Falsch programmiert

Prof. Dr. Gerhard Krönke
Prof. Dr. Gerhard Krönke (Bild: FAU/Erich Malter)

Ursachen für die falsche Programmierung des Immunsystems bei der rheumatoiden Arthritis

Bei Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis (RA) läuft das Immunsystem aus dem Ruder. Es wendet sich nicht nur gegen potenziell gefährliche Mikroorganismen oder Tumorzellen, sondern greift auch das körpereigene Gewebe an. Bei der RA sind das Gelenkstrukturen. Es kommt zu schmerzhaften Entzündungen bis hin zur Versteifung der Gelenke.

Ein Team der FAU um Prof. Dr. Gerhard Krönke vom Lehrstuhl für Innere Medizin III ergründet im Rahmen des Projekts PANDORA, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die Ursachen für die falsche Programmierung des Immunsystems bei der rheumatoiden Arthritis. Die Forschenden ermitteln zum einen, was bei der Signalübermittlung im Immunsystem und zu den Gelenken falsch läuft. Zum anderen haben sie sich zum Ziel gesetzt herauszufinden, wie die Falschprogrammierung des Immunsystems und der Signalwege aufgehoben werden kann – einerseits, um präventiv eingreifen zu können, andererseits, um eine Heilung für die rheumatoide Arthritis zu finden. Bislang gelingt es nur, die RA zu bremsen und die Symptome zu lindern. „Mit der laufenden klinischen Studie ,Tolera‘, bei der bereits zugelassene Medikamente zur Behandlung der RA erstmals auf neuartige Weise kombiniert werden, verfolgen wir das Ziel, die Immuntoleranz wiederherzustellen“, sagt Krönke.

Immunzellen als Forschungsobjekte

Sein Team untersucht unter anderem einzelne Immunzellen in den Gelenken und ihre Genexpression, also ihre Ausprägung und Entwicklung von genetisch veranlagten Merkmalen. Die Forschenden machten dabei eine Vielzahl von Zellen mit unterschiedlichen Aufgaben aus und können nun anhand von Änderungen der Genexpression darauf zurückschließen, dass der eine oder andere Signalweg gehemmt oder aktiviert sein muss, damit alles reibungslos funktioniert. Sollte ein Signalweg von der Norm abweichen, kann dies ein Indiz für Störungen in der Immunantwort sein. Zu den Signalwegen auf zellulärer Ebene, mit denen sich Krönkes Arbeitsgruppe beschäftigt, gehören unter anderem die Lipidsignale. Die Oxidation von Lipiden in den Zellen führt zur Bildung unterschiedlicher Stoffe, die eine Rolle bei der Informationsweiterleitung in und zwischen Zellen spielen.

Diese werden als Lipidoxidationsprodukte bezeichnet und tragen zum Beispiel dazu bei, dass die „Mülltrennung“ im Körper sauber abläuft: Sie steuern die zum Immunsystem gehörenden Fresszellen. Diese Makrophagen sind in Unterarten eingeteilt, von denen einige für die Abfuhr von Bakterien oder Tumorzellen zuständig sind. Andere wiederum entsorgen tote Zellen und beugen damit Immunreaktionen gegen körpereigenes Gewebe vor. Die Makrophagen schützen bei richtig funktionierenden Signalwegen also auch vor Autoimmunerkrankungen. Makrophagen mit Hausmeisterfunktion. Bei ihren Untersuchungen von Immunzellen und deren Interaktion mit anderen Zellen erleben die Forschenden um Krönke immer wieder  Überraschungen.

So fanden sie eine Unterart von Fresszellen, die dauerhaft an der Gelenkinnenhaut stationiert und miteinander verbunden sind. Sie bilden so eine Barriere um das Gelenk, um es zu schützen. Diese gewebsresidenten Makrophagen haben eine Hausmeisterfunktion. Sie dürften, so Krönke, in erster Linie dafür verantwortlich sein, Gewebsschäden zu reparieren und die Gelenke gesund zu halten. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass bestimmte Medikamente zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis, die Makrophagen angreifen, das Gelenk stärker schädigen könnten.

Überraschung, Überraschung!

Daneben stoßen Krönke und seine Arbeitsgruppe auch auf Erkenntnisse, die mit der Rheumatologie kaum etwas zu tun haben. So fand das Team um Krönke heraus, dass bestimmte Immunzellen, die eosinophilen Granulozyten, an der Blutgerinnung beteiligt sind und Thrombosen fördern. Bis dahin war die herrschende Meinung, dass diese Immunzellen hauptsächlich bei Allergien und Wurminfektionen eine Rolle spielen. Krönke sagt: „In der  experimentellen Forschung startet man mit einer bestimmten Fragestellung. Wir schauen uns das dann in der Zellkultur, im Tier oder im Menschen an. Dabei stößt man immer wieder auf Unerwartetes, das mit der ursprünglichen Hypothese nichts zu tun hat oder sie sogar widerlegt. Die Kunst dabei ist zu erkennen, was relevant ist.“

Über die Autorin

Simone Harland ist seit 25 Jahren freiberufliche Journalistin und Texterin. Ihr Handwerk gelernt hat die Diplom-Sozialwirtin und Autorin von etwa 50 Sachbüchern im Harenberg Verlag. Sie schreibt für Zeitschriften, Unternehmen und Verlage und lebt am Meer.


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