„Zuschussrente schafft neue Ungerechtigkeiten“

Prof. Matthias Wrede (Bild: privat)
Prof. Matthias Wrede (Bild: privat)

Zuschussrente oder Freibetrag für Riester-Rente – welches der beiden Konzepte Altersarmut erfolgreicher bekämpft, darüber reden sich Deutschlands Parteien aktuell die Köpfe heiß. Warum aus seiner Sicht die Zuschussrente zu Recht in der Kritik steht, während der Vorschlag der jüngeren Koalitionsabgeordneten, einen Freibetrag einzuführen, vielversprechend ist – das erklärt Prof. Dr. Matthias Wrede, Inhaber des Lehrstuhls für Sozialpolitik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Die Zuschussrente steht zu Recht in der Kritik. Zum einen wird die Zuschussrente künftig Altersarmut nicht grundsätzlich bekämpfen, da sie den veränderten, häufig unterbrochenen Erwerbsbiographien gerade nicht Rechnung trägt. Sie wird zumindest zunächst auch nur an wenige Rentenbezieher ausgezahlt werden. Zum anderen schafft die Zuschussrente neue Ungerechtigkeiten, da ein einzelnes fehlendes Beitrags- bzw. Versicherungsjahr eine erhebliche Schlechterstellung des Rentenbeziehers nach sich zieht. Die Zuschussrente durchbricht zudem in unsystematischer Weise das an der Leistungsgerechtigkeit orientierte in der  gesetzlichen Rentenversicherung maßgebliche Prinzip der Teilhabeäquivalenz.  Wollte man die Zahl der Beitragsjahre in systematischer Weise zu einem eigenständigen Element bei der Rentenberechnung machen, so müsste man die Zahl der Beitragsjahre multiplikativ oder additiv in die Rentenformel einführen. Das aber wäre ebenfalls mit negativen Folgen für Leistungs- und Bedarfsgerechtigkeit verbunden. Schließlich ist die Zuschussrente eher komplex und wird nicht in spürbarem Maße wünschenswerte Verhaltensanreize setzen.

Demgegenüber ist der Vorschlag von jüngeren Koalitionsabgeordneten, in der Grundsicherung im Alter einen Freibetrag von mindestens 100 Euro bei der Einkommensanrechnung für Renten aus der privaten und betrieblichen Altersvorsorge zu gewähren, begrüßenswert. Gerade für Niedrigeinkommensbezieher bestehen derzeit zu geringe Anreize, selbst für das Alter vorzusorgen. In dieser Gruppe ist nicht zuletzt deswegen die Vorsorgequote gering. Die vollständige Anrechnung der Renten aus privater und betrieblicher Altersvorsoge auf die Grundsicherung im Alter nimmt denjenigen, die erwarten, mit hoher Wahrscheinlichkeit im Alter auf Grundsicherung angewiesen zu sein, jeden Anreiz vorzusorgen. Eine Begrenzung der Anrechnung würde hier gegensteuern. Natürlich müsste dafür ein Preis gezahlt werden: Die Zahl der Anspruchsberechtigten in der Grundsicherung im Alter steigt und damit erhöhen sich auch die staatlichen Ausgaben für die Grundsicherung. Aufgrund der Steuerfinanzierung dieser Leistung wird das aber von allen geschultert und nicht nur von den Beitragszahlern. Die positiven Wirkungen der Stärkung von Selbstverantwortung, der gesellschaftlichen Verbreiterung der zusätzlichen Altersvorsorge und der Anreizeffekte überwiegen die negativen Folgen der Verbreiterung des Empfängerkreises von Grundsicherung im Alter.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Matthias Wrede
Tel.: 0911/5302-952
Matthias.Wrede@wiso.uni-erlangen.de