Patente Innovation

Patentamt in den USA
(Bild: Sergey Kamshylin/shutterstock)

FAU-Ökonom Prof. Dr. Markus Nagler erforscht, inwieweit Patente Märkte beeinflussen

New Jersey, USA, Januar 1956. Ein Bundesbezirksgericht ordnet an, dass AT&T, eines der größten Konglomerate in der US-Wirtschaftsgeschichte und unangefochtener Gigant auf dem Telekommunikationsmarkt der USA, alle bis dahin angemeldeten Patente freigeben muss. Die betroffenen Patente, wurden größtenteils von den Bell Laboratorien, der damaligen Forschungsabteilung von AT&T, die bahnbrechende Erfindungen wie Solarzellen und Mobiltelefonie hervorbrachte, entwickelt. Mit dem Urteil endete ein sieben Jahre dauernder Kartellfall und es wurden beinahe 8000 Patente allgemein zugänglich. Die Folgen dieses Urteils, dessen ursprüngliches Ziel es war, den Konzern zu zerschlagen und so den Markteintritt für Mitbewerber zu vereinfachen, untersucht Prof. Nagler, Professur für Quantitative Labor Economics, zusammen mit Forscher/-innen der LMU München, der Universität Münster und dem Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung.

Innovationsschub für den Markt

Prof. Dr. Markus Nagler
Prof. Dr. Markus Nagler, Professur für Quantitative Labor Economics der FAU. (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Früher wie heute ist das Thema Patente aktuell: „Der Punkt bei Debatten um Patente ist oft, dass große Firmen, die viele Patente halten, dafür sorgen können, dass kleinere oder neue Unternehmen nicht in den Markt eintreten können“, sagt Prof. Nagler. Damit halten sich große Konzerne aber nicht nur Mitbewerber vom Hals, sondern es könnte auch Innovationen verhindern, wenn diese ihre Entwicklungen nicht oder nur begrenzt auf bereits existierenden Patenten aufbauen können. Da sich das Patentsystem aber kaum grundlegend verändert, lohnt auch ein Blick in die Vergangenheit, um zu untersuchen, inwieweit der aus der Freigabe der Bell-Patente folgende Innovationsschub den amerikanischen Markt in den 1950er-Jahren verändert hat. Ist es also wirklich leichter für neue Unternehmen in einen speziellen Teilmarkt einzutreten, wenn ihre Innovationen auf Patenten von Konzernen aufbauen können? Hierzu betrachtete Prof. Nagler wie sich die Zitationsrate der von AT&T freigegebenen Patente im Vergleich zu ähnlichen, nicht von AT&T gehaltenen Patenten veränderte. Wie häufig diese zitiert werden, liefert nämlich einen Indikator dafür, dass Neuentwicklungen auf diesen Patenten aufbauen. „Es hat sich herausgestellt, dass es AT&T auf dem Telekommunikationsmarkt gelungen ist, weiterhin die Vormachstellung innezuhalten“, erklärt er. Anders verhält sich die Lage in anderen Marktsituationen. Es war ein neuer Innovationsschub nur in den Märkten erkenntlich, in denen AT&T keine Monopolstellung innehatten. „Unsere Ergebnisse deuten also darauf hin, dass Patente freizugeben nicht ausreichte um mehr Wettbewerb in einem bestimmten Teilmarkt, wie hier dem Telekommunikationsmarkt, zu schaffen. Allerdings zeigt unsere Untersuchung, dass in anderen Märkten, die nichts mit dem Telekommunikationsmarkt zu tun hatten, neue Wettbewerber leichter eintreten und sie sich die Patente von AT&T zu Nutze machen konnten.“, erklärt der Ökonom.

Folgen einer Patentlizenzierung

Prof. Nagler untersuchte auch die Auswirkungen einiger Patente, die die Grundlage für die spätere Erfindung des Mikrochips darstellen. In den 1950er-Jahren lizenzierte AT&T die Patente für den Transistor. „Zeitgenössische Beobachter meinten, dass diese Patente vor dem Gerichtsbeschluss 1956 lizenziert wurden, um den Behörden im Kartellrechtsfall entgegenzukommen“, erzählt Prof. Nagler. Dieser Plan funktionierte nur bedingt: Der Megakonzern wurde zwar nicht, wie anfangs gefordert, zerschlagen, wurde aber gezwungen, seine Patente zu veröffentlichen. Nachdem die Patente für den Transistor lizenziert wurden, hielten die Bell Laboratories die sogenannten „Transistor Symposia“ ab, wo erklärt wurde, was ein Transistor kann und, nachdem eine Lizenzierungsgebühr gezahlt worden war, auch gezeigt wurde, wie die Teilnehmenden die Technologie selbst verwenden konnten. Im Publikum war auch der spätere Erfinder des Mikrochips, Jack Kilby. Nach dem Besuch des Symposiums erfand er – auf Basis des Transistors – für die damals noch sehr kleine Firma Texas Instruments den Mikrochip. Dies stieß eine Revolution an. „Letztlich können wir sagen, dass diejenigen Firmen, die nicht an den Transistor Symposia teilgenommen haben, weniger Innovationen hervorgebracht haben als die, die teilnahmen“, fasst Prof. Nagler zusammen. Die Lizenzfreigabe erlaubte aber auch anderen Unternehmen, die Technologie zu nutzen. Dies war der Startschuss unseres digitalen Zeitalters.

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Von Deborah Pirchner


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Die Themen der neuen Ausgabe sind: ein Interview mit dem Präsidenten der FAU, Prof. Dr. Joachim Hornegger, und dem Markendesigner Claus Koch über die neue Zukunftsstrategie der FAU, eine Untersuchung über den Einfluss von Patenten auf Marktentwicklungen, die Studiengänge „Advanced Materials and Processes“ und „Clean Energy Processes“, ein Spaziergang durch unseren Aromagarten, der heuer sein 40. Jubiläum hat, und ein Interview mit dem Siemens-CEO Dr. Roland Busch.

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