“Ich war vom Theatervirus befallen”

Bjarne Mädel (vorne) und Lars Eidinger (hinten) sitzen auf einem Roller. Im Hintergrund ist der Himmel mit Wolken zu sehen.
Bjarne Mädel und sein Schauspielkollege Lars Eidinger in der Komödie „25km/h" (Bild: Gordon Timpen/Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH/Sunny Side Up GmbH)

„Stromberg“, „Der Tatortreiniger“ oder „Mord mit Aussicht“ – der Schauspieler Bjarne Mädel ist bekannt für seine komisch-grotesken Rollen, die ihm schon zahlreiche Preise eingebracht haben. Derzeit stürmt er an der Seite von Lars Eidinger mit der Komödie „25 km/h“ die deutschen Kino-Charts. Was kaum jemand weiß: Bjarne Mädels Schauspielkarriere startete im Jahr 1989 an der FAU mit einem Studium der Theaterwissenschaften und ersten Projekten im Experimentiertheater. Dabei landete er eher zufällig selbst auf der Bühne: Bei der Erstsemesterparty fragte ihn jemand, ob er Lust hätte Theater zu spielen. Bald gründete er mit Freunden eine Gruppe, in der sie Stücke selbst entwickelten und Straßentheater aufführten.

Ich war vom Theatervirus befallen.

Wie sind Sie als Hamburger damals gerade auf Erlangen und die FAU gekommen, um hier Theaterwissenschaften und Literatur zu studieren?

Nach einer längeren Afrikareise zurück in Hessen, wo ich mein Abi gemacht habe, habe ich in einem Studienführer alles durchgestrichen, was ich für mich uninteressant fand. Übrig blieben fünf bis sechs Studienfächer. Drei davon, nämlich Neuere Deutsche Literatur, Amerikanistik und Theaterwissenschaften wurden in Kombination in Erlangen angeboten.

Und was waren Ihre ersten Eindrücke von der Region Erlangen-Nürnberg?

Ich habe mich zunächst in Nürnberg auf Wohnungssuche begeben, weil ich nicht wusste, dass die Uni in Erlangen ist. Als ich das dann aber glücklicherweise vor dem Start noch rausgefunden hatte, habe ich am Anfang des Studiums zunächst in Forchheim auf den Kellern mitten im Wald gewohnt. Leider waren die Zimmer dort nur unregelmäßig beheizbar und ich erinnere mich an Eisblumen an den Fensterscheiben – von innen.

Verraten Sie uns, wo Sie danach gewohnt haben und ob es einen oder mehrere Lieblingsplätze gab, an denen man Sie häufig antraf?

Ich habe in einer WG in der Bismarckstraße 1 gewohnt, später dann noch mit einem Kumpel in der Nürnberger Straße 79 – für die Hausnummern übernehme ich keine Garantie. Man hat mich entweder im Experimentiertheater angetroffen, beim Paletti, wo ich gearbeitet habe, oder nachts bei der Nahrungsaufnahme dann beim Hühnertod.

Wann genau ist denn Ihr Wunsch, Schauspieler zu werden, entstanden?

Dieser Berufswunsch ist tatsächlich in Erlangen entstanden. Schon bei der ersten größeren Arbeit „Medea“ von Hans Henny Jahn, hatte ich das Glück mit sehr ambitionierten Kollegen zu arbeiten und war vom Theatervirus befallen.

Schwarz-weiß-Foto von Bjarne Mädel: Es ist nur die linke Gesichtshälfte zu sehen, da er sich vor die rechte ein Wasserglaß hält.
Der Schauspieler Bjarne Mädel studierte an der FAU Theaterwissenschaften und Literatur. (Bild: Max Sonnenschein)

Haben Sie noch Kontakt zu Studienfreunden aus dieser Zeit?

Ja, zum Beispiel mit Jan Bosse, der damals zur selben Zeit in Erlangen studiert hat und mit dem ich später in Berlin und dann auch in Hamburg zusammengearbeitet habe. Und ich bin Patenonkel von einem Sohn meines Freundes Till Hoja, der mit mir zusammenwohnte und in Erlangen Medizin studierte.

Nach Ihrer Ausbildung zum Schauspieler in Potsdam waren Sie zunächst am Volkstheater Rostock und dann am Schauspielhaus Hamburg aktiv. Dann folgten Fernseh- und Filmrollen. Was gibt Ihnen mehr, die Bühne oder der Film?

Geld? Also, der Film gibt in der Regel mehr Geld … Mir macht beides extrem viel Freude, die direkte Rückmeldung des Publikums im Theater ist schön, aber ich mag auch das reduzierte Spiel für die Kamera.

Welche war Ihre bisher herausforderndste Rolle?

