Vom tropischen Südindien zur Physikalischen Chemie an der FAU

Eine Frau sitzt vor einem Bildschirm.
Dr. Aswathy Muttathukattil, CBI, Postdoktorandin TechFak. (Bild: Giulia Iannicelli/FAU)

Wir präsentieren in einer Folge von 22 Beiträgen ein Panorama an FAU-Wissenschaftlerinnen verschiedener Qualifikationsstufen und akademischer Positionen, von der Studentin bis zur W3-Professorin. Als Role Models motivieren die Forscherinnen aus dem MINT-Bereich durch ihre individuellen Werdegänge Nachwuchswissenschaftlerinnen für eine akademische Laufbahn, denn sie geben interessante Einblicke in ihren beruflichen Werdegang. Dabei lernen wir die MINT-Expertinnen auch von ihrer privaten Seite kennen.

Postdoktorandin Aswathy Muttathukattil: Vom tropischen Südindien zur Physikalischen Chemie an der FAU

Dr. Aswathy Muttathukattil kommt aus Kerala, spricht Malayalam und hat sich wissenschaftlich der Physikalischen Chemie verschrieben. Kerala ist ein tropischer Staat im Südwesten Indiens mit einer Bevölkerung von 33 Millionen Menschen, grünen Landschaften, Palmen und Stränden am arabischen Meer; die Sprache, die Aswathy neben Englisch spricht, sieht geschrieben so schön aus wie eine Blütengirlande. Sie sei privilegiert aufgewachsen, betont die 31-jährige Postdoktorandin der FAU – und wenn sie von ihrer Heimat spricht, leuchten ihre Augen. Sie stammt aus einer großen, sie unterstützenden Familie und genoss freien Zugang zu Bildung. Das sei für Mädchen in Indien nicht selbstverständlich, wie sie betont, wohl aber in diesem Bundesstaat.

Liberal und weltoffen erzogen

Die Tochter eines Fotografen und einer Hausfrau wurde liberal und weltoffen erzogen. Die Eltern – auch wenn sie selbst keine Akademiker sind – gaben ihr die Freiheit, ihren Traum zu verwirklichen und zu studieren. „Schon während meiner Schulzeit war ich von verschiedenen wissenschaftlichen Ideen wie der Unschärferelation oder der Evolutionstheorie fasziniert. Außerdem liebe ich es, mathematische Probleme zu lösen.“ Deshalb wählte sie ein MINT-Fach für ihr weiteres Studium. Und so konnte sie an der nahe gelegenen University of Calicut ihren Bachelor of Science in Chemie und ihren Master of Science in Angewandter Chemie machen. Und weil sie ein Stipendium vom Center for Scientific and Industrial Research (CSIR) erhielt, ging sie im Anschluss als Nachwuchswissenschaftlerin ans Indian Institute of Science in Bangalore und promovierte dort in Chemie, genauer gesagt zu dem Thema „das Phänomen der Proteinfaltung und -aggregation“. Und sie erklärt: „Im Wesentlichen ging es darum, dass die Proteine im Speichel eine bestimmte Struktur haben, die ihm hilft, die Nahrung aufzuspalten.“

Eine Frau sitzt an einer Treppe und hat eine Tasse in der Hand.
Dr. Aswathy Muttathukattil, CBI, Postdoktorandin TechFak. (Bild: Giulia Iannicelli/FAU)

Ein mutiger Schritt nach Europa

Nach der erfolgreichen Verteidigung ihrer Dissertation sah sie sich nach internationalen Universitäten um, denn: „Ich wollte unbedingt nach Europa wegen der Geschichte, der Kultur und der vielen Möglichkeiten auf diesem Kontinent.“ Das war ein mutiger Schritt, denn Aswathy Muttathukattil ist seit 2016 verheiratet. Doch ihr Ehemann, ein Ingenieur, unterstützte sie bei ihrem Vorhaben. Die 31-Jährige schaute sich nach Möglichkeiten um und fand heraus, dass an der FAU genau in dem Bereich geforscht wird, in dem sie ihr Fachwissen einbringen und erweitern wollte. Also kam sie nach einer erfolgreichen Bewerbung im Februar 2020 als Postdoc an die FAU. Dank der „Emerging Talents Initiative“ (ETI) der FAU, die exzellente Nachwuchswissenschaftler*innen bei der Beantragung externer Fördergelder unterstützt, erhielt sie finanzielle Mittel für ein Forschungsprojekt. Am Institut für Multiskalensimulation im Interdisziplinären Zentrum für Nanostrukturierte Filme (IZNF) der FAU arbeitet Aswathy Muttathukattil an der Selbstorganisation von Nanopartikeln.

