Wo einst die wilden Kerle einsaßen

Kreativer Zeitvertreib: Viele Sprüche und Zeichnungen haben die Studenten im ehemaligen Karzer hinterlassen. (Bild: Erich Malter)
Kreativer Zeitvertreib: Viele Sprüche und Zeichnungen haben die Studenten im ehemaligen Karzer hinterlassen. (Bild: Erich Malter)

„Weil ich den Leutnant Westermayr einen Maulaff hab geheißen, muszt ich zehn blanke Mark berappen und auf zwei Tag in den Karzer reisen“ – dies ist einer der Sprüche an der Zellenwand. Die kleine Kammer ist karg eingerichtet mit einem Tisch, zwei Stühlen und einer Pritsche, auf der man die Nacht vermutlich eher schlecht verbracht hat. Kein Stadtgericht hat den vorlauten Studenten verurteilt – in früheren Jahrhunderten kümmerten sich Universitäten selbst um ihre Lausbuben.

Heutzutage ist es schwer vorstellbar, aber die FAU verfügte bis vor 200 Jahren noch über eine eigene Gerichtsbarkeit, der alle Universitätsangehörigen unterstanden. Sie wurde 1814 abgeschafft, aber der Universität blieb die Aufsicht über Disziplinarangelegenheiten. So gab es bis 1913 auch hauseigene Arrestzellen, den Karzer. Der Karzer befand sich von 1838 bis 1898 in der Wasserturmstraße. Von 1919 bis 1959 waren hier ein Heimatmuseum und danach eine Gaststätte untergebracht, wo eine der Zellen zur Kaltküche umgebaut wurde. 2003 wurde das ganze Haus saniert und eine Musikschule zog ein. Eine der Zellen ist heute noch im Originalzustand zu sehen.

So schlimm war‘s dann doch nicht

Störung der nächtlichen Ruhe, Raufereien und sonstiges ungebührliches Benehmen hatten die Reise in den Karzer zur Folge. Aber so hart wie echter Knast war es wohl nicht. Die Studenten durften für den Besuch ihrer Vorlesungen und für die Körperpflege ihre Zelle verlassen. Die Zeit vertrieben sie sich mit Dichten und Malen, was an den Zellenwänden zu erkennen ist, wo unzählige, teilweise derbe Sprüche und Bilder prangen. Besonders die Silhouettenzeichnungen sind charakteristisch für die Studentenbünde dieser Zeit. Auch Alkohol schleusten die Studenten reichlich in die Zellen. So hat angeblich der spätere Schriftsteller Christian Friedrich Daniel Schubart während seiner 34-tägigen Haft das Kunststück vollbracht, 187 Maß Braunbier zu trinken. Der Karzer wirkte nicht sehr abschreckend oder läuternd auf die Studenten – es gehörte eher zum guten Ton, mindestens einmal im Karzer gewesen zu sein. Vielleicht hat auch gerade die Institution des Karzers die Studenten erst zu allerlei Blödsinn inspiriert.

Gut dokumentiert ist der Fall eines Studenten, der einem Soldaten eine Orange auf den Helm gesteckt hat. „S‘war doch ein schöner Witz/ Die Orang` auf Helmesspitz“ hat der Student ins Karzerbuch, wo sich die Insassen verewigten, geschrieben. Witzig fand der Beglückte das überhaupt nicht und zeigte den Scherzkeks an. Dieser beteuerte, dass es ihm „einzig und allein darum ging, dem Manne die Orangen zu schenken“. Das Gericht entgegnete allerdings, dass eine „unter diesen Umständen aufgedrängte Schenkung den Charakter einer Verhöhnung nicht verliere“. Da half auch die unbeholfene Entschuldigung des Studenten nichts, dass er „schwer betrunken“ gewesen sei. Sechs Tage Karzer und ein Beinahe-Verweis von der Universität lautete das Urteil der Uni-Richter.

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Inhalt alexander Nr. 96Dieser Artikel erschien auch in unserem Magazin alexander. Weitere Themen der Ausgabe Nr. 96: ein Gespräch mit der ersten und der aktuellen Frauenbeauftragten – wofür sie gekämpft haben und was sie sich für Frauen in der Wissenschaft wünschen, ein Pro und Kontra zum Freihandelsabkommen TTIP, eine Reportage über Fehler von Medizinstudenten, die zur Sicherheit von Patienten beitragen und ein Interview mit dem Erfinder der Ein-Dollar-Brille, der zugleich FAU-Absolvent ist.