Schulgeschichtliche Sammlung Teil des UNESCO-Weltdokumentenerbes

(v.l.) FAU-Präsident Prof. Dr. Joachim Hornegger, Nürnbergs Schulreferentin Cornelia Trinkl, Leiter des FAU Schulmuseums Dr. Mathias Rösch, Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Markus König.
(v.l.) FAU-Präsident Prof. Dr. Joachim Hornegger, Nürnbergs Schulreferentin Cornelia Trinkl, Leiter des FAU Schulmuseums Dr. Mathias Rösch, Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Markus König. (Bild: FAU/Boris Mijat)

Im Rahmen des UNESCO-Programms „Gedächtnis der Menschheit“ werden seit über 30 Jahren Dokumente gesichert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die einschneidende Momente der Menschheitsgeschichte verdeutlichen. Dazu zählen beispielsweise die Archive des Warschauer Ghettos, die Göttinger Gutenberg-Bibel oder Röntgenbilder von Wilhelm Conrad Röntgen.

Nun hat die UNESCO 17 Sammlungen mit Zeichnungen, Gemälden und Schriften von Kindern und Jugendlichen in das Weltdokumentenerbe aufgenommen, darunter die schulgeschichtliche Sammlung des Schulmuseums, eine Gemeinschaftseinrichtung der FAU und der Stadt Nürnberg. Sie dienen als kulturelles Gedächtnis, um Schlüsselereignisse aus Kriegszeiten und deren Folgen zu beschreiben.

Kinderzeichnungen dienen als „demokratisches Erbe“

Über 4.500 Werke der schulgeschichtlichen Sammlung der FAU sind seit Kurzem Teil des UNESCO-Weltdokumentenerbes. Es handelt sich um Zeichnungen von Schulkindern und Jugendlichen, die zwischen 1924 und 1929 an der Volksschule Stein von Wilhelm Daiber unterrichtet wurden.

Daiber war es ein Anliegen, seinen Schülerinnen und Schülern den Raum zu geben, um ohne Zeitdruck den eigenen Stil zu erforschen. Dabei scheute der Reformpädagoge die Investition in hochwertige Farben und Papier nicht. Die Resultate wurden von ihm alle beschriftet und sauber sortiert, sodass nun 100 Jahre später keine Zweifel bezüglich Entstehungszeit der Zeichnungen bzw. Alter oder Geschlecht der Kinder aufkommen können.

Eine wichtige Voraussetzung, um heute wichtige Erkenntnisse zu gewinnen: Wie wurde Reformpädagogik an der Volksschule in den 20er Jahren umgesetzt? Wie nahmen Kinder und Jugendliche ihren Alltag wenige Jahre nach Ende des ersten Weltkriegs wahr? Wie nutzten sie die Gelegenheit, sich durch Malen auszudrücken?

Max Liedtke, ein Mann in hohem Alter, mit weißem Haar und einer Brille.
Prof. emer. Dr. Max Liedtke (Bild: FAU/Boris Mijat)

Kreativität und Selbständigkeit in Daibers Klassen

Im Sinne der Reformpädagogik wollte Daiber in seinen Klassen Selbsttätigkeit fördern und es war ihm wichtig, die Kreativität seiner Schülerinnen und Schüler zu unterstützen. Das Ergebnis sind Bilder mit unterschiedlichsten Motiven: Da gibt es Szenen mit Unterseebooten oder Tieren, aber auch aus Märchen und der Bibel. Osterhasen tragen Flaggen vom deutschen Reich, heimische Räume sind mal eher karg eingerichtet dargestellt, mal mit Elementen wie Wanduhren gestaltet, die ein Zeichen für Wohlstand waren.

An die FAU gelangten diese Werke zu Beginn der 1980er Jahre als das Nürnberger Spielzeugmuseum sie an Prof. Dr. Max Liedtke vom FAU-Lehrstuhl für Pädagogik I an der FAU übergab. Liedtke war damals im Prozess, die schulgeschichtliche Sammlung aufzubauen.

Werke stellen wertvolle Überlieferungen dar

Auf ihrer Webseite bezeichnet die UNESCO diese und die Dokumente der anderen 16 Sammlungen als „demokratisches Erbe“, welches für folgende Generationen als wertvolle Überlieferungen dienen kann. Dies besonders in Anbetracht der Tatsache, dass im Fall von Daibers Klassen bereits wenige Jahre später ein weiterer Krieg folgte. Unter Umständen sind die Zeichnungen dieser Kinder die einzigen Spuren, die sie in der Geschichte hinterlassen konnten.

