Mehr Power für die 1. Liga

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Alle Fakultäten nutzen die Rechenleistung des RRZE. (Bild: PopTika/shutterstock,)

Das Regionalen Rechenzentrum Erlangen (RRZE) bekommt mit Alex und Fritz zwei neue Hochleistungscomputer. Doch es steckt mehr dahinter, denn das RRZE ist nun eines von acht deutschen Zentren für Nationales Höchstleistungsrechnen (NHR).

„Das war alles sehr sportlich“. Gerhard Wellein, Professur für Höchstleistungsrechnen, könnte es nicht treffender ausdrücken. Im April 2020 hatten er und sieben weitere Professor/innen der FAU den Antrag gestellt, am RRZE eines von zunächst bundesweit acht neuen Zentren für Nationales Hochleistungsrechnen einzurichten. „Im November des gleichen Jahres bekamen wir die Zusage von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) und konnten am 1. Januar 2021 schon loslegen“, erzählt Prof. Wellein. Nach einem kurzen Spurt hatten sie, um im Bild zu bleiben, den Aufstieg in die seit 1. Januar bestehende nationale Liga geschafft. Wellein spricht von einer „neuen Ebene, sowohl bei der Größe der Rechner als auch bei der Breite der Versorgung, die wir jetzt auch deutschlandweit anbieten können“.

Unterstützung von Bund und Länder

Das zum 1.1.2021 als zentrale Institution der FAU eingerichtete Zentrum für Nationales Hochleistungsrechnen (NHR@FAU) geht nun auf die Langstrecke. Das Programm ist auf zunächst zehn Jahre ausgelegt, in die NHR-Zentren fließen von Bund und Ländern insgesamt 625 Millionen Euro. Dass Erlangen zum NHR-Zentrum wurde, kommt nicht von ungefähr: Pluspunkte beim Antrag waren unter anderem, dass das breite wissenschaftliche Umfeld schon vorhanden war und das RRZE sich im Bereich des Hochleistungsrechnens in der Anwendung bereits international einen Namen gemacht hatte. Auch die langfristige Unterstützung durch die FAU und das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst machte diesen Erfolg möglich.

Neu ist, dass jetzt nicht nur die Kosten für die Hardware, also Rechner und Speichersysteme, von Bund und Land getragen werden, sondern auch die wissenschaftliche Unterstützung der Anwender/innen, die Weiterentwicklung der Hochleistungsrechentechniken sowie die Beratung und Aus- und Weiterbildung im RRZE – „und das über einen ungewöhnlich langen Zeitraum von zehn Jahren hinweg“, betont Prof. Wellein. Zusätzlich könne das NHR@FAU nun auch ein Team aufbauen, das Betrieb und Anwendung des neuen Hochleistungsrechners unterstützt. Der erste, fast zehn Millionen Euro teure Rechner, der Alex getauft wurde, ist im RRZE untergebracht. In der Kältezentrale der Naturwissenschaftlichen Fakultät wird Fritz aufgebaut. Dank eines modernen Kühlsystems ist dieses Gerät besonders energieeffizient, ein weiteres Ziel des NHR-Programms. Aber auch hier ist langfristiges und nachhaltiges Denken Programm: Die Projektplanung zum Bau eines neuen, hoch energieeffizienten Rechenzentrums an der FAU hat bereits begonnen.

Spezielle Komponenten

NHR-Logo
Logo: FAU

Die naturwissenschaftlichen und technischen Fächer von der Informatik und Quantenphysik bis zur Biologie und Chemie profitieren für ihre Simulationen bisher am meisten, aber ebenso die Anglistik beziehungsweise Computerlinguistik sowie neu gegründete Departments wie Digital Humanities und Social Studies (DHSS). Zudem sind künftig auch promovierte Mitglieder von in Deutschland akkreditierten Hochschulen berechtigt, einen Antrag auf kostenlosen Zugang zu den NHR-Ressourcen zu stellen. Das gehe eben nur, weil für das wissenschaftliche Personal genau so viel Geld zur Verfügung stehe wie für die Hardware. Der Supercomputer bietet spezielle Komponenten, unter anderem leistungsstarke Grafikkarten und gewährleistet damit eine wesentlich höhere Rechenleistung bei weniger Energieverbrauch und geringeren Kosten. Um die Kapazitäten besser zu nutzen, kann das RRZE künftig Kolleg/innen einstellen, die selbst aus dem Bereich der Simulation kommen und spezielle Fragen besser beantworten können.

