Ein „Lokalradio“ im wahrsten Sinne

Bild: Günter F. Janßen
Bild: Günter F. Janßen

Unter Lokalradio stellt man sich gemeinhin einen Radiosender vor, der die Region mit einem bunten Programm versorgt. FAU-Alumnus Günter F. Janßen nahm in den 80er Jahren den Begriff kurzerhand wörtlich und gründete, inmitten eines Lokals, Erlangens ersten privaten Radiosender: Radio Downtown. Heute bekannt als Radio ENERGY in Nürnberg – zwar sitzt der Sender nicht mehr in einem Erlanger Lokal, dafür ist er Teil des größten privaten Radiounternehmens Europas.

Herr Janßen, Sie haben Deutsch, Geschichte und Spanisch als Lehramt studiert. Ihre beruflichen Tätigkeiten sind beeindruckend vielfältig: Radiogründer, Geschäftsführer, Lehrkraft, Autor. Wie hat Ihnen das Studium auf diesem Berufsweg geholfen?

Ursprünglich war der Lehrberuf nicht mein primäres Ziel, sondern ich wollte immer schon selbstständig im Kulturbereich arbeiten. Ich begann ein Magisterstudium und nur aufgrund des nachhaltigen Drängens meines Professors wechselte ich aufs Lehramt, arbeitete aber die gesamte Studienzeit nebenher, sodass sich das Studium zeitlich auch etwas hinzog. Mitgenommen habe ich aus dem Studium, dass man wesentlich belastbarer ist, als man glaubt, und die Freude an intensiver und eigenständiger Arbeit.

Sie haben 1985 Radio Downtown mitten in einem Erlanger Lokal gegründet. Wie kam es zu dieser Idee?

Zur Entstehung der Idee trugen unter anderem verschiedene Personen bei: Ralf Nadler aus Herzogenaurach brachte mich mit der Entwicklung des Privatfunks in Bayern in Berührung. Sandro Pernechele hatte schon als kleiner Junge in Padua sendefähige Radios im Schuhkarton gebaut und die Stadt beschallt. Helmut Wichtlhuber brachte den Gastronomiebetrieb ein. Diese Elemente musste ich gemeinsam gangbar machen.

Es war vorhersehbar, dass nicht alle privaten Rundfunksender der Region Mittelfranken wirtschaftlich überleben konnten, weshalb sich ja auch die vier großen Nürnberger Sender sehr bald zum Funkhaus zusammenschlossen. Ich reagierte von Anbeginn anders: Ich machte mich von den Werbeeinnahmen und Hörerzahlen unabhängig, gestaltete ein förderungswürdiges, wenngleich nicht für die breite Masse durchhörbares Programm, schuf mit dem Sendestudio im Radiolokal eine attraktive Zusatzeinnahme und etablierte den Sender mit vielen Livekonzerten und den Regionalcharts in der regionalen Musikszene. So konnten wir gegen die Nürnberger Übermacht bestehen und uns in Ruhe entwickeln.

Sie durften damals viele junge Radiotalente in die Medienwelt begleiten. Eine von ihnen war FAU-Alumna Valerie Weber, heutige Programmdirektorin des WDR. Wie war die Zusammenarbeit mit den jungen Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten für Sie damals? Sind Sie in gewisser Weise auch stolz, wenn Sie auf die heutigen Erfolge Ihrer damaligen Talente blicken?

Unbedingt! Es ist meine eigentliche Lebensleistung, diesen jungen Menschen den Start ermöglicht zu haben. Vor allem – und dafür sind mir viele noch heute dankbar – konnten sie sich ausprobieren und Fehler machen, ohne gleich gefeuert zu werden. Die Erstbesetzung bestand zur Hälfte aus Schülern des Gymnasiums Fridericianum Erlangen und Studierenden der FAU. Keiner glaubte anfangs, dass ich das Projekt wirklich stemmen würde, aber alle hatten ihren persönlichen Traum von der Radiokarriere und hofften mit mir.

Man muss sich etwas zutrauen und auch mal Risiken eingehen.

Wie sah denn für Sie ein klassischer Alltag während Ihres Studiums an der FAU aus?

Wenngleich mehrmals die Woche Nachtarbeiter, war ich dennoch ein Frühaufsteher, der spätestens um 9 Uhr ein Seminar oder eine Vorlesung besuchte. Manche Veranstaltung zog sich auch in den Abend. Kommunikationszentrum war die Cafeteria in der Kochstraße, wo man das wirklich Wesentliche erfuhr. In der Universitätsbibliothek verbrachte ich zum Examen hin viel Zeit im separaten Lernstübchen mit wiederbelebenden Aufenthalten in der Fußgängerzone. Unvergessen bleiben die Lateinstunden bei Professor Niklas Holzberg („Wir machen dann eine Klassenfahrt nach Lateinamerika!“) und die Wagner Partituren, die Professor Ulrich Wyss oft ins Seminar mitbrachte und gedankenverloren dirigierte.

