Studie macht Hoffnung auf neue Therapien gegen Lungenfibrose und Krebs

Arzt, der die Diagnose Asthma, Lungenkrankheit, COVID-19, Coronavirus oder Knochenkrebs stellt, mit radiologischem Röntgenfilm des Brustkorbs für die medizinische Versorgung im Krankenhaus
(Bild: shutterstock/chinnapong)

US-amerikanisches Team unter Beteiligung der FAU identifiziert einen Mechanismus, der bei beiden Erkrankungen eine wesentliche Rolle zu spielen scheint

Eine aktuelle Studie könnte mittelfristig zu völlig neuen Therapieansätzen gegen Krankheiten wie Lungenfibrose und Krebs führen. Ihre Ergebnisse belegen, dass für den Verlauf beider Erkrankungen ein Mechanismus namens Durotaxis eine wesentliche Rolle spielt. Darunter versteht man die Fähigkeit von Zellen, sich im Gewebe zu Orten mit größerer Steifigkeit zu bewegen. Dieser Prozess trägt etwa zur Narbenbildung bei einer Lungenfibrose bei, aber auch zur Metastasierung bei manchen Tumoren. Wird die Durotaxis durch einen Wirkstoff unterbunden, verlaufen die Erkrankungen daher weniger schwer. An den Arbeiten unter Leitung der US-amerikanischen Harvard Medical School war auch die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) beteiligt. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift Nature Cell Biology* erschienen; ein Kommentar zu diesem Thema wurde in Cell Biology International** veröffentlicht.

Seit einigen Jahrzehnten ist bekannt, dass viele Zellen die Elastizität ihrer Umgebung messen können. Sie nutzen diese Fähigkeit, um sich zu orientieren – etwa, um im Gewebe zu Orten größerer Steifigkeit zu wandern. Die Wissenschaft spricht in diesem Zusammenhang von Durotaxis (von lateinisch durus = hart und griechisch taxis = Ausrichtung). Wie Zellen das genau machen und vor allem: warum, beginnen Forschende aber erst zu verstehen.

Um sich an ihre Umgebung (den sogenannten Extrazellularraum) anzuheften, nutzen Zellen molekulare „Finger“ auf ihrer Außenseite, die Integrine. Diese leiten dabei zugleich Elastizitäts-Informationen in das Zellinnere weiter. Dort löst die Anheftung die Bildung des sogenannten Fokalkontakt-Komplexes aus. Diese komplexe Maschinerie aus Dutzenden verschiedener Moleküle entscheidet in Abhängigkeit von der Gewebe-Steifigkeit darüber, wie sich die Zelle nun verhält.

Ein älterer Herr mit Brille.
Prof. Wolfgang Goldmann (PhD) von der Fachgruppe für Biophysik an der FAU (Bild: privat)

Elastizitäts-System gezielt gehemmt

Wichtige Bestandteile des Komplexes sind das Protein Paxillin sowie das Enzym Fokalkontakt-Kinase (FAK). Die beiden interagieren miteinander und setzen dadurch gegebenenfalls die Wanderungsbewegung in Gang. „Wir haben nun die Interaktion zwischen diesen beiden Molekülen gehemmt und beobachtet, welche Auswirkungen dies hat“, erklärt Prof. Wolfgang Goldmann (PhD) von der Fachgruppe für Biophysik an der FAU.

Dazu nutzten die Forschenden Mäuse, die an einer Lungenfibrose litten. Bei der Erkrankung vernarbt die Lunge nach und nach, ausgelöst etwa durch chronische Entzündungen. Dadurch wird sie immer weniger dehnbar, was ihre Durchlüftung zunehmend behindert. Zusätzlich wird der Gasaustausch zwischen Lungenbläschen und Blut durch das Narbengewebe eingeschränkt. Die Erkrankung kann daher zum Tode führen.

Narbenbildende Zellen wandern zum Narbengewebe

„Wir konnten zeigen, dass in fibrotischem Lungengewebe ein hoher Steifigkeits-Gradient herrscht“, sagt Goldmann. „Bereits vernarbte Bereiche sind sehr fest, das gesunde Gewebe dagegen sehr elastisch. Dieser Gradient sorgt dafür, dass sich narbenbildende Zellen – sogenannte Fibroblasten – zu den vernarbten Stellen bewegen und die Situation noch verschärfen.“

In Mäusen, in denen die Interaktion zwischen Paxillin und FAK auf genetischem Wege ausgeschaltet wurde, unterblieb diese Fibroblasten-Wanderung dagegen. Die Erkrankung verlief bei diesen Tieren daher deutlich milder. Es gibt zudem einen Wirkstoff, der die Interaktion ebenfalls behindert. Auch dieser führte bei den Tieren zu deutlich schwächeren Symptomen, ohne dass sich dabei unerwünschte Nebenwirkungen einstellten.

Wirkstoff verringert Metastasierung von Pankreas-Tumoren

„Ähnlich positive Effekte sahen wir auch bei einem weiteren Krankheitsbild: dem Krebs der Bauchspeicheldrüse, auch Pankreaskarzinom genannt“, betont Goldmann. Pankreas-Tumoren grenzen sich durch eine Schicht vernarbter Zellen gegen ihre Umgebung ab. Dadurch wird es etwa Immunzellen erschwert, in die Geschwulst einzudringen und sie zu bekämpfen. Gleichzeitig ist der Pankreaskrebs sehr aggressiv und bildet leicht Metastasen in anderen Körperregionen.

„Wir konnten zeigen, dass dabei Krebszellen aus dem weichen Tumor-Innern mittels Durotaxis zu den verhärteten Randbereichen wandern“, erklärt Goldmann. „Im Anschluss siedeln sie in das umgebende Gewebe über und wandern in die Blutbahn ab; so verbreiten sie sich.“ Wurde die Durotaxis durch Störung des Paxillin-FAK-Systems unterbunden, unterblieb in den Mäusen die aggressive Bildung von Metastasen. Auch in diesem Fall blieben größere Nebenwirkungen aus.

„Die Arbeit zeigt, dass Durotaxis bei sehr verschiedenen Krankheiten eine wesentliche Rolle spielt“, betont Goldmann. „Sie stellt daher einen völlig neuen Angriffspunkt für Medikamente dar.“ Wirkstoffe, die diesen Mechanismus (und damit die Zellwanderung) gezielt beeinflussen, könnten sich daher mittelfristig zu einer wichtigen neuen Waffe im Kampf gegen Krebs oder Fibrosen der Lunge, des Herzen oder der Niere entwickeln.

*https://doi.org/10.1038/s41556-025-01697-8

Zur Originalpublikation

**https://doi.org/10.1002/cbin.12156

zum Kommentar

Weitere Informationen:

Prof. Wolfgang H. Goldmann, PhD
Tel. 09131/85-25605
wolfgang.goldmann@fau.de
https://bio.physik.fau.de