Ist das schon ein Krieg?

Die USA haben unter Donald Trump einen wirtschaftlichem Konfliktkurs mit der EU eingeschlagen. Ist das schon ein Handelskrieg? Wie können Unternehmen auf die aktuelle US-Handelspolitik reagieren und gibt es rechtliche Mittel dagegen? Vier FAU-Wissenschaftler antworten.

Befinden wir uns in einem Handelskrieg mit den USA?

Prof. Dr. Stefan Fröhlich, Professur für Internationale Beziehungen und Politische Ökonomie

Prof. Dr. Stefan FröhlichIn einem Handelskrieg, der von der wechselseitigen Erhöhung von Importzöllen angetrieben wird, gewinnt niemand. Trumps Ziel einer Neuausrichtung des Welthandels scheint dies in Kauf zu nehmen. Kann man deswegen gegenwärtig bereits von einem Handelskrieg sprechen? Nein. Das, was wir seit Amtsantritt des Präsidenten erleben, ist sicherlich sowohl im Fall Chinas wie auch im Fall der EU ein ernstzunehmender Handelskonflikt; in beiden Fällen aber geht es Washington zunächst um die durchaus legitime Korrektur gravierender Handelsbilanzdefizite aus Sicht der USA und nicht um einen Machtkampf, den es unbedingt zu gewinnen gilt.

Soll es nicht zum großen Knall zwischen den USA und Europa kommen, gilt es für die EU zweierlei zu beachten: Erstens, das transatlantische Verhältnis lässt sich nicht allein auf die ökonomische Dimension reduzieren. Wie sich Europa in diesem Konflikt positioniert, ist nicht nur eine wirtschaftliche Frage, sondern auch eine sicherheitspolitische; nicht umsonst verknüpfen die USA zu Recht die Handelsfragen mit den europäischen Militärausgaben. Zweitens, auf der globalen Bühne mögen die USA unter Trump als der derzeit größte Protektionist gelten. Tatsächlich aber schützt die EU ihre Wirtschaft mindestens in gleichem – China in noch stärkerem – Maße vor der ausländischen Konkurrenz. Europa sollte daher vielmehr auf amerikanische Angebote im Zollstreit eingehen und zu einer pragmatischeren Verhandlungsstrategie wechseln.

Was sind die ökonomischen Auswirkungen eines Handelskrieges?

Prof. Dr. Christoph Moser, Lehrstuhl für Global Governance

Prof. Dr. Christoph Moser

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika twitterte im März 2018, dass „Handelskriege gut und leicht zu gewinnen seien“. Stimmt das und warum zettelt er einen Handelskrieg mit China und vielleicht Europa an? Die USA importieren viel mehr aus diesen Ländern als sie dorthin exportieren und weisen ein starkes Handelsbilanzdefizit sowie eine steigende Auslandsverschuldung auf. Zudem macht der US-Präsident den Außenhandel für den Verlust von Industriearbeitsplätzen in bestimmten US-Regionen verantwortlich. Sind höhere Importzölle also die Lösung? Die ökonomische Antwort darauf ist ein klares Nein.

Solange das Zielland des Handelskriegs nicht sehr klein ist, führt ein derartiger Handelskrieg immer zu erheblichen Kosten für alle Beteiligten. Einige US-Jobs bleiben vorläufig erhalten, aber steigende heimische Preise belasten alle Haushalte und als Reaktion auf neue Handelsbarrieren können mehr Jobs bei anderen Firmen verloren gehen als gerettet werden. Zunächst mögen die Kosten des Handelskriegs für das exportstarke China höher sein als für die USA, aber der Kuchen, sinnbildlich für Handelsgewinne, wird insgesamt kleiner. Die ehrliche Botschaft müsste also lauten: Unser Kuchen wird kleiner, aber schaut euch unsere Handelspartner an – deren Kuchen schrumpfen stärker als unserer! Sollte der Handelskrieg zum Wirtschaftskrieg werden und China US-Staatsanleihen verkaufen, dann wären die Kosten für die USA, China und die Weltwirtschaft massiv.

Wie können EU-Unternehmen auf die US-Handelspolitik reagieren?

