Sie studieren Vollzeit und betreiben Sport auf Spitzenniveau: Lilly Sellak und Josia Topf erzählen, wie das Leben zwischen Medaillen und Modulprüfungen aussieht – und welche Hürden es gibt.
Jura, Medizin – und dann auch noch Sport auf Spitzenniveau. Wie bekommen Sie das unter einen Hut?
Lilly Sellak: Zeitmanagement. Ganz klar. Du musst Prioritäten setzen und sehr gut organisiert sein. Ich liebe den Sport, aber ich liebe eben auch mein Studium. Und wenn man beides will, dann funktioniert das auch, allerdings mit Kompromissen. Bei Medizin ist das besonders schwierig. Ich darf im ganzen Semester eigentlich nur einmal fehlen. Gleichzeitig bin ich regelmäßig auf Wettkämpfen oder im Trainingslager. Ich muss immer wieder erklären, warum ich fehle, damit ich die Termine nachholen darf. Einmal bin ich acht Stunden aus dem Trainingslager zu einer Prüfung gefahren, habe diese am nächsten Morgen geschrieben und musste dann sofort wieder zurück zum Training – mit drei Minuten Puffer, um mich umzuziehen.
Josia Topf: Es gibt Tage, da läuft alles nach Plan, und dann gibt’s die anderen. Wo du einfach nur hoffst, dass die Steine richtig fallen. Wir trainieren zwanzig bis dreißig Stunden die Woche, im Trainingslager sind wir schnell bei vierzig. Sich währenddessen auf eine Prüfung vorzubereiten, ist schwierig.
Bleibt da überhaupt noch Raum für Entspannung?
Lilly Sellak: Im Semester? Fast gar nicht. Da bin ich oft nonstop unterwegs. In den Semesterferien kann ich aber etwas durchatmen. Dann verbringe ich so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie und meinen Freunden. Das gibt mir Halt.
Josia Topf: Bei Jura fallen viele Hausarbeiten an, meine vorlesungsfreien Monate sind also auch nicht frei. Nur einen Tag nach den Paralympics saß ich wieder an einer Hausarbeit. Training habe ich natürlich trotzdem. Da bleibt kaum Spielraum für anderes, zum Beispiel meine Freunde zu sehen. Ich habe einen Kalender, in den sich meine Freunde eintragen können. Die Hälfte der Treffen fällt trotzdem aus.
„Man muss Prioritäten setzen und sehr gut organisiert sein. Ich liebe den Sport, aber ich liebe auch mein Studium. Und wenn man beides will, dann funktioniert das auch – allerdings mit Kompromissen.“
Lilly Sellak
Wie sind Sie zu Ihren Sportarten gekommen?
Josia Topf: Mein Vater hat mir das Schwimmen beigebracht, als ich sechs war. Für ihn war klar, dass ich wie jedes Kind schwimmen können muss, egal ob behindert oder nicht. Im Wasser spüre ich meine Behinderung nicht, da bin ich einfach ich. Außerdem bin ich ein sehr kompetitiver Mensch und wollte gerne Teil eines Vereins sein. So bin ich beim Schwimmen gelandet.
Lilly Sellak: Ich hatte mit sechzehn einen Unfall auf dem Schulweg. Seitdem bin ich querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich irgendwann wieder laufen kann, war zu diesem Zeitpunkt bei null. Sport hat für mich schon immer eine große Rolle gespielt, und mir war von Anfang an klar: Ein Leben ohne Sport ist keine Option. Den ersten Kontakt zum Rollstuhlbasketball hatte ich schon in der Klinik. Dort trainiert nämlich der hiesige RollstuhlbasketballVerein, um den Kontakt zwischen Frischverletzten und Altverletzten herzustellen. Das hat mir sehr geholfen. Zwei Tage nach meiner Entlassung war ich dann beim Probetraining.
Wussten Sie schon vor Ihrem Unfall, dass Sie Medizin studieren wollen?
Lilly Sellak: Das kam tatsächlich erst danach. Während der Reha hatte ich die Möglichkeit, den Klinikalltag kennenzulernen und hinter die Kulissen zu schauen. Ich habe dann schnell festgestellt, wie sehr mich das interessiert.
Und wie war das bei Ihnen, Herr Topf?
Josia Topf: Mir war klar, dass ich etwas machen muss, bei dem ich meinen Kopf einsetzen kann. Ich habe schon immer gerne diskutiert, da hat sich Jura angeboten. Außer dem mag ich es, dass ich mich nicht auf einen bestimmten Berufsweg festlegen muss.
Waren die Paralympics bis jetzt das Highlight Ihrer Sportkarriere?

Lilly Sellak: Definitiv. Die Paralympics waren bis jetzt mein größtes internationales Turnier. Es waren so viele verschiedene Eindrücke, einfach unglaublich. Meine Familie war da, meine Freunde. Ich denke sehr gerne daran zurück und schaue mir Bilder an.
Josia Topf: Du findest gar keine passenden Worte. Wer nicht dabei war, kann nicht nachempfinden, was wir gesehen und gefühlt haben. Es war laut, intensiv, emotional. Die Halle hat gebebt, wir haben unsere Trainer kaum gehört. Es war wie ein Kurztrip in eine andere Realität. Was mich besonders bewegt hat: die Gemeinschaft unter den Sportlerinnen und Sportlern, über Nationen hinweg.
Wie haben Sie die mediale Aufmerksamkeit erlebt?
Josia Topf: Paris hat da neue Maßstäbe gesetzt. Die Franzosen haben sich total auf die Paralympics eingelassen. Schade finde ich, dass die Aufmerksamkeit schon wieder abebbt beziehungsweise sich nur auf Einzelpersonen wie Lilly und mich fokussiert. Es gäbe viele Möglichkeiten, den paralympischen Sport insgesamt stärker in den Medien zu positionieren.
Lilly Sellak: Gerade während der Paralympics gab es eine sehr große mediale Aufmerksamkeit. Allein dass in Werbespots das paralympische Zeichen dabei war: Vielen ist zum Beispiel gar nicht bewusst, dass wir nicht die Ringe als Symbol haben. Es gab auch deutlich mehr Livestreams. Aber klar, es ist noch ein weiter Weg bis zur Gleichstellung mit den Olympischen Spielen. Wir Sportlerinnen und Sportler müssen mitziehen, sichtbar sein, uns zeigen.
Zum Beispiel bei Veranstaltungen.
Videos mit Lilly Sellak und Josia Topf finden Sie hier:
Miriam Weigand

Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
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