Grün und gerecht

Eva Gengler und Nora Gourmelon
Sie wollen KI nutzen, um Gutes zu tun: Nora Gourmelon (links) und Eva Gengler. (Bild: FAU/Giulia Iannicelli)

Was KI mit Umwelt und Feminismus zu tun hat

Ein paar Klicks mit der Maustaste, dann sind die Koordinatenpunkte gesetzt. Sie markieren die Grenze zwischen Gletschereis und offenem Ozean, die sogenannte Kalbungsfront. „Ich will das Programm darauf trainieren, diese Linie zuverlässig in Radarbildern zu erkennen“, erklärt Nora Gourmelon. „Das ist aufgrund des weniger scharfen Kontrastes sehr viel schwieriger als die Auswertung etwa von Fotografien.“ Wenn es notwendig ist, arbeitet die Informatikerin auch tief im Quelltext des Programms, da ist sie ganz in ihrem Element.

Die gebürtige Erlangerin ist Doktorandin am Lehrstuhl für Mustererkennung der FAU. Für das Informatikstudium hatte sie sich entschieden, weil sie Klimasimulationen entwickeln und dafür die grundlegende Methodik kennenlernen wollte. „Mir war schon als Abiturientin klar, dass ich Informatik für den nachhaltigen Schutz unseres Planeten einsetzen möchte“, erzählt sie. In ihrer Masterarbeit beschäftigte sie sich mit der automatisierten Auswertung von Wasserzählerdaten, um Aussagen über den Trinkwasserverbrauch in privaten Haushalten treffen zu können. Später entwickelte sie mit einem Team ein Programm, das maritime Vögel auf Luftbildaufnahmen selbstständig identifiziert und zählt. Dieses Monitoring gibt Auskunft darüber, welche Arten vom Aussterben bedroht sind oder ob Vögel ihre Routen aufgrund menschlicher Einflüsse – etwa Straßenlärm – im Lauf der Zeit ändern.

Für die Forschung an „grüner KI“ – so nennt sie selbst ihren Arbeitsschwerpunkt – ist Nora Gourmelon 2023 von der Gesellschaft für Informatik als KI-Newcomerin des Jahres im Bereich Natur- und Lebenswissenschaften ausgezeichnet worden. Wenn sie ihre Doktorarbeit erfolgreich abgeschlossen hat, steht der Klimaforschung ein neues Tool für die automatische Erfassung von Eis- und Gletscherbewegungen zur Verfügung, mit dem Klimaveränderungen noch präziser modelliert werden können.

Eva Gengler und Nora Gourmelon
Betriebswirtin Eva Gengler (links) und Informatikerin Nora Gourmelon im Gespräch über ihre Forschungsarbeit. (Bild: FAU/Giulia Iannicelli)

KI darf Unrecht nicht fördern

Auch Eva Gengler möchte KI nutzen, um Gutes zu tun. „Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit dem Einfluss von Machtstrukturen auf die Entwicklung, den Einsatz und die Entscheidungen von KI, sowohl in der Gesellschaft als auch in Unternehmen“, sagt Gengler. „Da gibt es besonders in den Daten starke Verzerrungen, die mit einer systematischen Benachteiligung marginalisierter Menschen einhergehen. Wir sollten nicht zulassen, dass KI solche Machtungleichgewichte verstärkt.“

Ein prominentes Beispiel für solche Verzerrungen lieferte vor wenigen Jahren ein Global Player des Onlinehandels, der sich bei der Auswertung von Lebensläufen durch Künstliche Intelligenz unterstützen ließ. Es stellte sich heraus, dass die KI die Lebensläufe von Frauen systematisch aussortierte. „Die KI hatte gelernt, dass IT-Positionen überwiegend mit Männern besetzt sind“, erklärt Gengler. „Daraus schloss sie, dass Männer die bessere Wahl für solche Jobs sind.“

Blick einer Insiderin

Eva Gengler hat nicht nur den Forscherinnenblick von außen, sie ist Insiderin. Bereits während ihres BWL-Studiums an der FAU hat sie bei namhaften Unternehmen an IT-Projekten gearbeitet. Später war sie als IT-Consultant tätig und beispielsweise in die Digitalisierung eines finnischen Gaskonzerns eingebunden. Anschließend wurde sie Business-Analystin und Führungskraft im Spin-off einer großen Versicherung. „Für viele wären das Sprungbretter in das gehobene Management gewesen“, sagt Gengler. „Mir wurde es aber zunehmend wichtig, meine Erfahrungen für den Schutz der Rechte insbesondere von marginalisierten Menschen einzusetzen.“

2021 wechselte die Nürnbergerin deshalb in die Selbstständigkeit und arbeitete an Projekten, die sich mit der Diskriminierung von Frauen beschäftigen. Zudem ist sie Vorständin bei erfolgsfaktor FRAU – einem Verein, der sich für Frauenrechte im Geschäftsleben einsetzt. Gengler ist Mitgründerin von FemAI, einem Think-Tank zum Thema Feministische KI, und der Unternehmensberatung enableYou, die Organisationen bei der digitalen Transformation unterstützt und dabei auf kreative New-Work-Konzepte setzt.

An die FAU zurückgekehrt

Für ihre Doktorarbeit ist die leidenschaftliche Feministin, wie sie sich selbst nennt, an die FAU zurückgekehrt. Sie promoviert im Internationalen Doktorand/-innenprogramm „Business and Human Rights: Governance Challenges in a Complex World“ und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Schöller-Stiftungslehrstuhl für Wirtschaftsinformatik. In ihrer Forschung widmet sie sich der zentralen Frage, wie eine feministische KI der Diskriminierung marginalisierter Menschen entgegenwirken kann.

Autor: Matthias Münch


Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins

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