Code of Conduct zu religiöser und weltanschaulicher Vielfalt

Frau Tepecik und Herr Paulsen Collage aus zwei Fotos
Im Interview: Dr. Ebru Tepecik vom Büro für Gender und Diversity und Vizepräsident Prof. Dr. Friedrich Paulsen. (Bilder: Ergün Tepecik/ Thomas Einberger)

Für ein Miteinander in Vielfalt

Seit Kurzem gibt es an der FAU einen Code of Conduct zu religiöser und weltanschaulicher Vielfalt. Ein Thema, das einerseits in einer zunehmend pluralen Gesellschaft höchst relevant ist und andererseits zuweilen Konflikte hervorruft. Prof. Dr. Friedrich Paulsen, Vizepräsident People der FAU, und Leiterin der Arbeitsgruppe Dr. Ebru Tepecik vom Büro für Gender und Diversity erklären im Interview, warum ein solcher Verhaltenscodex für die FAU wichtig ist, wie der Weg dahin verlief und was sie sich für den Bereich Religion und Weltanschauung persönlich wünschen.

Warum ist ein Code of Conduct zu religiöser und weltanschaulicher Vielfalt an der FAU nötig?

Prof. Dr. Friedrich Paulsen: Ein wesentliches Kennzeichen moderner und internationalisierungsaktiver Universitäten wie der FAU ist eine zunehmende religiöse und weltanschauliche Pluralität. Vielfalt ist eines der Leitmotive der FAU. Religiosität unterliegt einem ständigen Wandel und ist nicht nur vielfältiger, sondern auch individueller geworden. Das geht aber auch mit Unsicherheit einher. Aus diesem Grund ist das Thema Religion und Weltanschauung für viele Hochschulen ein heißes Eisen, so dass hier eine gewisse Zurückhaltung zu spüren ist. Die FAU gehört zu den bislang wenigen Universitäten, die sich des Umgang mit religiöser und weltanschaulicher Vielfalt angenommen und mit einem partizipativ erarbeiteten Code of Conduct einen konkreten Orientierungs- und Handlungsrahmen für ihre Universitätsangehörigen geschaffen hat.

Was zeichnet den Code der FAU besonders aus?

Prof. Paulsen: Der Code of Conduct zeigt die grundsätzliche Positionierung und Formulierung des Selbstverständnisses der FAU zu Religion und Weltanschauung. Dabei werden Leitwerte und Grundsätze zur religiösen und weltanschaulichen Vielfalt, zur Freiheit und zum Primat von Forschung und Lehre sowie zur Gleichberechtigung und Antidiskriminierung aufgegriffen. Er schafft damit einen übergreifenden, verbindlichen Orientierungs- und Handlungsrahmen für alle Hochschulangehörigen zum Umgang mit religiösen und weltanschaulichen Fragen und Bedürfnissen der FAU. Mit Hochschulangehörigen sind dabei alle Studierenden und Mitarbeitenden der FAU gemeint und somit weit über 50.000 Personen.

Vor zwei Jahren begannen die Treffen der Arbeitsgruppe, vor Kurzem hat die Universitätsleitung den Code of Conduct offiziell verabschiedet. Warum hat es solange gedauert?

Dr. Ebru Tepecik: Die Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit im Auftrag des Vizepräsidenten People im Januar 2020 unter der Leitung des Büros für Gender und Diversity aufgenommen. Wenn Sie die Größe und Vielfalt der Arbeitsgruppe – es waren rund 20 Personen beteiligt –, die pandemiebedingten Umstände und das streitbare Potenzial der Themen Religion und Weltanschauung in Betracht ziehen, finde ich, dass wir zeitlich sehr gut vorangekommen sind und das Ergebnis dadurch auf einen intensiven Diskussionsprozess basiert.

Bei welchen Fragen gab es inhaltlich die meisten Diskussionen?

Dr. Tepecik: Die AG setzte sich aus vielfältigen Vertreterinnen und Vertretern der FAU zusammen. Diese Vielfalt abzubilden war für uns ein wichtiges Ziel. Gleichzeitig erzeugte diese gewollte Vielfalt auch entsprechende Herausforderungen für die inhaltlichen Diskussionen. Nämlich in der Form von unterschiedlichen Interessen und Erwartungen. Sie  sorgten stets für ausreichenden Diskussionsstoff. Phasenweise gab es lange und intensive Diskussionen über einzelne Formulierungen wie den zum staatlichen Neutralitätsgebot oder zu Begrifflichkeiten, wie dem Toleranzbegriff. Aber auch Fragen zur Umsetzung von religiösen oder weltanschaulichen Veranstaltungen und zur Religionsausübung in universitären Räumlichkeiten waren Diskussionspunkte. Diese und weitere kritisch diskutierte Fragen waren wichtige und nötige Diskurse und haben die Ergebnisse bereichert.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass trotz der vielen kritischen Diskussionen, die Teilnehmenden am Ende doch immer konstruktive Lösungen und Kompromisse herbeigeführt haben und die Kommunikation in der AG stets in einer respektvollen und wertschätzenden Art geführt wurde. Dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten bedanken.

Und bei welchen Fragen waren sich die Mitglieder von Beginn an einig?

Dr. Tepecik: Ich würde sagen bei prinzipiellen Fragen wie dem Diskriminierungsverbot, der Religionsfreiheit ebenso wie auch der Freiheit von Wissenschaft und Lehre. Die Herausforderung oder besser gesagt, die Kunst war es, den institutionellen Anforderungen auf der einen und den Bedürfnissen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen auf der anderen Seite so gut es geht gerecht zu werden.

Zu vielen Themen gibt es im Internet statt Austausch und Diskussion nur Hass und Häme: Was wünschen Sie sich persönlich, wenn es um Religion und Weltanschauungen geht?

Prof. Paulsen: Argumentativ dagegenhalten. Die Universität ist der beste Ort dafür. Wir dürfen nicht wegsehen und müssen dagegen überlegt und vernünftig reagieren. Nicht einfach teilen – sondern prüfen und in schlimmen Fällen auch Mut zum Melden. Wie in der derzeitigen Corona-Lage sind es nur wenige Laute, die im Netz vorgaukeln Meinungsmacht zu besitzen. Hier dürfen wir nicht resignieren und stumm bleiben, sondern müssen mit der großen Vielfalt der vernünftigen Stimmen dagegenhalten. Nicht laut, aber bestimmt.

Dr. Tepecik: Ich wünsche mir aus der Perspektive des Diversity Managements einen vorurteilsfreien und kritisch-konstruktiven Umgang mit Religion und Weltanschauung und denke, dass gerade die Universität ein sehr passender Ort dafür ist.

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