Lucie Adelsberger war Ärztin, Forscherin, Überlebende von Auschwitz – und eine Wegbereiterin für Frauen in der Medizin. Selbst unter Diskriminierung, Berufsverboten und den grausamen Bedingungen der NS-Verfolgung hielt sie an ihrem Beruf, ihrer Forschung und ihrem Einsatz für andere fest. Ihre kurz nach Kriegsende verfassten Erinnerungen zählen zu den frühen, bedeutenden Zeugnissen des Holocaust und belegen die Kraft und Widerstandsfähigkeit einer außergewöhnlichen Frau.
„Wenn Haß und Verleumdung leise keimen, dann, schon dann heißt es wach und bereit zu sein. Das ist das Vermächtnis derer von Auschwitz.“ – Lucie Adelsberger
Von Nürnberg nach Berlin
Am 30. Oktober 1914 schrieb sich Lucie Adelsberger an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg für ein Medizinstudium ein – in einer Zeit, in der Frauen in akademischen Berufen noch Ausnahmen waren. Nachdem sie ihr Studium gemeistert hatte, legte sie im Dezember 1920 die ärztliche Prüfung ab, im Januar 1923 wurde sie zur Dr. med. promoviert.
Geboren 1895 in Nürnberg, wuchs sie als Tochter des Weinhändlers Isidor Adelsberger und seiner Frau Rosa (geb. Lehmann) auf. Nach dem Studium zog sie nach Berlin, wo sie zunächst am Städtischen Krankenhaus in Friedrichshain und in der Kinderklinik des Waisenhauses tätig war. 1925 eröffnete sie im Berliner Stadtteil Wedding ihre eigene Praxis mit dem Schwerpunkt auf Allergien – gleichzeitig setzte sie sich für die Säuglings- und Kinderwohlfahrt ein. Noch im selben Jahr erhielt sie den Facharzttitel für Innere Medizin, 1926 folgte die Anerkennung als Fachärztin für Kinderheilkunde.

Neben ihrer Arbeit als Ärztin trat Lucie Adelsberger für die Rechte von Frauen in der Medizin ein. Sie engagierte sich im Bund Deutscher Ärztinnen und in der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde. Ab 1927 arbeitete sie – zusätzlich zu ihrer Praxistätigkeit – am Robert Koch-Institut (RKI), wo sie gemeinsam mit dem Serologen Hans Munter allergische Erkrankungen erforschte und eine Beratungsstelle für Betroffene mit aufbaute. Sie gehörte zu den wenigen Frauen, die während der Weimarer Republik für einen längeren Zeitraum am RKI forschten.

Gegen alle Widerstände
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich ihr Leben dramatisch, sie wurde aus allen beruflichen Positionen gedrängt. Als Jüdin verlor sie 1933 ihre Stelle am RKI und die Kassenzulassung, 1938 auch die Approbation. Dennoch durfte sie als sogenannte „Krankenbehandlerin“ weiterhin jüdische Patientinnen und Patienten behandeln. Ein Angebot der Harvard University lehnte die begabte Ärztin ab – aus Liebe und Verantwortung für ihre kranke Mutter, die sie in Deutschland nicht alleine lassen wollte.
Nach dem Tod ihrer Mutter wurde Lucie Adelsberger am 17. Mai 1943 von den Nationalsozialisten nach Auschwitz deportiert. Dort erhielt sie die Häftlingsnummer 45.171. Sie musste im „Frauen- und Zigeunerlager“ in Birkenau als Häftlingsärztin arbeiten und lernte den berüchtigten Lagerarzt Josef Mengele kennen. Unter katastrophalen hygienischen Bedingungen erkrankte sie an Fleckfieber, überlebte jedoch das Lager und den anschließenden Todesmarsch nach Ravensbrück. Am 2. Mai 1945 wurde sie im Außenlager Neustadt-Glewe befreit.

Überleben und Erinnern
Nach dem Krieg hielt Lucie Adelsberger ihre Erlebnisse in einem bewegenden Bericht fest. 1946 emigrierte sie in die USA, absolvierte das amerikanische Medizinexamen und arbeitete in New York am Montefiore Medical Center in der Krebsforschung. Ihr Buch „Auschwitz – Ein Tatsachenbericht“, erstmals 1956 auf Deutsch veröffentlicht, bleibt ein eindrucksvolles Zeugnis des Überlebens und Erinnerns.

Lucie Adelsberger starb 1971 in New York an den Folgen einer Krebserkrankung. Sie wurde 76 Jahre alt. Ihr Lebensweg, geprägt von Mut, unerschütterlichem Engagement und großer innerer Stärke, macht die FAU-Alumna zu einer Persönlichkeit, die weit über ihre Zeit hinausstrahlt.

Zum Weiterlesen:
- Eduard Seidler (Hrsg.) (2005) Lucie Adelsberger. Auschwitz – Ein Tatsachenbericht (2. Auflage). Bouvier Verlag: Bonn.
- Benjamin Kuntz (2020) Lucie Adelsberger. Ärztin – Wissenschaftlerin – Chronistin von Auschwitz. Hentrich & Hentrich: Leipzig/Berlin.
Mit herzlichem Dank an Dr. Benjamin Kuntz, Robert Koch-Institut, für die zur Verfügung gestellten Illustrationen und Informationen.
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