Das Bewerbungsverfahren für die 17 Sammlungen begann bereits 2018. Den Antrag auf Aufnahme reichte stellvertretend das Musée national de l’Éducation in Rouen in Frankreich ein. Es wurde dabei organisatorisch vom Forschungsverbund „International Research and Archives Network for Historical Children’s and Youth Drawings (IRAND)“ unterstützt.



FAU-Präsident Prof. Dr. Joachim Hornegger würdigte anlässlich eines Pressetermins zur Vorstellung der Sammlung an der FAU das Engagement und die wertvolle Arbeit des Schulmuseums – insbesondere von Museumsleiter Dr. Mathias Rösch und Udo Andraschke, der die Stabsstelle Museen und Sammlungen an der FAU leitet: „Innovation, Vielfalt und Leidenschaft sind die Kernwerte unserer FAU – und ich kann mir kaum etwas vorstellen, das diese Werte besser verkörpert als unsere Sammlungen und diejenigen, die sich ihrer annehmen: Diese wertvollen Objekte in innovativer Weise zu präsentieren und für Forschung und Lehre einzusetzen, sie in ihrer ganzen Vielfalt zu nutzen und sie mit Leidenschaft zu betreuen, zu pflegen und zu erweitern – dafür stehen Menschen wie Dr. Mathias Rösch und Udo Andraschke. Die Aufnahme der schulgeschichtlichen Sammlung ins UNESCO-Weltdokumentenerbe erfüllt uns an der FAU nicht nur mit Stolz – sie macht auch deutlich, welch kostbaren Schatz wir hier über Jahrzehnte hinweg bewahren dürfen.“

Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König unterstrich die Bedeutung dieser Auszeichnung auch für die Stadt Nürnberg: „Die Aufnahme in das UNESCO-Weltdokumentenerbe ist eine herausragende internationale Anerkennung und bestätigt die außergewöhnliche kulturelle und historische Bedeutung dieser Sammlung – für Nürnberg, für Deutschland und darüber hinaus. Neben dem Behaim-Globus und der Goldenen Bulle reiht sich nun ein weiteres bedeutendes Kapitel in die UNESCO-Geschichte unserer Stadt ein. Mein besonderer Dank gilt dem Schulmuseum für seine jahrzehntelange, engagierte Arbeit sowie der Deutschen UNESCO-Kommission für ihr Vertrauen. Diese Auszeichnung ist für uns nicht nur Ehre, sondern auch Verpflichtung, das kulturelle Erbe lebendig zu halten und für kommende Generationen zu bewahren.“

Cornelia Trinkl, Schulreferentin und erste Vorsitzende des Fördervereines des Schulmuseums, betonte die Bedeutung der Sammlung: „Die Kinderzeichnungen aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zeigen auf bewegende Weise, wie Geschichte durch junge Augen erlebt wird – ein wertvoller Impuls für historisches Lernen, Empathie und Verantwortung. Dank des Schulmuseums Nürnberg und der FAU sind diese bewegenden Zeugnisse sichtbar und zugänglich. Die dritte UNESCO-Auszeichnung unterstreicht eindrucksvoll, wie eng kulturelles Erbe und Bildung in Nürnberg miteinander verbunden sind.“

„Die Aufnahme in das UNESCO-Dokumentenerbe ist eine ganz außergewöhnliche Auszeichnung, die weltweit nur wenigen Sammlungen verliehen wird. Es ist schon etwas sehr Besonderes, dass eine so kleine Sammlung wie die schulgeschichtliche Sammlung hier in Nürnberg diese Ehre erhält“, erklärt Dr. Mathias Rösch. „Zugleich verdeutlicht diese Auszeichnung drei Dinge: Sie zeigt den hohen Wert schulgeschichtlicher Sammlungen an sich, aber auch den hohen Wert der Sammlungen der FAU mit ihren einzigartigen und kostbaren Beständen. Sie stärkt zudem die Wertschätzung für Kinderzeichnungen als historische Quelle, als ästhetisches Werk und als Ausdruck kindlichen Denkens, Fühlens sowie kindlicher Erfahrungen.“

Die schulgeschichtliche Sammlung der FAU besuchen

Für wissenschaftliche Forschung steht der Bestand im Archiv der Sammlung in der Regensburger Straße 160 in Nürnberg zur Verfügung. Eine Ausstellung der Zeichnungen ist für den kommenden Herbst 2025 geplant.

Weitere Informationen

Dr. Mathias Rösch
Schulmuseum Nürnberg
mathias.roesch@fau.de