Strom in Echtzeit

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(Bild:Angelus_Svetlana/shutterstock)

Neues für die Energiewende?

Am Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme wird Forschung unter Hochspannung betrieben. Dafür nutzt das Lehrstuhlteam die neueste Technik: einen Echtzeitsimulator, der Stromnetze noch realitätsnäher nachbilden kann.

Egal ob der Computer in der Arbeit, die Spülmaschine zu Hause oder die Ampeln im Straßenverkehr – ohne elektrische Energie sind nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens eingeschränkt. Umso wichtiger ist es, eine lückenlose Energieversorgung zu gewährleisten und aufrechtzuerhalten. Doch was, wenn es doch einmal zu Störungen kommt? Um das zu verhindern, experimentieren Forschende des Lehrstuhls für Elektrische Energiesysteme mit elektrischen Stromnetzen und versuchen sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. „In realen in Betrieb befindlichen Versorgungssystemen können wir keine größeren Tests durchführen“, sagt Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Matthias Luther. Zu groß wäre die Gefahr, einen tatsächlichen Stromausfall zu riskieren. Deshalb arbeitet das Team mit Simulationsrechnern, die die Stromnetze und deren Betriebssystem nachbilden. „So können wir zum Beispiel für ein bestimmtes Netzgebiet Störungen rekonstruieren und Strategien entwickeln, um negative Auswirkungen für die Stromkunden zu vermeiden“, erklärt Prof. Luther. „Falls dann eine solche Störung tatsächlich auftritt, sind wir gewappnet und wissen wie wir den Fehler so schnell beheben können, dass es die Stromverbraucher gar nicht bemerken.“

Prof. Dr. Matthias Luther beherbergt an seinem Lehrstuhl einen der schnellsten Simulationsrechner in Europa. (Bild:FAU/Rebecca Kleine Möllhoff)

Die Energiewende mitgestalten

Auch in der Energiewende mischen Prof. Luther und sein Team mit und greifen dabei auf die neueste Technik zurück: einen Echtzeitsimulator der jüngsten Generation des kanadischen Herstellers RTDS Technologies Inc. Dieser kann die immer komplexer werdenden Energienetze bei der Umstellung auf eine regenerative Vollversorgung durch Wind- oder Solarenergie besonders realitätsnah abbilden. Schließlich muss überprüft werden, ob die neuen Energiesysteme genügen, um ausreichend Strom auch ohne Kohle- oder Kernkraftwerke zu erzeugen. „Soll zum Beispiel ein neuer Offshore-Windpark an der Ostsee in Betrieb genommen werden, bildet der Simulator das Verhalten des Stromnetzes vor Ort nach und koppelt dies mit einem „digitalen Zwilling“ des Windparks“, erklärt Prof. Luther. „Bevor also neue Betriebsmittel angeschlossen werden, muss letztendlich getestet werden, ob sie im Gesamtsystem auch einwandfrei funktionieren“, ergänzt er.

Mit der installierten Rechenleistung kann der Echtzeitsimulator große Teile des deutsch-europäischen Stromnetzes nachbilden und dessen Systemverhalten bis in den Mikrosekundenbereich auflösen. Derzeit zählt der Netzsimulator im universitären Bereich als das leistungsstärkste System Europas und weltweit sogar zu den fünf besten. „Der Simulator eröffnet uns die Möglichkeit, die digitale Netzberechnung wissenschaftlich neu zu denken und zu erweitern“, sagt Prof. Luther. „Gleichzeitig können wir unsere Studierenden an einem zukunftsweisenden System mit Alleinstellungsmerkmal ausbilden.“ Dabei forschen sie nicht nur mit dem Simulator, sondern auch in einem solargespeisten Labor mit verschiedenen Energiespeichern. „Es ist wichtig, dass wir bessere Möglichkeiten finden, um die gewonnene regenerative Energie optimal zu speichern“, betont Prof. Luther.

Intelligente Netze

Sogenannte Smart Grids – intelligente Netze – sind ein weiterer wichtiger Bereich, mit dem sich der Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme beschäftigt. Denn wie viel Energie durch Wind oder Sonne gewonnen werden kann, ist orts- und wetterabhängig. Umso wichtiger ist es, dass die regenerativen Energieanlagen intelligent auf den Verbrauch reagieren – und umgekehrt. Auch hier stellt die Anwendung des Echtzeitsimulators einen großen Fortschritt für die Forschung an der FAU dar. Denn neben der Simulation von Stromnetzen können damit auch große Datenmengen aus Netzen gesammelt und gemessen werden. „Mit Hilfe der künstlichen Intelligenz könnten wir aus diesen Daten dann gewisse Muster ableiten, die Auskunft über einen Betriebszustand geben“, erläutert Prof. Luther. In welchem Zustand befindet sich das regenerative Stromnetz gerade? Ist zum Beispiel noch genug Energie gespeichert oder besteht das Risiko eines Stromausfalls? Antworten auf diese Fragen sollen die intelligenten Stromnetze in Zukunft liefern und somit als schnelle Entscheidungshilfen fungieren. Zwar ist das alles noch Zukunftsmusik, wie Prof. Luther sagt, doch bereits jetzt arbeiten er und sein Team eng mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Informatik zusammen. Was also momentan noch eine Vision ist, kann schon bald Realität werden.


alexander – Aktuelles aus der FAU

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FAU-Magazin alexander Nr. 114 (Oktober 2020)

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