Mehr als Glückskekse

Museumsraum mit Ausstellungsstücken
Ein Blick in die Sonderausstellung „Zeichen der Zukunft. Wahrsagen in Ostasien und Europa“ (Foto: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg/ Felix Röser)

GNM zeigt in Zusammenarbeit mit FAU die Ausstellung „Zeichen der Zukunft. Wahrsagen in Ostasien und Europa“

Eine unsichere Zukunft ist ungemütlich. Im schlimmsten Fall macht sie Angst. Dieses Gefühl verbindet die Welt seit Jahrtausenden. Dies wird sichtbar in der Ausstellung „Zeichen der Zukunft. Wahrsagen in Ostasien und Europa“ des Germanischen National Museums (GNM) unter Mitwirkung des Internationalen Kollegs für Geisteswissenschaftliche Forschung der FAU (IKGF), die vorerst digital bis zum 30. Mai zu sehen ist. Dort werden Instrumente, Formen und Akteure des Wahrsagens in Ostasien und Europa gegenübergestellt. Die digitale Einführung des GNM gibt mit interaktiven Bildern, Videos und kurzen Texten einen ersten Einblick in die Ausstellung. Erstmals veröffentlicht das GNM außerdem auch einen Ausstellungskatalog über „open access“.

Bild aus der Ausstellung
Beim Geister-Schreiben nutzen die Teilnehmer den Fuluan (Phönix-Griffel), um Botschaften von Gottheiten oder Geistern zu empfangen. Zwei Person führen es über glattgestrichenen Sand oder Asche, so entstehen Schriftzeichen. (Foto: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg / Felix Röser)
(nach 1945, Leihgabe des Lanyang Museum, Toucheng, Taiwan)

Insgesamt sind es 130 Objekte aus den Beständen des Germanischen Nationalmuseums, der Academia Sinica in Taipeh und dem National Museum of Taiwan History. Einige Stücke aus dem ostasiatischen Raum sind zum ersten Mal im Ausland zu sehen. Dabei sind sowohl chinesische Orakelknochen aus dem 13. Jahrhundert vor Christus als auch europäische Tarot-Karten aus dem 21. Jahrhundert. Die Ausstellung vergleicht Wahrsagung in Ostasien und Europa. Deshalb steht, wenn möglich, ein ostasiatisches Instrument neben einem aus Europa. So kann man Unterschiede und Parallelen direkt erkennen.

Knochen mit Zeichen
Der rund 3000 Jahre alte Orakelknochen ist das älteste Exponat der Ausstellung. Auf die Unterseite eines Schildkrötenpanzers wurden kleine Schnitte und Fragen geritzt. Der Panzer wurde anschließend erhitzt und die durch Hitze entstandenen Risse als Zeichen gedeutet. (Foto: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg / Felix Röser)
(Anyang, ca. 13. Jh. v. Chr., Leihgabe des Museum of Institute of History and Philology, Academia Sinica, Taipeh)

Aber nicht nur die Instrumente unterscheiden sich, auch der Umgang der Kulturen mit Wahrsagung ist verschieden. In der asiatischen Lebenswelt sei Wahrsagung immer noch Teil des Alltags, erklärt Prof. Dr. Michael Lackner, Lehrstuhlinhaber für Sinologie, sowie Direktor des Internationalen Kollegs für geisteswissenschaftliche Forschung „Schicksal, Freiheit und Prognose“ der FAU: „Ich kenne niemanden in Ostasien, der seine Tochter verheiraten würde, ohne dafür nach einem passenden Termin im chinesischen Almanach zu schauen“. In Europa wird man für den Blick in sein Horoskop eher belächelt. Im ostasiatischen Raum ist Wahrsagung auch weiterhin eine Form der Wissenschaft und fester Bestandteil der Kultur. Das erklärt einen weiteren Unterschied: 90 Prozent der chinesischen Wahrsagekünste waren nie verboten. In Europa haben das Christentum und die Aufklärung viele Praktiken verdrängt und ausgelöscht.

Beim Vergleich der Wahrsagungsinstrumente war Prof. Dr. Michael Lackner besonders von den Handbüchern zum Handlinienlesen überrascht: „Ohne dass die beiden Kulturen jemals in Kontakt gekommen wären, sind sich die Bücher so ähnlich, dass man wirklich nahe herangehen muss, um überhaupt einen Unterschied zu sehen. Man erkennt es nur an den Schriftzeichen“.

Feng Shui Kompass
Der chinesische Kompass wurde genutzt, um den perfekten Ort und Zeitpunkt für bestimmte Handlungen zu bestimmen, zum Beispiel für eine Beerdigung oder einen Hausbau. (Foto: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg/ Felix Röser)
(Luopan, Tainan, 1875/1945, Leihgabe des National Museum of Taiwan History, Tainan)

Anders ist es beim Feng-Shui Kompass. Dort sind deutliche Unterschiede zum europäischen Gegenstück zu erkennen: „Wir haben zwar neben den Feng-Shui Kompass ein Astrolabium gestellt, weil beide Objekte auf Vermessung zielen. Das Astrolabium gilt dem Himmel, der Kompass gilt für Zeit und Raum“, erklärt Prof. Lackner. Wann ist ein günstiger Zeitpunkt, um einen Toten zu beerdigen? Wo ist der passende Ort und wie richte ich den Leichnam aus? Welche Kriterien gelten für Wohnstätten? Antworten dafür liefert der chinesische Kompass.

Mit dem interkulturellen Vergleich traditioneller Formen der Prognostik hat das IKGF ein neues Forschungsfeld eröffnet. Prof. Lackner möchte in Zukunft weiter vergleichen: mit spezifischen Ländern, im globalen Kontext oder mit dem heutigen Status der Prognostik.

Die Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit dem IKGF, dem Historischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und in Kooperation mit dem National Museum of Taiwan History sowie der Academia Sinica in Taipeh. Sie stellt einen der Höhepunkte der interdisziplinären Arbeit des IKGF dar.

Weitere Informationen