Als Anwendungsbeispiel aus den Werkstoffwissenschaften nennt Dr. Georg Hager, einer der Expert/innen, die Nutzende des neuen Rechners betreuen, die Simulation von Bindungen zwischen Atomen, um Eigenschaften von Materialien, etwa Verbundwerkstoffen herauszufinden. Man könne so vielversprechende Kandidaten für solche Werkstoffe bereits im Computer identifizieren, statt durch teure Experimente. Oder der Bereich Chemie: Mithilfe eines bereits vorhandenen Hochleistungsrechners untersucht eine Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dirk Zahn, Professur für Theoretische Chemie, mit atomaren Simulationen das Be- und Entnetzungsverhalten von Katalysatorenoberflächen durch ionische Flüssigkeiten. Die Benetzung kann die Katalyse entscheidend verbessern, denn optimierte Katalysatoren bedeuten auch geringeren Energieverbrauch.

Rechenpower vs. Coronavirus

Besonders aktuell ist die Forschungsarbeit einer Arbeitsgruppe um Dr. Eileen Socher und Dr. Phillip Arnold vom Lehrstuhl für Funktionelle und Klinische Anatomie. Während der Corona-Pandemie nutzte das Team bereits besonders leistungsstarke Grafikkarten, wie sie nun zahlreich für das NHR-System angeschafft werden. Die beiden untersuchten in ihrem Projekt mit computerbasierten Moleküldynamik-Simulationen die atomaren Wechselwirkungen zwischen dem Spike-Protein auf der Virusoberfläche von SARS-CoV-2, also die Stacheln, mit denen das Virus andockt, und dem menschlichen Rezeptor ACE2. Die große Rechenpower, erläutert Socher, mache es möglich, die atomaren Auswirkungen verschiedener Virusvarianten durch Mutationen des Spike-Proteins auf dessen Bindungsmuster zum ACE2-Rezeptor zu beschreiben. Dabei seien die theoretischen, computergestützten Arbeiten deutlich schneller als die experimentellen Arbeiten zur Strukturaufklärung: Bei den Ergebnissen habe sich große Übereinstimmung ergeben. Das zeige, sagt Socher, dass theoretische, von leistungsstarken Computern gestützte Methoden in zeitkritischen Situationen, etwa beim Auftreten neuer Virusvarianten, einen wichtigen Beitrag zur Analyse leisten können.

Vorteil für die Metropolregion

Mit der Einrichtung des NHR@FAU wurde auch der Hochgeschwindigkeitszugang der FAU in das bundesweite Forschungsnetz X-WIN deutlich ausgebaut. Von den höheren Bandbreiten ins Internet profitiert nicht nur die FAU selbst, sondern die ganze Region und damit der Wissenschaftsraum Nürnberg-Erlangen-Fürth. Die Etablierung des NHR@FAU sowie die Projektplanungen zum Rechenzentrumsneubau zeigen: Erlangen bleibt das Zentrum, der Anschluss der künftigen Technischen Universität in Nürnberg an Datennetz, IT-Services und moderne Rechner ist schon vorbereitet. Diese Richtung habe, wie Prof. Wellein betont, der Bayerische Ministerrat 2019 auf einer Sitzung in Nürnberg aufgezeigt. „Damit stärkt die Region ihr Profil als bedeutendes Zentrum für Informatik und des Wissens.“

von Herbert Fuehr

Technikecke

Fritz

  • 944 Rechenknoten, 72 Rechenkerne pro Knoten, also 67968 Kerne insgesamt
  •  Schnelles Dateisystem zur Datenablage
  • Zum Vergleich: zehnmal schneller als Meggie, der bisherige Supercomputer am RRZE, und etwa 10000-mal schneller als ein herkömmlicher PC

Alex

  • 66 Rechenknoten mit insgesamt 496 schnellen High End-Grafikkarten
  • Abgestimmt auf Chemie-Simulationen und Anwendungen aus der Künstlichen Intelligenz (KI)
  • Zum Vergleich: etwa 1000-mal schneller als ein gut ausgestatteter PC mit hoher Grafikleistung.

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Die Themen der neuen Ausgabe sind: Datenbanksysteme und -forschung an der FAU, Irisimplantate aus künstlichen Muskeln, ein Medikament gegen Long-COVID, die European University EELISA, in der sich Universitäten aus Europa zusammengeschlossen haben, um Engineering weiter zu denken, der zweite Teil unserer Reihe zur FAU-Strategie,  das neue Green Office und vieles mehr.

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