Bier zu brauen, sei die perfekte Möglichkeit, die Theorie der Bioverfahrenstechnik in der Praxis anzuwenden, sagt Kathrin Castiglione. Das Praktikum in der lehrstuhleigenen Röthelheim-Brauerei ist heiß begehrt, das Bier sowieso.
Viel schiefgehen kann eigentlich nicht. Wenn das Malz geschrotet und eingemaischt ist, die Gärfässer desinfiziert sind und der Hopfen kocht, ist das Wichtigste geschafft. Nachdem die Hefe zugegeben wurde, braucht es Zeit für die Gärung, dann kann das Bier in Flaschen und kleine Fässer abgefüllt werden. „Das Kritischste ist, wenn sich die Studierenden bei dem Zuckergehalt für die Flaschengärung verrechnen“, sagt Kathrin Castiglione. „Wenn sich zu viel Kohlensäure bildet, kann die Verkostung schon mal in einer Schaumparty enden.“
Braumeister aus Edelstahl

Castiglione ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bioverfahrenstechnik und bietet eines der begehrtesten Praktika der FAU an: Pro Semester haben 30 bis 40 Studierende die Möglichkeit, Bier zu brauen: Helles, Weizen, Bock, Porter, verschiedene Ales. Die handgemachten Spezialitäten, Craft Biere genannt, sind unter dem Dach der Marke „Röthelheimbräu“ vereint. In der ehemaligen Reithalle am namensgebenden Röthelheim-Standort steht alles, was zum Bierbrauen benötigt wird: Schrotmühle, Hopfenwaage und die sogenannten Braumeister, in denen der gesamte Gärprozess abläuft und auf einem digitalen Display überwacht werden kann. Fünf dieser 50 Liter fassenden Edelstahlbehälter stehen hier, fünf verschiedene Biersorten können so parallel gebraut werden. Die Röthelheim-Brauerei gibt es seit 2009, ins Leben gerufen wurde sie vom damaligen Lehrstuhlinhaber Rainer Buchholz. 2018 hat Kathrin Castiglione das Projekt übernommen. „Direkt bei meinem Berufungsgespräch bin ich von Studierenden gefragt worden, ob ich die Brauerei weiterführe“, erzählt sie. „Ich musste nicht lange überlegen, denn das Bierbrauen bietet die ideale Möglichkeit, bioverfahrenstechnische Prozesse zu verstehen und in der Praxis umzusetzen. Und was gibt es Schöneres, als das Ergebnis nicht nur zu protokollieren, sondern auch zu verkosten?“
Hopfen mit Weißweinnote
Während in den Praktika nur Biere nach dem deutschen Reinheitsgebot hergestellt werden, geht es in der Brau-AG etwas freier zu: Die Mitglieder – Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lehrstuhls – experimentieren auch mit exotischen Zusätzen, etwa Kaffeeextrakt oder Orangenschalen. „Vieles lässt sich inzwischen aber auch mit neuen Hopfenzüchtungen oder besonderen Hefen aromatisieren“, erklärt Castiglione, deren Leidenschaft für Craft Biere mit jedem Jahr an der FAU gewachsen ist und die inzwischen sogar erwägt, sich zur Biersommelière ausbilden zu lassen. „Das ,Helle Köpfchen‘ etwa brauen wir mit einem neuseeländischen Hopfen, der dezente Weißweinnoten mitbringt. Manche Hopfensorten erinnern an Gras, andere an Zitrusfrüchte. Mein aktueller Favorit ist ,Mandarina Bavaria‘.“
Das wissenschaftliche Interesse des Lehrstuhls an Hopfenzüchtungen beschränkt sich allerdings nicht auf die Geschmacksnoten. Gleich zwei Promotionsvorhaben befassen sich mit der Frage, wie die antivirale und antibiotische Wirkung des Hopfens für biobasiertes Tierfutter genutzt werden kann. Luisa Kober und Marco Dürsch, beide leidenschaftliche Mitglieder
der Brau-AG, wollen an die jahrtausendealte Tradition anknüpfen, Hopfen als Heilpflanze zu nutzen. Kober untersucht den Einsatz von Hopfeninhaltsstoffen als Alternative zu herkömmlichen Antibiotika in der Geflügelzucht, um die Verbreitung resistenter Keime einzudämmen. Dürsch testet die antivirale Wirkung von Hopfenextrakten in Aquakulturen, insbesondere gegen das KoiHerpesvirus, das hier zulande vor allem Nutzkarpfen befällt.
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3/3(Bilder: FAU/Giulia Iannicelli)
Röthelheim-Bier schnell vergriffen
Zurück zum Bier: Rund 200 Liter werden bei jedem Brauvorgang hergestellt. Seit 2024 besitzt der Lehrstuhl die Lizenz, die RöthelheimSpezialitäten auch für Bierfans abzufüllen, die nicht am Brauprozess beteiligt sind. „Die wenigen Flaschen und 20LiterFässer sind immer schnell vergriffen“, sagt Kathrin Castiglione. Größere Chancen auf eine Kostprobe bieten Events, auf denen die BrauAG ihre Kreationen vorstellt, etwa die Sommerfeste der Departments, Weihnachts und Promotionsfeiern oder die Lange Nacht der Wissenschaften. Und wer es etwas kräftiger mag, kann zum jährlichen MartiniTreffen auf den Erlanger Berg gehen: Wenn dort die Starkbierzeit eingeläutet wird, ist auch die FAU mit einem Fass vertreten.
Steuerfreier Haustrunk

Dass an der Universität Bier gebraut wird, hat eine lange Tradition in Erlangen. Mit der Gründung der FAU im Jahre 1743 wurde den Professoren ein kurioses Sonderrecht zugestanden: Ihnen war es erlaubt, eigenes Bier als steuerfreien Haustrunk herstellen zu lassen. Das erledigte ein Erlanger Braumeister, dem dafür ein Universitätsbürgerrecht verliehen wurde. 1814 endete das akademische Steuerprivileg.
Matthias Münch

Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins
Die dritte Ausgabe des FAU Magazins #Menschen steht auch wieder ganz im Zeichen der Menschen, die unsere FAU zu einer der besten Universitäten der Welt machen. Wie lebendig und vielfältig unsere Forschung, das Engagement der Studierenden und die Arbeit in den wissenschaftsstützenden Bereichen sind, zeigen die Beispiele dieser Ausgabe.
Ein Highlight ist sicherlich der neue Forschungscluster „Transforming Human Rights“. Oder folgen Sie unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Labore und Werkstätten, wo sie Kartoffeln klimaresistent machen, Robotern soziales Verhalten beibringen oder antike Schiffe und Geschütze nachbauen. Studierende entwickeln an der FAU senkrecht startende Flugzeuge oder überzeugen mit überragenden Leistungen bei den Paralympics. Und nicht zu vergessen die Menschen, die an unserer Uni arbeiten oder als Ehemalige der FAU stark verbunden sind. Besuchen Sie mit ihnen die KinderUni oder schauen Sie sich mit einer FAU-Alumna und Grimme-Preis-Trägerin eine Fernsehserie an.
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