Bei welchem Song haben Sie Radio Downtown damals richtig laut aufgedreht?

„Volare, oh, oh, cantare ohohoho“ – war unsere Nationalhymne, die immer intoniert wurde, wenn wir feierten. Unser Erkennungslied war natürlich „Downtown“ von Petula Clark und der erste Song, den wir am 1. Februar 1986 in den fränkischen Äther schickten, war „Ich glaub es geht los“ von Heinz Rudolf Kunze. Alle drei Songs berühren mich noch heute, wenn ich sie höre.

Hören Sie ab und zu noch in das Programm von Radio ENERGY in Nürnberg?

Nein, ich lebe ja in Berlin und höre überhaupt wenig Radio, da ich derzeit viel unterrichte und recherchiere. Aber meine mittlerweile achtzehnjährige Tochter hat letztes Jahr dort ein Praktikum gemacht. Gefreut hat mich, dass noch viele Mitarbeiter aus meiner Zeit dort arbeiteten.

Glauben Sie, dass lineares Radio in Zeiten von zahlreichen Streaminganbietern und Podcasts auf Dauer bestehen kann?

Ich finde primär die Ausrichtung nur auf Hörerzahlen schwierig. Wir waren damals mutiger und haben auch Inhalte gebracht, die Abschaltfaktoren für viele, aber Nahrung für etliche waren. Heutzutage, so mein Eindruck, wollen die Leute immer jetzt und gleich genau das hören, wonach ihnen im Moment zumute ist. Das kann kein festes Programm bieten, sondern nur der jederzeitige Zugriff auf diverse Programmteile.

Sie standen in Ihrem Leben und Ihrer Karriere vor einigen geschäftlichen und privaten Herausforderungen. Was raten Sie Studierenden, um auch mit unerwarteten oder schwierigen Lebensabschnitten umzugehen?

Das Leben verläuft nach meinem Verständnis in Wellen. Wichtig ist es, auf der Höhe nicht überheblich zu werden und nach einem Sturz wieder aufzustehen und weiterzugehen. Man muss sich etwas zutrauen und auch mal Risiken eingehen. No risk – no fun!

Herzlichen Dank für das Interview, Herr Janßen.

Vita

Der FAU-Alumnus Günter F. Janßen ist Gründer und Moderator des ehemaligen privaten Rundfunksenders Radio Downtown Erlangen – Vorgänger von Radio ENERGY Nürnberg, bei dem er viele Jahre als geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter wirkte. Heute lebt er in Berlin und arbeitet als Buchautor und Deutschlehrer.

Günter F. Janßen studierte von 1977 bis 1986 Deutsch, Geschichte und Spanisch an der FAU. Tagsüber studierte der FAU-Alumnus, nachts arbeitete er in der beliebten Erlanger Studierendendiskothek „Der Zirkel“ als Türsteher, DJ und schließlich als stellvertretender Geschäftsführer.

1985 gründete er dann Erlangens ersten privaten Radiosender, Radio Downtown, inmitten eines Erlanger Lokals. Dies war europaweit einmalig. Damit begleitete Günter F. Janßen viele junge Menschen in den Radioberuf wie FAU-Alumna Valerie Weber, heutige Programmdirektorin des Westdeutschen Rundfunks (WDR) und FAU-Alumnus Markus Kafka, jahrelang das Gesicht von MTV. 1995 beteiligte Günter F. Janßen die europaweite Radiogruppe „NRJ“: Aus Radio Downtown wurde Radio ENERGY und er zog mit dem Sender nach Nürnberg. Neun Jahre später verkaufte er schließlich seine Geschäftsanteile an die NRJ-Gruppe und zog nach Berlin, um sich ganz seiner kleinen Tochter widmen zu können. Mit „Roggenmoor“ veröffentlichte der FAU-Alumnus im Jahr 2010 sein erstes Buch. Seither arbeitet Günter F. Janßen als Schriftsteller, Autor und Lehrer.

(Interview: Dezember 2020, Nina Bundels)


Günter F. Janßen war Mentor für viele Nachwuchsjournalistinnen und -jounalisten wie Valerie Weber, heutige Programmdirektorin des Westdeutschen Rundfunks (WDR). Ein Interview mit ihr finden Sie hier.