Prof. Dr. Markus Krajewski, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Völkerrecht

Prof. Dr. Markus KrajewskiDa zwischen den USA und der EU kein bilaterales Handelsabkommen besteht, werden ihre Handelsbeziehungen durch das Recht der Welthandelsorganisation (WTO) geregelt. Danach sind Zollerhöhungen grundsätzlich verboten und nur in bestimmten Ausnahmefällen erlaubt. Die USA behaupten, sie könnten sich auf eine bislang kaum genutzte Klausel zum Schutz der nationalen Sicherheit berufen, um ihre Zollschranken gegen Stahl und Aluminium zu rechtfertigen. Die EU sieht das anders und bewertet die US-Maßnahmen als Verstoß gegen das WTO-Recht. Allerdings können sich Unternehmen aus der EU hierauf nicht direkt berufen.

Anders als Investitionsabkommen, die Unternehmen Rechte verleihen, welche diese vor internationalen Schiedsgerichten direkt einklagen können, gilt das WTO-Recht rein zwischenstaatlich. EU-Unternehmen müssen sich daher an die EU-Kommission wenden, damit diese ein Verfahren gegen die USA vor den WTO-Streitbeilegungsgremien anstrengt. Das hat die Kommission im Juni 2018 bereits getan. Sollte die WTO der EU Recht geben, könnte die EU ihrerseits Handelsschranken gegen die USA verhängen. Die von den amerikanischen Sanktionen betroffenen Unternehmen können aber nur hoffen, dass die USA diese von sich aus zurücknehmen. Vor internationalen Gerichten haben sie keine Klagemöglichkeiten. Das wäre auch mit dem geplanten Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) wahrscheinlich nicht anders gewesen, da auch nach diesem Abkommen nur Unternehmen Klagerechte gehabt hätten, die in den USA investiert hätten, aber nicht Unternehmen, die nur in die USA exportieren.

Gibt es zivilrechtliche Mittel gegen die US-Handelssaktionen?

Prof. Dr. Robert Freitag, Lehrstuhl für Deutsches, Europäisches und Internationales Privat- und Wirtschaftsrecht

Prof. Dr. Robert Freitag

Unmittelbar nachteilig von der aktuell restriktiven Außenhandelspolitik der USA betroffene Unternehmen können den amerikanischen Staat grundsätzlich selbst wegen rechtswidriger Maßnahmen nicht auf Schadensersatz verklagen. Eine prominente Ausnahme macht die jüngst reaktivierte sogenannte EU-Blocking-Verordnung, mit der sich die EU unter anderem gegen die extraterritorialen Wirkungen der US-amerikanischen Sanktionen gegen den Iran wehrt. Die USA untersagen Unternehmen weltweit den Handel mit dem Iran und bestrafen Verstöße mit zum Teil drastischen verwaltungs- und strafrechtlichen Sanktionen für die Unternehmen selbst wie auch für ihr Personal. Da die EU ihrerseits den Handel mit dem Iran fördern will, erklärt die EU-Blocking-VO die US-Sanktionen für in der EU unbeachtlich und verbietet hiesigen Unternehmen die Befolgung der US-Sanktionen.

Europäische Unternehmen, denen hieraus finanzielle Nachteile entstehen, sollen die USA in der EU auf Schadensersatz verklagen und hier belegene Vermögenswerte der USA gerichtlich beschlagnahmen lassen dürfen. Dieser Regelungsansatz hat sich bereits in der Vergangenheit als unbrauchbar erwiesen. Sogar internationale Großkonzerne wagen es nicht, die US-Sanktionen zu missachten und hierdurch sich selbst und ihr Personal den US-Strafsanktionen auszusetzen und ihre Reputation in den USA zu riskieren. Erst Recht sind in der Vergangenheit keine Klagen gegen die USA auf der Grundlage der EU-Blocking-VO erhoben worden. Die Verordnung führt daher im Wesentlichen dazu, dass europäische Unternehmen, die auch in den USA Geschäfte machen, gegenläufigen Normbefehlen ausgesetzt sind, die sie nicht gleichzeitig befolgen können.

 


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Titelbild alexander Nr. 109

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Dieser Text erschien zuerst in unserem Magazin alexander. Weitere Themen der Ausgabe: nachwachsende Raubtierzähne und Kopffüßer, eine Roboterschmiede und ein Alumnitreffen in Kanada.

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