Ich würde sagen, die Vaterrolle in dem Kinofilm „24 WOCHEN“. Besonders bei einer Szene im Krankenhaus haben wir eine Grenze des Darstellbaren erreicht, wir waren da, haben erlebt, aber „gespielt“ haben wir da nicht mehr, nur gelitten.

Was mögen Sie an sich als Schauspieler besonders und was würden Sie lieber ändern? Und privat?

Den ersten Teil der Frage kann ich unmöglich beantworten, ohne extrem eitel zu wirken, und ich mag, dass ich so ein uneitler Spieler bin. Und privat ist mir aufgefallen, dass meine linke Wade dünner ist als meine rechte, das würde ich gern ändern. Und für neue Rollen würde ich natürlich manchmal gern alles ändern, da ich mich gern verwandle.

Sie haben schon zahlreiche Preise, unter anderem den Grimme-Preis und den Deutschen Comedy-Preis, für Ihre schauspielerischen Leistungen erhalten – wie wichtig sind Ihnen solche Auszeichnungen?

Der – zweifache! – Grimme-Preis bedeutet mir sehr viel, da er ein unabhängiger Preis ist, den man von einer Jury allein für seine Leistung als Darsteller verliehen bekommt. Generell sind Preise eine Würdigung der eigenen Arbeit, und der Grimme-Preis nimmt dabei für mich in Deutschland eine herausgehobene Stellung ein.

Vor kurzem startete in den Kinos Ihre Roadtrip-Komödie „25 km/h“, in der Sie und Lars Eidinger zwei ungleiche Brüder spielen, die nach 30 Jahren Funkstille wieder aufeinandertreffen. Was mögen Sie an dem Film besonders?

Ich mag unser Spiel. Ich mag die tollen Kinobilder von Kameramann Frank Griebe. Ich mag den Humor, aber auch die emotionalen Momente zwischen den Brüdern. Ich mag den Soundtrack. Ich mag die Szene mit Franka Potente. Ich mag meinen Bruder Lars Eidinger. Ich mag die Warmherzigkeit des Filmes. Ich mag das Lächeln von Sandra Hüller. Ich mag, wie Wotan läuft, und vieles mehr.

Nachdem Sie durch eher skurrile Rollen wie „Ernie“ in Stromberg oder „Schotty“ im Tatortreiniger einem größeren Publikum bekannt geworden sind, konnte man Sie in jüngerer Zeit auch in tragischen Rollen wie in „24 Wochen“ oder „1000 Arten Regen zu beschreiben“ sehen. Ist das Zufall oder schlagen Sie eine neue Richtung ein?

Nein, das ist kein Zufall. Ich habe überhaupt nichts gegen das Mittel der Komik, aber habe einfach ein Bedürfnis danach, auch in Filmen zu spielen, in denen es um etwas geht, die etwas zu sagen haben, die Fragen stellen und aufwühlen. Leider gibt es diese Themen im dramatischen Bereich einfach häufiger. Beim Spielen mache ich da für mich keinen großen Unterschied, ich nehme beides gleich ernst.

Welchen Rat geben Sie jungen Leuten, die den Wunsch haben Schauspieler zu werden?

Geht ins Theater, geht ins Kino, guckt Tom und Jerry – und dann macht aber auch!

Vielen Dank für das Interview.

(Interview: Imke Zottnick, November 2018)


Vita des Künstlers

Bjarne Mädel wurde 1968 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur ging er für zwei Jahre nach Kalifornien, wo er zunächst auf dem Bau arbeitete und dann Literatur und Kreatives Schreiben studierte. Zurück in Deutschland entschied er sich 1989 für ein Studium der Theaterwissenschaften und Literatur an der FAU. Von 1992 bis 1996 lernte Mädel auf klassischem Wege den Beruf des Schauspielers an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam. Es folgten Theater-Engagements in Rostock und Hamburg. Größere Bekanntheit erlangte Mädel 2004/2005 durch die Figur des Berthold „Ernie“ Heisterkamp, die er in der TV-Serie Stromberg verkörperte. Danach konnte er mit Hauptrollen in Serien wie „Der kleine Mann“, „Mord mit Aussicht“ oder „Der Tatortreiniger“ brillieren. Neben seinen Fernseharbeiten spielte Mädel schon in zahlreichen Kinofilmen, zuletzt in „25 km/h“ und „Was uns nicht umbringt“. Nach wie vor ist er außerdem auf der Theaterbühne zu sehen.


Das FAU-Magazin alexander

Titelbild alexander Nr. 109
Ein Klick aufs Bild öffnet das PDF.

Dieser Text erschien auch in unserem Magazin alexander. Weitere Themen der Ausgabe: nachwachsende Raubtierzähne und Kopffüßer, eine einzigartiger Studiengang, eine Roboterschmiede und ein Alumnitreffen in Kanada.

alexander Nr. 109 herunterladen