Doch der Anfang ihrer Postdoc-Zeit war schwer: Kaum war sie in Deutschland angekommen, legte die Pandemie peu à peu das Leben lahm. Das bedeutete für die indische Wissenschaftlerin viel Homeoffice-Zeit, wenig Gelegenheit zu sozialen Kontakten – und Heimweh. Doch sie überstand diese harte Zeit und schwärmt nun von ihrer Arbeit, vor allem von deren interdisziplinärem Charakter. „Mein Background ist die Physikalische Chemie. In meiner Doktorarbeit habe ich mich mit der Simulation von Biomolekülen wie Proteinen beschäftigt und dabei Prinzipien aus der Physik verwendet.“ Und jetzt verwendet sie ähnliche physikalische Prinzipien, um neue Materialien zu untersuchen und zu optimieren.

„Ich arbeite an der Schnittstelle zwischen Chemie, Biologie, Physik, Mathematik und Computerwissenschaften.“

Die FAU biete für sie genau das richtige Umfeld für wissenschaftliche Kooperationen. Auch profitierte sie vom ARIADNE Mentoring-Programm. Hier erhielt sie hilfreiche Beratungen und vernetzte sich mit anderen jungen Wissenschaftlerinnen. „Mir gefällt auch, dass die Universität in Mitteleuropa im schönen Bayern liegt. Wenn man sich nach der anstrengenden Forschungsarbeit eine kurze Pause gönnen möchte, gibt es in der Umgebung viele tolle Orte, die man besuchen kann.“ Und sogar Schnitzel hat die langjährige Vegetarierin zu schätzen gelernt, ebenso wie die vielen guten Brotsorten.

Beeindruckt vom offenen Diskurs in Deutschland über die Rolle und die Stellung der Frau in Gesellschaft und Wissenschaft

Eine Frau fährt in Winterkleidung Fahrrad.
Dr. Aswathy Muttathukattil, CBI, Postdoktorandin TechFak. (Bild: Giulia Iannicelli/FAU)

„In meiner Heimat findet eine Genderdiskussion schlichtweg nicht statt“, bedauert sie. Junge Frauen seien in Indien zwar oftmals gut ausgebildet, hätten dann aber nicht die Möglichkeit, eine berufliche Karriere zu verfolgen. „Die meisten Frauen stehen gesellschaftlich unter Druck, früh zu heiraten und Kinder zu bekommen“, schildert die Wissenschaftlerin. „Ein Ausscheren aus dieser Erwartungshaltung ist zwar möglich, aber sehr unüblich. Viele Frauen haben keine Chance, selbstbestimmt zu leben.“ Sie selber fühlt sich privilegiert, frei in Europa leben zu können und die Option zu haben, hier zu bleiben. Und wo sieht sich die 31-Jährige in zehn Jahren? „Ich kann mir gut vorstellen, als Professorin in Indien zu leben – oder, wenn mein Mann die Möglichkeit hat, hier zu arbeiten, auch in Deutschland meine Karriere fortzusetzen.“

Beharrlichkeit ist der Schlüssel

Als Frau in einem von Männern dominierten MINT-Fach will sie vor allem durch gute Arbeit überzeugen und so viele junge Forscherinnen wie möglich direkt erreichen, um ihnen Mut zu machen: „Lasst alle Selbstzweifel beiseite. Beharrlichkeit ist der Schlüssel!“

Dieser Artikel ist Teil der Broschüre “The Sky is the Limit”

Titelbild The Sky is the Limit
Broschüre “The Sky is the Limit”

Facettenreich, inspirierend und innovativ werden in der Broschüre “The Sky is the Limit”  MINT-Wissenschaftlerinnen aus der Technischen und Naturwissenschaftlichen Fakultät der FAU in abwechslungsreichen Interviews vorgestellt.

Weitere veröffentlichte Interviews können Sie online auf der Seite Research nachlesen.

Broschüre “The Sky is the Limit — MINT-Wissenschaftlerinnen an der FAU” zum Download

Die Publikation entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen dem GRK 2423 FRASCAL und dem Büro für Gender und Diversity. Die Interviews führte Dr. Susanne Stemmler.