Zweites Kind trotz Unfruchtbarkeit nach Krebstherapie

Sandra G. und Andreas S. mit Tochter Isabel und Sohn Matías (Baby) im Schlosspark Laupheim (Bild: Uni-Klinikum Erlangen/Tobias Egle)
Sandra G. und Andreas S. mit Tochter Isabel und Sohn Matías (Baby) im Schlosspark Laupheim (Bild: Uni-Klinikum Erlangen/Tobias Egle)

Erlanger Reproduktionsmediziner ermöglichten weltweit einzigartige Schwangerschaft

Sandra G. (34) freut sich über die Geburt ihres zweiten Kindes Matías – weltweit ist nur ein weiterer Fall von einer Frau bekannt, die durch eine Krebstherapie unfruchtbar wurde und nach der Retransplantation von kryokonserviertem Eierstockgewebe mehr als einmal schwanger wurde. Während eine Kopenhagenerin nach der Therapie eines Ewing-Sarkoms unfruchtbar wurde und später trotzdem drei Kinder gebar, handelte es sich bei Sandra G. um ein Mammakarzinom, das erfolgreich behandelt wurde. In Deutschland wurde bislang achtmal – davon siebenmal im Universitätsklinikum Erlangen – kryokonserviertes Eierstockgewebe nach Krebstherapien so transplantiert, dass die Frauen schwanger werden und Kinder gebären konnten.

Sandra G. erkrankt im Juli 2008 an Brustkrebs. Vor ihrer Behandlung lässt sie Eierstockgewebe im Universitätsklinikum Erlangen entnehmen und einfrieren (Kryokonservierung). Durch die Chemotherapie wird die Patientin unfruchtbar und lässt das Gewebe anschließend retransplantieren. Mit Erfolg: Die Hormonproduktion setzt wieder ein und Sandra G. wird erstmals schwanger. Im August 2012 bringt sie ihre Tochter Isabel im Uni-Klinikum Erlangen zur Welt. Knapp zwei Jahre später beginnt die zweite Schwangerschaft. Am Muttertag, den 10. Mai 2015, erblickt um 8.47 Uhr Isabels Bruder Matías in Neu-Ulm das Licht der Welt. „Wir sind überglücklich und der Kleine hat uns mit seinen 50 cm und 3.600 g verzaubert“, so Sandra G. und ihr Ehemann heute.

Das Eierstockgewebe wird von Prof. Dittrich in die „Kryomaschine“ gehängt. Dort wird es in flüssigem Stickstoff langsam (2,5 Stunden) eingefroren. (Bild: Uni-Klinikum Erlangen/Michael Rabenstein)
Das Eierstockgewebe wird von Prof. Dittrich in die „Kryomaschine“ gehängt. Dort wird es in flüssigem Stickstoff langsam (2,5 Stunden) eingefroren. (Bild: Uni-Klinikum Erlangen/Michael Rabenstein)

In Deutschland erkranken pro Jahr rund 17.000 Frauen im Alter zwischen 15 und 45 Jahren an Krebs. Moderne Behandlungsmethoden bei bösartigen Krebserkrankungen haben die Überlebensrate der Krebspatientinnen deutlich erhöht, führen aber oft zur Unfruchtbarkeit. Eine vielversprechende Möglichkeit für krebskranke Frauen mit Kinderwunsch ist nach Ansicht der Erlanger Forscher die sogenannte Kryokonservierung von Eierstockgewebe (ovariellem Gewebe). 2008 konnten die Reproduktionsmediziner der Hugenottenstadt erstmals in Deutschland bei einer jungen Patientin aus Franken nach der Krebstherapie das Eierstockgewebe voll funktionsfähig retransplantieren.

„Vor der ersten Chemotherapie erklärte mir mein Arzt, dass es ein experimentelles Verfahren gebe, durch das ich mir die Chance auf eigene Kinder erhalten könne“, sagte Sandra G. „Diese Option war für mich in dieser schweren Zeit ein Strohhalm, an dem ich mich mit Blick auf die Zukunft festhalten konnte.“ Per Bauchspiegelung entnahmen die Spezialisten der Frauenklinik (Direktor: Prof. Dr. Matthias W. Beckmann) des Uni-Klinikums Erlangen der Patientin Eierstockgewebe. Anschließend wurde es schonend eingefroren und in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad Celsius gelagert (Kryokonservierung). Das Eierstockgewebe befindet sich bei so niedrigen Temperaturen in einer Ruhephase, ohne zu altern. Nach Abschluss der Krebstherapie wurde rund drei Jahre später das Gewebe langsam aufgetaut und Sandra G. laparoskopisch in die Beckenwand retransplantiert. „Das Gewebe wurde wieder hormonell aktiv, und es konnte ein regelrechtes Follikelwachstum mittels Ultraschall festgestellt werden“, sagte der Biologe Prof. Dr. Ralf Dittrich aus dem Fortpflanzungszentrum des Uni-Klinikums Erlangen. Sandra G. war froh, dass sie nach der Krebstherapie langsam wieder in ihr normales Leben zurückkehren konnte. „Als mein behandelnder Arzt dann zu mir sagte, ich solle das nächste Wochenende für mich nutzen, waren mein Mann und ich uns schnell einig“, sagte Sandra G. Wenige Wochen später stellte der Arzt ihre Schwangerschaft fest. Die darauffolgenden neun Monate verliefen ohne Komplikationen. Am 26. August 2012 gebar Sandra G. dann ihr erstes Kind im Perinatalzentrum des Uni-Klinikums Erlangen. Knapp zwei Jahre später wurde Sandra G. erneut schwanger und gebar nun am 10.05.2015 in Neu-Ulm ihr zweites Kind Matías.

Schwanger trotz Unfruchtbarkeit nach Krebsbehandlung

„Die Chancen unserer Patientinnen nach einer erfolgreichen Retransplantation von Eierstockgewebe schwanger zu werden, stehen genauso gut oder schlecht wie bei jeder gesunden Frau“, sagte Prof. Dr. Matthias W. Beckmann, Direktor der Frauenklinik des Uni-Klinikums Erlangen. „Unsere Forschungserfolge zeigen klar, dass es möglich ist, die Eierstockfunktion von Krebspatientinnen wiederherzustellen. Das ist ein Hoffnungszeichen für zahlreiche Frauen: Ihnen kann die Möglichkeit der Hormonproduktion und des Kinderkriegens zurückgegeben werden.“ Prof. Beckmann forderte: „Krebskranke Frauen im gebärfähigen Alter müssen vor Therapiebeginn auf die neue Möglichkeit, ihre Fruchtbarkeit zu erhalten, hingewiesen werden.“

Während die gut etablierte Methode der Kryokonservierung von Samenzellen in Deutschland flächendeckend von zahlreichen reproduktionsmedizinisch tätigen Zentren angeboten wird, ist die Durchführung fruchtbarkeitserhaltender (fertilitätsprotektiver) Maßnahmen bei der Frau wesentlich komplexer und wird überwiegend nur in wenigen universitären Zentren angeboten, obwohl der Bedarf groß ist. Weitere Informationen über das Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken unter www.kind-nach-krebs.de oder telefonisch unter 09131/85-33467

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Ralf Dittrich
Tel.: 09131/85-33553
ralf.dittrich@uk-erlangen.de