Silke Jansen will einen neuen Blick auf Reichtum und das vermeintlich Gute werfen, das damit getan wird. Unterstützt wird ihr internationales Projekt mit 1,5 Millionen Euro von der Volkswagenstiftung.
Nicht jedem wird Douglas Tompkins ein Begriff sein. Schon eher die Textilmarken „The North Face“ und „Esprit“, mit denen er Milliarden verdiente. Der 2015 verstorbene Amerikaner steht nicht nur für erfolgreiches Unternehmertum, sondern auch für sein besonderes Engagement in Sachen Naturschutz: Nachdem er seine Firmen verkauft hatte, begann Tompkins, Hunderttausende Hektar Grasland, Regenwald und Küstenzonen in Südamerika zu erwerben, um sie in Nationalparks umzuwandeln.
„Grundsätzlich klingt das gut, aber gegen die Projekte von Philanthropen wie Tompkins gibt es auch Vorbehalte und Widerstände“, sagt Silke Jansen. Naturschutzprojekte haben starke Auswirkungen auf die dort lebenden Menschen, weil sie beispielsweise umgesiedelt werden müssen oder nomadisch lebende Gruppen sich nicht mehr frei bewegen können. „Im globalen Norden hängen wir gern einem romantischen Verständnis an: Natur ist da, wo keine Menschen sind. Die Betroffenen vor Ort sehen das möglicherweise ganz anders.“
Gespräche mit Akteurinnen und Akteuren und Betroffenen
Diese unterschiedlichen Perspektiven will die Professorin für Romanische Sprachwissenschaft und Vorsitzende des Bayerischen Hochschulzentrums für Lateinamerika BAYLAT gemeinsam mit einem Forschungskonsortium beleuchten. Dafür hat sie das Projekt „Nature’s Wealth or Nature for the Wealthy? Philanthropism and Ecotourism in the GlobalSouth“ ins Leben gerufen, das von der Volkswagen-Stiftung mit 1,5 Millionen Euro gefördert wird. „Die Ungleichheitsforschung konzentriert sich zumeist auf Armut“, sagt sie. „Diskurse über Reichtum und die Frage, was es bedeutet, Gutes zu tun, werden eher selten untersucht.“ Das Projekt ist international und interdisziplinär: Neben der Linguistin Silke Jansen sind Forschende aus der Geografie, der Soziologie, der Ökonomie und den Tourismuswissenschaften aus Österreich, Chile, Tansania und Ecuadordaran beteiligt. In Regionen, in denen Naturschutzphilanthropen und Luxustourismus-Anbieter aktiv sind, werden sie mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen sprechen – mit den Philanthropen selbst, mit Stiftungen, Verbänden, Politikern, Reisenden und natürlich mit den Menschen vor Ort. Die Kontakte zu den Forschungspartnern sind zum Teil über das BAYLAT geknüpft worden.
Textanalyse: Wie wird Wohltätigkeit sprachlich konstruiert?
Ein gewichtiger Teil des Projekts wird jedoch in Erlangen bearbeitet: Silke Jansen erstellt und analysiert gemeinsam mit der Projektmitarbeiterin Erika Rosado Valencia in den kommenden vier Jahren ein Korpus öffentlich zugänglicher Texte, die sich mit den Themen Philanthropie und Luxustourismus beschäftigen. „Die Wohltäter selbst agieren zwar meist im Hintergrund, ihre NGOs und Stiftungen aber kommunizieren recht offensiv: über Internetpräsenzen, Social-Media-Kanäle, Messeauftritte und Pressemeldungen“, erklärt Jansen. Zudem wollen die Lateinamerika-Expertinnen untersuchen, welche Bilder von Natur die Luxustourismus-Industrie konstruiert.
Aus den Teilprojekten soll schließlich ein Gesamtbild entstehen, das zeigt, was Naturschutzphilanthropie und Luxustourismus ausmachen und wie sie sich an verschiedenen Orten und auf unterschiedlichen Ebenen auswirken. Das Thema berührt auch die grundsätzliche Frage, was gigantische Geldsummen in den Händen Einzelner bewirken können. „Reichtum hat das Potenzial, demokratische Entscheidungsprozesse auszuhebeln“, sagt Silke Jansen. „Dennoch wollen wir keine politische Forschung machen – eine kritische aber schon.“
Brücke nach Lateinamerika

Das 2009 eingerichtete Bayerische Hochschulzentrum für Lateinamerika (BAYLAT) fördert die Vernetzung von bayerischen und lateinamerikanischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. „Wir vermitteln Kontakte, leisten Anschubfinanzierungen und vergeben Stipendien für Studierende aus lateinamerikanischen Ländern“, sagt Silke Jansen. „Das alles funktioniert sehr niedrigschwellig: Jede wissenschaftliche Einrichtung in Bayern kann sich an uns wenden, wenn es um unbürokratische Unterstützung geht.“ Als Direktoriumsvorsitzende ist Jansen selbst häufig zu Gast an lateinamerikanischen Universitäten – zuletzt im Juni 2025 in Santa Clara, Kuba, wo sie zur Honorarprofessorin der Universidad Central „Marta Abreu“ de Las Villas (UCLV) ernannt wurde.
Matthias Münch

Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
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