Leuchtturmprofessur für Quantentechnologie nimmt Arbeit auf

Mann in Hemd und Jackett steht vor einer weißen Säule; im Hintergrund ist eine Treppe sowie Fenster zu sehen
Prof. Dr. Roland Nagy, Professur Elektronische Bauelemente. (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Prof. Roland Nagy im Porträt

„Ein einzelnes Photon oder gar Elektron zu kontrollieren – vor 20 Jahren hätte man das für eine absurde Zukunftsvision gehalten“, sagt der Quantentechnologe Professor Roland Nagy. Heute sind Forschende wie er und sein Team an der FAU in der Lage, die Effekte solcher subatomaren Teilchen sogar bei Raumtemperatur zu nutzen. Eine Leuchtturmprofessur, möglich durch eine Förderung des Freistaats Bayerns, soll seine Forschungen nun noch beschleunigen.

„Die Quantentechnologie ist ein junges, sich schnell entwickelndes Forschungsfeld, in dem Erkenntnisse der Teilchenphysik ingenieurwissenschaftlich nutzbar gemacht werden“, erklärt Roland Nagy. „Im Fokus stehen dabei Quanten, jene kleinsten messbaren Einheiten unserer Welt, und ihre speziellen Eigenschaften und Zustände. Deren ‚Verschränkung‘ etwa oder ‚Überlagerung‘ lässt sich für unzählige hochsensitive Anwendungen nutzen.“ Seit Juni hat Prof. Dr. Roland Nagy eine Leuchtturmprofessur für Angewandte Quantentechnologien an der Technischen Fakultät der FAU inne. Geschaffen wurde diese mit einer Förderung von 4 Millionen Euro durch das Bayerische Ministerium für Wissenschaft und Kunst aus Mitteln der Hightech Agenda. Für Nagy sei die Position „eine herausragende Auszeichnung, vor allem aber ein ‚Speed up-Enabler‘ für meine Ideen und Entwicklungen“. Die Position erlaube es ihm, personell noch mehr Expertise in Quantentechnologie an der FAU zu versammeln und technologische Möglichkeiten, etwa in Bezug auf Forschungsinstrumente, auszubauen.

Nagys Lebenslauf sei „nicht so geradlinig wie bei anderen Forschenden“. Nach Schule, Elektriker-Ausbildung und Bachelor-Ingenieurstudium an der Technischen Hochschule Deggendorf sammelte er Berufserfahrung in der Industrie, etwa bei der Infineon AG. Anschließend begann er ein Masterstudium in Elektrotechnik-Elektronik und Informationstechnik an der FAU, wobei er sich in seiner Abschlussarbeit am Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie Erlangen mit den elektrischen Eigenschaften zukünftiger Halbleitertechnologien befasste. „Dabei fiel mir auf, dass mir die Forschung an komplett neuen, nie dagewesenen Technologien am meisten Spaß macht – insbesondere, wenn sie in eine Anwendung mündet.“ Mit einer Begabtenförderung der Studienstiftung des deutschen Volkes ging Nagy als Wissenschaftlicher Mitarbeiter zu IBM nach Yorktown Heights in den USA. „Dort faszinierte mich insbesondere die Arbeit an dem damals völlig neuen Quantencomputing.“ In seiner anschließenden Doktorarbeit an der Universität Stuttgart befasste er sich dementsprechend mit Quantentechnologien in Siliciumcarbid. Nach seiner Doktorarbeit ging er wieder zurück in die Industrie zur Carl-Zeiss AG, um im Bereich der angewandten Quantensensorik im industriellen Umfeld zu arbeiten.

Das Magnetfeld eines Atoms messen

In 2020 trat Nagy eine Juniorprofessur am Lehrstuhl für Elektronische Bauteile der FAU mit Schwerpunkt Angewandte Quantentechnologien an; nun ist er auf die Leuchtturmprofessur für Angewandte Quantentechnologien berufen worden. In seiner Forschung kreiert Nagy Quantentechnologien der sogenannten zweiten Generation. „Quantentechnologien der ersten Generation verwenden Quanteneffekte – für Halbleiterchips etwa oder Magnetresonanztomogramme (MRTs). Bei Quantentechnologien der zweiten Generation nutzen wir dagegen einzelne Quantensysteme – wie etwa ein Photon oder Elektron“, so der Forscher. „Technologische Entwicklungen, die nicht weniger als Meisterleistungen sind, erlauben es uns heute, die Eigenschaften eines Photons oder Elektrons auf Quantenebene zu beobachten und nutzbar zu machen.“

Dies geschehe mit Anwendungen in drei Bereichen. „Mit Quantensensorik etwa lassen sich physikalische Größen wie Magnetfeld, Temperatur oder elektrisches Feld messen. Die entsprechenden Anwendungen sind so sensitiv, dass sie das Magnetfeld eines einzelnen Atoms messen können und sehr viele Anwendungen möglich machen.“ Viele Projekte gebe es etwa in der Automobilindustrie, wo Quantensensoren in Fahrzeugen integriert werden, um bestimmte Parameter etwa für das autonome Fahren oder die Motorsteuerung zu überwachen oder um klassische Sensoren im Motor zu ersetzen.

Kernspins in Silizium-Carbid

Ein zweiter Schwerpunkt liegt in der Medizintechnik. „Quantensensoren sind deutlich sensitiver als heute verfügbare MRTs. Bei Biopsien etwa können wir anhand der Magnetfeldsignatur einer Zelle feststellen, ob sie gesund oder tumorös ist.“ Dritter und größter Forschungsschwerpunkt Nagys sind Quantennetzwerke. „Diese zielen mithilfe sogenannter ‚Quantenspeicherknotenpunkte‘ darauf ab, den Quantenzustand eines einzelnen Elektrons oder Photons lange zu speichern. Was bislang eine große Herausforderung war, können wir hier in Erlangen nun mit sogenannten Kernspins im Material Silizium-Carbid gut bewerkstelligen.“ Mit solchen Quantenspeicherknotenpunkten ließe sich ein Quantennetzwerk, „im Grunde ein Quanten-Internet“, skalieren und bestehende Quantencomputer darin einbinden.

Auch Studierende für solche Technologien zu begeistern, ist Nagy ein wichtiges Anliegen. „Es sind nicht nur Physikerinnen und Physiker, die in der Quantenforschung gebraucht werden, sondern auch Ingenieure.“ Der Bereich verbinde Mikroelektronik mit Hochfrequenztechnik, Photonik und Materialwissenschaft, und die zahlreichen Industrie-Partner der FAU berichteten immer wieder, nur schwer Experten in diesem Bereich finden zu können. „Es ist ein spannendes Feld mit ganz neuen Möglichkeiten“, erklärt Nagy, zu dessen Interessen neben den Naturwissenschaften auch der Radsport zählt. „Dass ich selbst in der Quantentechnologie lehren und forschen darf, macht mich jeden Tag sehr, sehr glücklich.“

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Roland Nagy
roland.nagy@fau.de