Bislang ließ sich die Quantentheorie nicht auf die Gravitation anwenden. Wolfgang Wieland hat einen theoretischen Ansatz entwickelt, der eine quantisierte Obergrenze für Gravitationswellen liefert.
Wolfgang Wieland sitzt in seinem Büro in der Erlanger Staudtstraße, neben sich eine Kaffeetasse, hinter sich eine weiße Wand. Er verfügt zwar über einen Computer, aber am liebsten arbeitet er mit Bleistift und Papier. Damit zeichnet er Ideen und Berechnungen auf, die unser Verständnis vom Universum revolutionieren könnten. „Die Physik hat das Problem“, sagt er nüchtern, „dass ihre zwei zentralen Modelle, die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie, bislang nicht zusammenpassen.“ Wieland arbeitet mit führenden Forschern am Lehrstuhl für Theoretische Physik III an einer Theorie zur Quantengravitation, mit der sie diesen Widerspruch lösen wollen. Sollte das gelingen, wäre die härteste Nuss der modernen Physik geknackt. In seiner allgemeinen Relativitätstheorie hat Albert Einstein die Gravitation, also die Schwerkraft ,als Krümmung der Raumzeit definiert. Sie sorgt für die Verteilung von Galaxien im Universum und hält Planeten auf ihrer Umlaufbahn. Am besten lässt sich die Raumzeit mit einem unsichtbaren, elastischen Netz beschreiben, das von Massen verformt wird und Lichtstrahlenzwingt, der entstandenen Krümmung zu folgen.
Universum versus Mikrokosmos
Allerdings kann die allgemeine Relativitätstheorie nicht die Vorgänge im Mikrokosmos der Elementarteilchen erklären. Hier treten Wechselwirkungen in winzigen Portionen auf, sogenannte Quanten. Wie einige seiner internationalen Kollegen arbeitet Wieland seit geraumer Zeit daran, die Gravitation „in ein Quantenmodell zu integrieren und damit alle Elementarkräfte zu beschreiben“. Damit könnte die Schwerkraft, so wie die anderen Naturkräfte, endlich in winzige Energiepakete zerlegt werden.
Bereits als Schüler interessierte sich Wolfgang Wieland für Mathematik und Physik. Dazu hat nicht zuletzt die US-amerikanische Science-Fiction-Serie „Star Trek“ beigetragen. Die darin beschriebenen Phänomene waren laut Wieland „zwar faszinierend, aus wissenschaftlicher Sicht aber nicht haltbar“. Nach dem Abitur studierte er theoretische Physik in Innsbruck und Wien. Mit der Quantengravitation beschäftigte sich der gebürtige Österreicher, der in der Nähe von Innsbruck aufgewachsen ist, erstmals während seiner Promotion an der Universität von Marseille.
Unendliche Werte
Auf seinen Postdoc-Stationen in den USA, Kanada und Österreich vertiefte er das Thema. 2023 wechselte er zur FAU, wo er seit 2024 als Nachwuchsgruppenleiter über das Heisenberg-Programm der DFG gefördert wird. Mit seinen theoretischen Arbeiten will Wieland auch extreme Zustände wie den Urknall oderschwarze Löcher erklären. Dabei krümmt sich die Raumzeit ins Unendliche, und auch die Dichte der Materie wird unendlich. Mathematisch lassen sich diese sogenannten Singularitäten nicht lösen, da in den Gleichungen unendliche Werte auftreten. „Vielleicht ist ja nicht die Gravitation gequantelt, sondern Raum und Zeit“, lauten die Überlegungen des Forschers. Grundlage hierfür ist die Theorie der sogenannten Schleifenquantengravitation. Diese geht davon aus, dass Raum und Zeit aus winzigen, diskreten Einheiten bestehen – wie ein Gewebe, das sich unter einem Mikroskop als netzartiges Geflecht von Knoten zeigt. Dabei ist die Raumzeitgeometrie nicht nur gekrümmt, sie ist in Schleifen verschränkt, also quantenmechanisch verbunden. „Wenn man Raum und Zeit in Quanten zerlegt, verschwinden die unendlichen Werte, die bisher die Mathematik gesprengt haben“, führt der Physiker aus, gleichzeitig betont er: „Unter Umständen könnte die Lösung weniger spektakulär sein, als sich das manche erhoffen.“

Planck-Leistung setzt Grenze
Wielands Ansatz ist deshalb außergewöhnlich, weil er die Quantisierung der Raumzeit direkt mit der messbaren Leistung von Gravitationswellen verbindet. Er stützt sich dabei auf die sogenannte Planck-Leistung, die angibt, wieviel Energie pro Zeit maximal übertragen werden kann. Mit ihr ließe sich nachweisen, dass Gravitationswellen nicht beliebig viel Leistung transportieren können, sondern dass es eine „quantisierte Obergrenze“ gibt. „Ich hoffe, dass künftige Gravitationswellen-Detektoren, wie das geplante Einstein-Teleskop, Hinweise auf Quantengravitation liefern werden“, erklärt der Forscher.
Eve Tsakiridou

Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
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