Vojislav Krstić forscht an Quantencomputern, die nicht auf energiefressende minus 273 Grad Celsius gekühlt werden müssen, sondern bei Zimmertemperatur funktionieren. Das wäre ein Riesenschritt für die breite Anwendung.
Emotionale Ausbrüche sind Vojislav Krstić ziemlich fremd, im Gegenteil: „Bei der Ausbildung zum Physiker entwickelt man Geduld und Ausdauer“, sagt der Professor für Angewandte Physik an der FAU. Das gilt umso mehr, wenn man sich wie Krstić in der Grundlagenforschung bewegt. Trotzdem kann er seine große Freude kaum verhehlen, wenn er das stattliche privatwirtschaftliche Fördergeld von gut 900.000 Euro kommentiert: „Das ist eine Menge Holz für unsere Arbeit.“ In Deutschland sieht er sich mit seiner Forschung vorn dabei. Trotzdem werden die US-Investoren nach den zwei Jahren Projektlaufzeit keinen schlüsselfertigen Prototyp in Händen halten.
Quantencomputing bei Raumtemperatur
Krstić und sein Team aus je zwei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern arbeiten zusammen mit US-Kollegen an Nanoteilchen von 500 bis 1.000 Nanometer Durchmesser. Ein menschliches Haar ist bis zu 200-mal dicker. Im Kern geht es um topologische Isolatoren – faszinierende Materialien, die dank ihres Kristallaufbaus nur an der Oberfläche Strom leiten und damit Informationen transportieren können. Ist die Kristallschicht ausreichend dünn, fließt der Strom sogar nur am Rand, und das ungestört durch äußere Einflüsse, also topologisch geschützt.

Der zweite Kernaspekt ist die Symmetriebrechung im System. Hierfür wird das Nanoteilchen spiralartig so verdreht, dass es mit einem spiegelbildlichen Pendant nicht deckungsgleich wird. Die Wissenschaft nennt das Chiralität. „Ein Beispiel hierfür sind die linke und die rechte Hand des Menschen“, erklärt Krstić. Ziel ist es, die Symmetrie so zu brechen und die oben genannten Randströme so zu kombinieren, dass sich ein sogenanntes Zwei-Energieniveau-System ausbildet. Dann könnte, so der Forschungsansatz, ein topologisch geschütztes Quantenbit, kurz: Qubit, unbeeindruckt von äußeren Einflüssen wieder Raumtemperatur in Quantencomputern eingesetzt werden.
„Qubits können extrem viele Zustände gleichzeitig darstellen. Das sorgt für einen Zeitgewinn. Im Vergleich zu einem konventionellen Rechner ist ein Quantencomputer gut 10.000- bis 100.000-mal schneller.“
Prof. Dr. Vojislav Krstić
Gamechanger für den digitalen Energiehunger?
Das klassische Bit als Grundelement jedes alltäglichen digitalen Rechenprozesses ist ein Null-Eins-Paar. Kopf oder Zahl, wenn man es mit einer Münze vergleichen wollte. Qubits dagegen können wie eine sich drehende Münze auch alle möglichen Zwischenzustände darstellen. Das macht Quantencomputer in ihrer Rechenleistung wesentlich schneller. Prinzipiell könnte Quantencomputing bei Zimmertemperatur ein Gamechanger für den digitalen Energiehunger sein. Quantencomputer ließen sich mit einem Bruchteil der Energie betreiben, die in ihrem aktuellen Entwicklungsstand benötigt wird. „Marktfähige Lösungen in der Größe eines Tablets oder Smartphones würden den Energiespareffektdurch die riesige Zahl an Geräten möglicherweise überkompensieren“, gibt Krstić zu bedenken. Aber auch wenn das nicht der Falls ein sollte: Der Weg zum Quantencomputer für die Hosentasche ist noch weit.

(Bild: FAU/Anna Tiessen)
Quantencomputing: mehr als nur ein Quäntchen überlegen
Die Quantenphysik beschreibt das Verhalten kleinster Objekte wie Elektronen oder Photonen. Es gelten völlig andere Regeln als in der klassischen Physik: Objekte sind beides gleichzeitig, Teilchen und Wellen. Einer internationalen Forschungsgruppe um Vojislav Krstić gelang es beispielsweise, einen über 150 Jahre alten Forschungsansatz zur Ausbreitung von Photonen in chiraler Materie zu bestätigen, den Chiralen Faraday-Effekt. Dieser zeigt, wie chiral-magnetische Wechselwirkungen Photonen in nanoskaliger Materie beeinflussen können. Das Verständnis solcher Effekte hilft bei der Erforschung und Entwicklung neuartiger Materialien für Quantentechnologien.
Zeitgewinn durch Parallelisierung
Quantencomputer arbeiten parallel und nicht sequenziell:„Qubits ermöglichen es, extrem viele Zustände gleichzeitig darzustellen. Klassische Computer können dies nur nacheinander. Diese Parallelisierung sorgt für einen Zeitgewinn“, erklärt Krstić die Quantenüberlegenheit. „Im Vergleich zu einem konventionellen Rechner ist ein Quantencomputer gut 10.000- bis 100.000-malschneller.“ Zudem verdoppelt sich mit jedem zusätzlichen Qubit die Rechenkapazität.
Faszinierende quantenphysikalische Phänomene
„Zeit ist nicht Geld“, hat der gebürtige Mannheimer, Jahrgang 1972, in seiner Forscherlaufbahn gelernt. Geld lasse sich immer irgendwie besorgen, zusätzliche Zeit nicht. Das mache die Quantenüberlegenheit so faszinierend. Schon als Diplomand und Doktorand beim Max-Planck-Institut für Festkörperforschung war Krstić an Nanophysik und damit an quantenphysikalischen Phänomenen interessiert. „Für mich sind Symmetrie und chirale Symmetriebrechung auf der Nanoskala sehr exotisch und spannend. Diese Faszination und intrinsische Neugierde haben mich stets begleitet.“
Thomas Tijang

Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
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