugehen und die eigenen Ressourcen zu aktivieren. Darüber hinaus identifiziert die App mittels Telediagnostik Angebote für die Zeit nach einem stationären Entzug. Gemeinsam mit einem Psychotherapeuten, dem sogenannten eCoach, erarbeiten die Patienten dann in Telefongesprächen einen individuellen Plan mit Maßnahmen, die am besten zum jeweiligen Lebensumfeld passen. Das können sowohl Selbsthilfegruppen als auch klinische Ambulanzanbindung oder Paar- und Familiengespräche sein.

Der onlinebasierte Ansatz soll helfen, dass Anschlussmaßnahmen nach einem Alkoholentzug häufiger und dauerhafter genutzt und Rückfälle reduziert werden. Damit könnte die App zu geringeren direkten und indirekten Krankheitskosten führen.

Die Wissenschaftler um Prof. Berking arbeiten für das Projekt modellhaft mit Kliniken und Beratungsstellen im Raum Franken und München zusammen – eine Übertragung auf andere Regionen oder in die Regelversorgung ist möglich. Gleichzeitig untersuchen sie die Effekte ihres Konzepts. Dafür vergleichen sie insbesondere das Rückfallrisiko innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Entzugs mit den in der Regelversorgung erzielten Effekten. Dafür werden die Forscher Patienten sowie behandelnde Ärzte, Psychotherapeuten sowie Psychologen befragen und zudem Daten von Krankenkassen und der Rentenversicherung heranziehen.

Weitere Informationen:

Prof. Matthias Berking
Tel.: 09131/85-67585
matthias.berking@fau.de