Wie blitzschnelle Simulationen Mittelständlern bei Millioneninvestitionen helfen
Elektrischer Strom statt Erdgas, nachhaltige Rohstoffe statt Erdöl: Die Chemische Industrie steht vor einem Wandel. Mittelständische Unternehmen tun sich jedoch oft schwer, die richtigen Investitionsentscheidungen für das eigene Unternehmen und die eigenen Prozesse zu treffen. Prof. Dr. Bastian Etzold, Inhaber des Lehrstuhls Power-to-X-Technologien an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) arbeitet an einer Methode, in Sekundenschnelle die unterschiedlichen Szenarien für ein individuelles Unternehmen zu simulieren und Firmenlenkerinnen und -lenkern so eine verlässliche Entscheidungshilfe für kostspielige Investitionen an die Hand zu geben. Das Projekt wird mit 1,3 Millionen Euro gefördert.
Für sein Projekt setzt Chemie- und Bioingenieur Prof. Dr. Bastian Etzold einen digitalen Zwilling ein – also eine im digitalen Raum erschaffene Kopie der Produktion mit Rohstoffvorbereitung, chemischen Umwandlung und Aufreinigung. An diesem digitalen Zwilling lassen sich Umrüstungen der Firmen für neue nachhaltige Produktionsmöglichkeiten und die Auswirkungen einer Vielzahl an unterschiedlichen Einflüssen durch neu Rohstoffe oder Strompreisschwankungen blitzschnell simulieren.
Warum sind Investitionen im Mittelstand schwierig?
„Jedes mittelständische Unternehmen und jede chemische Produktion ist anders. Mit welchen Rohstoffen wird gearbeitet? Welche Apparate kommen zum Einsatz? Welche neuen nachhaltigen Rohstoffe und neuen Technologien können eingesetzt werden? Und sollten für eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit bestehende Infrastrukturen umgebaut oder komplett neue Produktionsketten etabliert werden?“, erklärt Etzold die Herausforderung. „Gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen können Investitionsentscheidungen nur schlecht in einem Pilotversuch angetestet werden und müssen direkt sitzen. Hier hilft der digitale Zwilling viele verschiedene Szenarien am Computer auszuprobieren. Simulieren konnten wir auch bisher schon – aber diese Vielfalt an Möglichkeiten und nicht in dieser Präzision und Geschwindigkeit.“
Wie hilft KI bei Investitionen im Unternehmen?
Bislang mussten die Simulationen individuell von Menschen aufgesetzt werden und konnten immer nur eine spezifische Konstellation von Parametern – also welcher Rohstoff, ein optimierter Produktionsprozess) abbilden. Bastian Etzold und sein Team arbeiten nun an einer Methode, mit der mehr als 50.000 solcher Computersimulationen automatisiert durchgeführt werden, ohne dass jedes Mal ein Mensch eingreifen muss, um die Simulation bei Problemen anzupassen und quasi den Startknopf neu zu betätigen. So entstehen große Mengen an hochwertigen Daten zu den einer immensen Vielfalt an möglichen Konstellationen. Diese Daten werden genutzt, um künstliche Intelligenz (KI) zu trainieren. Die KI kann dann schnell vorhersagen, wie ein chemischer Produktionsprozess auf verschiedenen Bedingungen reagiert und welche Faktoren welchen Einfluss haben. So lässt sich auch in Sekundenschnelle über eine Vielzahl an KI basierten Simulationen berechnen, wie der Prozess am effizientesten, umweltfreundlichsten oder kostengünstigsten gesteuert werden kann, zum Beispiel durch die Nutzung von überschüssigem Strom.
Über das Projekt
Für seinen Förderantrag im Förderprogramm „Europäischer Fonds für regionale Entwicklung: Strategische Technologien für Europa (STEP)“ der Europäischen Union gelang es ihm mit Unterstützung des Chemie-Clusters Bayern, ein Antragskonsortium zu gründen: Neben der FAU sind elf Mittelständler beteiligt, etwa Rösler CeramInno GmbH oder OxFA GmbH – sie sind Pilotpartner für das Projekt und profitieren damit auch unmittelbar von den Forschungsergebnissen. Die 1,3 Millionen Euro Fördermittel fließen unter anderem in die Finanzierung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die unmittelbar an den Projektthemen arbeiten und so neben den erzielten Forschungserfolgen auch eine eigene wissenschaftliche Karriere beginnen können.
Mehr zur Forschung von Bastian EtzoldWeitere Informationen:
Prof. Dr. Bastian Etzold
Lehrstuhl Power-to-X-Technologien
bastian.etzold@fau.de
